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An de
schwelle der
Wiedergeburt
I GIFT OF
HORACE W. CARPENTIER
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AN DER SCHWELLE DER WIEDERGEBURT
HERAUSGEBER: DAVIS ERDTRACHT
PALASTINA
DAS LAND DER JÜDISCHEN
GEGENWART UND ZUKUNFT
Aus dem Inhalte: Davis Erdtracht, Wien: An
der Schwelle der Wiedergeburt - Prof. Dr. Carl
B a 1 1 o d» Berlin : Produktions- und AufinahmsfiUiig-
keit Palästinas. - J. O ettinger, Haag: Boden-
kultur bei den Juden. - Dr. Arthur Ruppin, Jaffa:
Exfsftenzmöglichkeiten in Palästina. • Dr. Emil
Stein: Wirtschaftliche Zukunft Palästinas. - Prof.
Dr. Wilhelm Stein, Wien: Der Handel bei
den Juden im Altertum. - Dr. Fritz Stern-
berg, Berlin: Gedanken Ober Handel und Indu-
strie in Palästina. - Prof. Dr. Jakob Wetzler,
NOmberg: Palästina im Weltverkehr.
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Z WEI t E.V.A* UIFL :
IM VERLAG „WIEDERdEBURP'-HOCHSCHULE FÜR WELT-
HANDEL, WIEN-DÖBLING
19 2 0
KOMMISSIONSVERLAG : SCHÖNFELD - WIEN
IX/% UNlVERSiTÄTSSTRASSE 8
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t)ß. MAX NÜRDAU
PRQF. DR. ALEXANDER MARMOREK
JOHANN KREMENETZKY
DES ORO.SStli FÜHRERS
THEODOR HERZL
AN DER SCHWELLE DER WIEDER-
GEBURT ZUGEEIGNET.
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DAVIS ERDTRACHT.
AN DER SCHWELLE DER
WIEDERGEBURT.
Unendlich waren die Straßen unseres Leidens; wir wanderten
durch Völker und Zeiten; durch Land und Länder stoß uns der
Wind; Heimat um Heimat rissen uns die Völker fort, in fremden
Häusern wohnten wir und ängstend schliefen an feindlichem Herd.
Noch liegen in den Gassen die Leichen der Knaben, die Frauen
erdrosselt, noch sind die Schakale der Wüste nicht satt, noch
jagen sie nach und räuchern aus mit Räuchern und Bränden,
schwächen die Frauen, schlagen die Greise — äber schon
lösen sich die Fesseln des Halses und das Joch
des Nackens. Wir, aller Völker Spielball und Spott, die
Letztgebliebenen, wir einzig Heimatlosen der Erde, wir wandern
dem Ziele entgegen, wir erleben den Traum unseres Heimwehs.
Jerusalem, die heilige Gottesstadt, die Wiege der Völker, die
Sage der Zeiten, Fabel und Sprichwort unter den Völkern, wird
wieder die Stadt des heimkehrenden Judenvoikes. Wir kommen
aus den Kerkern der Verbannung und sind an der Schwelle und
schauen die Stadt unserer Liebe, die Stadt unseres Glückes,
Zions heilige Burg.
Wir müssen Jerusalem ergreifen, die Stadt unserer Träume,
ergreifen Palästina, das einzige jüdische Land. Nicht nur sehn-
suchtsvollen Blickes schauen, auch mit eigener Kraft erbauen. Denn
die Muttererde, die noch stets unter dem Hufschlage fremder
Reiter und wildem Kanonendonner erdröhnt, verlassen ruft uns
zu: Ihr untreuen Söhne, schüttelt den Staub der Jahrhunderte der
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Wanderung ab, betretet Euer Haus, nehmet in Besitz. Fremden
Göttern Jahrhunderte gedient, auf dem Altare der eigenen Gott-
heit opfert auch endlich Eure Kraft, Euer Herz!
San Remo — freie Stadt der erlösenden Botschaft; aber
nur Du Jerusalem, bist die Stadt der jadischen Erlösung! Freie
Völker — sie gaben dem Wandervolke das Ziel der Freiheit; aber
nur das jfldische Volk kann sich die Freiheit wiedergeben. Aus
dem Kerker wurde es entlassen, aber die Sklavenketten kann es
nur selbst sprengen. Aus Jerusalem kommt die Freiheit, aus des
Vollces Innern die Stärke. Baue, jüdischer Arbeiter, greife zu, er-
greife, denn Palästina wird heute auferstehen oder nie, durch
Deine eigene Kraft oder überhaupt nicht. Wir wollen kein Geschenk,
wir wollen keine Gnade, wir . wollen . Arbeit und den eigenen
Lohn. Wir wollen keine Sklaven sein, wir wollen auf eigenem
Boden eigenes Heimes Maurer sein.
*
Unsere rastlosen Führerl Seit Jahrzehnten opfern sie auf
dem Altare der Wiedergeburt ihren Geist, ihre Kraft. Sie wissen
nicht, was Gefahr und was Ruhe, was Friede und Glück, sie
trotzen dem Hohne und ringen im Kampfe, sie, ungekrönte Könige
des heimatlosen Volkes, Staatsmänner ohne Staat, die nicht Ge-
wählten, die Auserwählten. Sie führen das Volk dem heiligen Ziele
entgegen und an der Schwelle des altneuen Hauses bleiben sie
nicht stehen, sie ringen und bauen und spähen nach Mitstreiter.
Die Jungen und Starken im jüdischen Lager müssen die
Mitstreiter sein. Die Last von den Schultern der Führer über-
nehmen muß die Jugend, die heilige Last mit jugendlichem Stolze
und Elan tragen, fortsetzen, wo die Arbeit begonnen, bauen, bauen,
rastlos bauen, NMcht mehr als Zuschauer, sondern als Arbeiter,
nicht mehr als Redner, nur als Streiter, nicht mehr als Träumer,
nur als Maurer, der jüdischen Zukunft auf jüdischem Boden
rastlose Ma.urer.
Sie zieht in Scharen der Zions Burg entgegen! Erhobenen
Hauptes und frohen Herzens, Trägerin der Freiheit, der glück-
lichen Zukunft — die jüdische Jugend, deren Hand die ewige
Liebe aussäet, deren Seele Flut ist von großen Taten, deren Herz
ist von unendlicher Begeisterung. Sie ruft das Land, sie ruft
das Volk, sie rufen die Führer zur Tat, zur Tat. Und ihr Herz
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erhört sie und ihre Arme blühen auf zur Tat Jugend ! Verfluche
die Geißel, die Dich zerschlägt, verfluche die Hand, die Dich ge-
kneclitet, verfluche die Bitternis, Knechtschaft und Schmach, ver-
fluche die Leidenszeit, die ins Dunkel gesunken. Hebe Dich auf
ins Land zu fahren, rüste und schreite den heiligen Gang. Beginn
Deine wunderbare Heimkehr durch die Welt in Freiheit, denn er-
lebt ist der Traum unseres Heimwehs.
*
Es ist der Geschichte Flucht wir Palästina erst jüdisch
schaffen mflssen, in Palästina, ei-st Erez Israel aufbauen. Jüdisches
Kapital, jüdische Arbeit, jüdische Intelligenz und Jugend müssen
das Land erobern. Wir müssen dort Fuß fassen. Jüdische Kolo-
nien, jüdische Städte, jüdische Schulen und jüdisches Wirtschafts-
leben müssen gegründet werden, wenn wir Palästina unser nennen
wollen. Die Völker bieten uns die Freilicit; die Freiheit müssen
wir uns erst erobern und nicht als Geschenk empfani^cn. Die
Freiheit als Geschenk ist eine Schmach, die uns auch genommen
werden kann. Das freie jüdische Palästina kann nur durch eigene
Arbeit aufgebaut werden. Und der Erfolg unserer Arbeit muß
dauernd sein; wir wollen nicht, wir dürfen nicht mehr in die
Knechtschaft gehen. Ein jüdisches Palästina ist die Oeullah
(Befreiung) des ganzen jüdischen Volkes. Wenn in Palästina
auch nur ein Teil der Juden ein freies Leben gründen wird,
werden auch die in den alten Ländern Gebliebenen frei. Denn
sie werden nicht mehr tragische Figuren sein, da sie der Welt
jetzt außer der persönlichen Visitenkarte, auch die nationale werden
abgeben dürfen. Man wird sie als freie Menschen, die ein Vater-
land haben, respektieren müssen. Jeder von uns muii seine
Pfliclit voll und ganz tun; keiner soll erst warten bis die Anderen
das Werk vollenden. Wenn wir anderen Palästina empfehlen,
müssen wir auch selbst aufbrechen und dort das Leben fort-
setzen. Die Jugend muß den Beruf wählen, der ihr schon heute
ein werktätiges Dasein in Palästina ermöglicht, die Alteren ihr
Kapital für den Aufbau eines neuen Heimes unter freiem Himmel
und auf eigenem Boden, den er eigen nennen darf, verwenden.
Und Juden, die hier bleiben werden, werden wissen, wo die
Heimat ist und wo sie die Stütze in den Stürmen der Zeit zu
suchen haben ; ihren Kindern gegenüber werden sie auf die Frage:
Wo ist die Heimat? nicht mehr verlegen verstummen, sondern
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stolz auf Palästina hinweisen und sie zu geraden Menschen um
ganzen Juden machen. Wir müssen uns auch für Palästina vor
bereiten, das Land, seine Produktion, Kräfte und Entwicklungs-
möglichkeiten durch Studium und Exkursionen kennen lernen
seine Sprachen erlernen. Dieser Aufklärung soll auch dieses
Buch in bescheidenem Maße dienen und die Liebe zu eigenem
Lande wecken.
Siehe da, Du Wandervolke, siehe um Dich: Hart war Deine
Knechtschaft, brennend Deine Leiden, ewig geprüft, ewig bekriegt,
ewig besiegt; ewig verstrickt, menschenverhOhntes Leidenvolk.
Siehe nun da: Helle Sonne ist Ober dem Lande und Wein-
stOcke blieben Im Frieden, es schreiten beseeligt die Leute und
sanft glänzet der Mond in Jerusalem. Sage Volk, sage, ist es
nicht schön in Zions Mauern, ist es nicht lind in Sarons Talen,
nicht selig an des Jordans blauem Gefäll?
Wie lange noch wollt Ihr Euch gedulden der Taten, wie
lange Stille, da das Land Euch gerufen? Jerusalem harret
Euch, daß Ihr es erlöset. Werfet ab das Joch, reißt
Euch los von den Ketten, zerbrechet das Joch!
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PROF. br. WlLHELn STEIN (WI&N);
DER HANDEL BEI DEN JUDEN DES
flLTERTUnS.
[ie weltkulturelle Bedeutung des Judentums liegt zweifellos
in seinen geistigen Schöpfungen und es ist darum selbst-
verständlich, daß der materiellen Seite seines Daseins nur
ein untergeordnetes Interesse gewidmet wird. Und doch
ist das wirtschaftliche Leben nicht allein der Mutterboden, aus dem
diese geistigen Leistungen hervorwachsen; es sei nur auf die sozialen
Voraussetzungen des Prophetismus und die tielliegenden ökonomischen
Faktoren hingewiesen, die das Werden lies Christentums in höchstem
Maße beschleunigt haben. Materielle Tendenzen sind es auch, die für
die Entwicklung des jüdischen Volkskörpers maßgebend waren und
als Erklärungsgründe für die jüdische Gegenwart dienen müssen. Mag
man auch der materialistischen Geschichtsauffassung nicht in extremer
Ausschließlicbkeit huldigen. Der Jetztzeit erscheint aber das jüdische
Volk in ausgeprägt ökonomischer Wirksamkeit trotz aller geistigen Be-
deutung von einst und es darf darum als eine wichtige bisher vei^
nachlässigte Aufgabe der JOdischen Geschichtsforschung angesehen
werden, aufzuzeigen, wie aus dem Volk des Buches das Handelsvolk
des Mittelalters geworden ist. Dabei muß sich dann ergeben, ob dieser
Übergang durch äußere Verhältnisse erzwungen worden ist oder den
dem Volke innewohnenden Entwicklungstendenzen, d. h. seinen ein-
geborenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, mit einem Worte : seiner
Wesensart verdankt wird. Werner Sombart hat sich in seinen rasch
berühmt gewordenen Büchern „Der moderne Kapitalismus", Leipzig
1902, I, und „Die Juden und das Wirtschaftsleben", Leipzig 1911,
damit begnügt, eine reiche, aber zusammenhanglose ZitatenfONe at>er
den Leser zu schütten, um die angeborene Mandelsbefühigung des
jüdischen Volkes zu erweisen. Statt dessen wollen wir einen kurzen
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Abrib der jpdi^cheo.Wifl^Qliaftsgeschichte in der Antike entwerfen, ir
deren Mittetruiii1^i^cofe.4<öHnT.eri4dle-'Betätigung der Juden stehen soll
Es liegt in der Natur der Sache, daß die Darstellung mit dem Ein-
tritt des jadtschen Volkes in das helle Licht der Geschichte beginnt,
um mit der innigen Verflechtung der Juden in das abendländische
Wirtschaftsleben abzuschließen, zumal da diese hochbedeutsame Ober-
gangszeit an Georg Caro (Sozial- nnd Wirtschaftsgeschichte der Juden
im Mittelalter und der Neuzeit Bd. I, Leipzig 1908), Ignaz Schipper
(AnlViiiL^e des Kapitalisiims bei den abendländischen Juden im früheren
Mittelalter, Wien und Leipzig 1907) und letztens Lujo Brentano (Die
Anfange des modernen Kapitalismus, München 1916), tiefdrinj^ende
Erforscher gefunden hat, so dai5 sich unsere Darstellung als eine breilere
Vorbereitung auf diese Untersuchungen gibt.
Die biblischen Nachrichten erzählen mit voller Glaubwürdigkeit,
daß die israelitischen Stämme vor dem Einzug In das Land Kanaan
als nomadische Viehzüchter dahinlebten und mit dem großen Herden-
besitz, den sie teils von früher her besaßen, teils den unterworfenen
Völkern abgenommen hatten, in ihre neue Heimat einrOckten. Aber
nun wird aus dem schweifenden Nomaden ein seßhafter Ackerbauer,
an Stelle des beweglichen Zeltes tritt mehr und mehr die feste Hütte
und das steinerne Haus. Und so werden die beiden Hauptzweige des
landwirtschaftlichen Betriebes, Feldbau und Viehzucht, die Grundlagen
der israelitischen Volkswirtschaft; Korn und Wein, öl und Feigen,
Milch und Fleisch der Herden bilden bald die Erzeugnisse des jungen
Bauernvolkes. Dabei erinnert deutlich an die nomadische Vergangenheit
die ungewöhnliche Vorliebe für Viehzucht und Hirtenleben, besonders
da einzelne weniger ergiebige Gebiete — die Höhenzflge und Hoch-
flächen ostwärts des Jordans und weite Strecken im Westen des Jordans
— fflr die Entwicklung zur Ackerktdtur nicht geeignet waren. Noch
tief in der Königszeit fordert das Rechabitengeschlecht, der Ver-
suchung des Kulturlebens, mit den sie den Landbau identifizieren, zu
widerstehen, die Umpflanzung des Getreides, den Bau der steinernen
Häuser und den Genuß des Weines zu meiden, mit einem Wort,
wieder zur alten Art bedürfnislosen Nomadendaseins in der Wüste
zurückzukehren.
Aber die Eingewanderten -^kommen nicht in jungfräuliches Und,
das Menschenhand erst urbar machen muß, sondern in ein Jahr-
tausende altes Kulturgebiet, das der ständigen Bestrahlung durch die
bedeutsamsten Zentren des vorderen Orients ^usg^etzt Ist Die Aus-
grabungen der letzten Zeit auf palästinenslaclien Boden zeigen uns
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babylonische und ägyptische, aber auch phihstarische. kyprische und
jnystenische Einflüsse in den aufgefundenen Geräten und Schmuck-
stücken ; ja man kann sogar ein deutliches Nachlassen in der frühern
Feinheit der Funde mit der Einwanderung der Israeliten feststellen.
Denn Palästina liegt inmitten einer Umwelt mit längstentwickelter
Schriftkultur, Städteorganisation, See- und Karawanenhandel, Beamten-
staaten, Priesterwissen, astronomischen Beobachtungen und kosmo-
logischen Spekulationen. Sind doch selbst Eisen und Bronze bereits
'wohlbekannte Materialien, die man seit Jahrhunderten im Lande kennt
(Teil Anuirnabriefe 87, 21, 27) und Geräte, Lampen, Terakoiten,
Keramiken finden sich fast an jeder Aus^rabunysstelle. An zahllosen
Beispielen der Bibel läßt sich nachweisen, weichen liefen Respekt
<3ie einwandernden Israeliten für diese hohe Zivilisation hatten und
•daß sie mit Gefühlen, die aus Neid und Verachtung in gleichem MalSe
bestanden, die festen Städte und die funkelnden Schätze der Kanaaniter
i)etrachteten; wie etwa gelegentlich der Beute von Jericho und des
Treubruches des Achan.
EHe allmählich vom Ackerbau abgedrängten Ureinwohner mußten
«ich, da die hebräischen Stämme al8Erot>erer ihreLandlosebeanspruchten,
nunmehr ausgiebiger dem Handel widmen, zumal der Israelit, der eben
jnoch Nomade gewesen war, von einem tiefen Abscheu gegen jeden
Erwerb der nicht aus der Urproduktion stammt, erfüllt war. Der
Kanaaniter sorgt als Krämer und Lieferant für die anfangs gewiß
nicht großen Bedürfnisse der Israeliten an Metallen, Hausgeräten,
Luxusartikeln, Sklaven u. a,, die er wohl nicht bar bezahlte, sondern
^ür Rohware, wohl vor allem Korn, Wein, Ol und Vieh eintauschte.
Auch als eine innigere Vermengung der Einwanderer und Erb-
ehigesessenen eintrat und die Kultur der Autochtfaonen die Sieger
in zahlreichen Beziehungen unterjochte, konnte sich kein bedeutsamer
Handel entwickeln, weil die Israeliten fast ganz vom Meere abge-
schnitten waren und die Karawanenstraßen, auf welchen der Binnen-
handel geführt wurde, durch die festen Städte der Kanaaniter gingen,
mit denen immer wieder erbitterte Existenzkämpfe ausgefochten werden
mußten. Nur der Stamm Asser, dessen Gebiet sich gelegentlich bis
an die Bucht von Akko vorschob, zog einen größeren Reichtum aus
dem Handel mit d^ ph^nizischen Städten, die ihm vorgelagert waren
(und die ihm niemals zu eigen wurden. Wie sehr der palästinensische
Handel in den Händen der Ureinwohner lag, geht daraus hervor,
daß in dieser Zeit, der Name Kanaaniter gleichbedeutend mit Kauf-
mann ist.
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Dieses primitive Heldenzeitalter eines Volkes von Vielizücliierii
und Ackerbauern, diese Epoche der Natural- und geschlossenen Haus-
wirtschaft trägt die Keime der Entwicklung te;Is in sich, teils treiben
äußere Anstöße zur Fortbildung. Die Zerrissenhei't in einzelne, scliarf
von einander geschiedene Stämme, die fortdauernde Beunruhigung,
durch feindliche Überfälle machen eine Zentralisierung der Befehls-
gewalt in einer Hand, in der Hand des Königs notwendig. Aber das
Aufkommen des Königtums ist zugleich auch ein äußerliches Zeichen
fOr die innere Annäherung an die Institutionen des Kanaaniterfums,
die die freien Noniadenstänime bisher in iiirer stolzen Uiigebundenhcit
verschmäht hatten. Die Kämpfe Sauls sind noch Kriege, die der
Verteidigung dienen. David durchbricht bereits die Schranken, welche
bisher Israel vom Handelsverkehr absperrten, indem er den hoch^
wichtigen Straßenknotenpunkt Damaskus gewinnt, die Hafenstädte
am Roten Meere erreicht und sein Reich durch Gebiete erweitert, die
von den belebtesten Handelsstraßen durchzogen waren. Dazu tritt er
in dauernde Beziehung mit Hiram von Tyrus, der nicht nur König
in seiner Stadt, sondern auch einer der bedeutendsten Handelsherrn
seiner Zeit war. Die Macht des Königs schafft aber auch eine größere
staatliche Sicherheit und die gesetzliche Ordnung, die ein gedeihlicher
Handel unbedingt voraussetzt. Und schließlich hat auch schon die
einfache Tatsache, daß sich der König eine geräumige Residenz in
Jerusalem geschaffen und einen besonderen Hofstaat einrichten mußte,
dem Warenverkehr neue Impulse gestehen ; angemerkt muß werden,,
daß lt. Sam. 14, 26 ein „Gewicht des Königs" erwähnt wird.
Trotzdem wird unter David wohl kaum die Absicht bestanden
haben, Israel zu einem merkantilen Faktor in Vorderasien zu machen ;
dieser König hat sich wohl schon mit dem Tribute der Vasallen*
Staaten und mit dem indirekten Gewinn aus dem Transttohandel begnflgt^
so daß von 4hm eigentlich mehr eine unbeabsichtigte Förderung des.
Handels ausging. Nur die Getreideausfuhr mag damals eine größere
Ausdehnung angenommen haben, wie seine Transporte nach Phönizien
bezeugen.
Erst unter Salomo tritt eine ganz unzweideutige Wendung
zur ausgesprochenen Handelspolitik ein. Wenn er auch kein Wahrer
des väterlichen Erbes war — unter ihm ging ja Damaskus verloren —
so hat doch der Friede nach außen und Innen die Vorbedingung für
eine Höherentwicklung des Verkehrslebens abgegeben. Nun erst
kamen die wichtigen Handelsstraßen zur Geltung, die das jüdische •
Reich durchschneiden oder zumindest berühren : Die große Karawanen^
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uyiu^cd by Googl
«traße, die von Damaskus aus westwärts nach Tyrus fahrte, vom
palästinensischem Gebiet aber nur den nördlichsten Abschnitt traf;
aber von Tyrus zog sich dann dieser Verkehrsweg die Küste entlang
gegen SOden, wobei die großen Handelsstädte der phönizischen und
philistäischen Küste verbunden wurden, um endlich Ober Asdod,
Gaza und Kapliia die ägyptische Stadt Pelusiuin im Nikielta zu er-
reichen ; ein anderer Verbindungsw eg von üaniaskus ikirch das Ost-
jordanland überschritt etwa 18 km n()rdlich des 'l'oteii .Meeres den
Jordan und vereinigte sich, nachdem jericlio und Jerusalem berührt
worden waren, etwas nördlich von üaza mit der ojen gezogenen
Hauptroute. Schließlich gehört noch die aus Arabien über den Hofen
Elat nach Hebron uud weiter nördlich führende Handelsstraße hinzu.
Salomo betrieb eine ausgesprochene Handelspolitik, ganz in Anlehnung
an Ägypten und Phönizien, an die ihn enge Beziehungen banden,
wie er ja Oberhaupt dem Typus des orientalischen Herrschers in
Charakter und Wirken sehr nahe kommt.
Nach Angabe des Josephus (Anliqii. ViiI, 7, 4.) hat Sciloiiio die
nach Jerusalem führenden Straßen pflastern lassen, während die Wege
vorher einfach von den Wanderern ausgetrelen wurden, sow eit nicht
in den Konigsstraßen zyklopische (jberreste aus vorhistorischer Zeit
in einzelnen Landesteilen vorhanden waren. Sodann hat er an den
Handelsstraßen, die durch seine Länder zogen, Zollstätten errichtet»
wo fremde Handelskarawanen dem Könige Schutzgelder für den freien
Durchzug zu zahlen hatten ; daß dauernde Zolltarife festgesetzt waren,
ist wohl ohneweiters anzunehmen (Movers, Das .phönizische Altertum,
Berlin 1856, I. Bd., p. 49).
Aber dieser König hat sich auch aktiv am Handel beteiligt,
indem er die aus Ägypten und Arabien staniincnden Lrzeugnisse wie
feine Salben, Öle, sowie Kriegswagen und wahrscheinlich auch Rosse
mit einem entsprechenden Zwischengewinn in die n()rdlichen Gebiete
ausführte, während aus Palästina und Syrien selbst, Getreide und
Bauholz kamen und babylonische und phönikische Erzeugnisse den
timgekehrten NWeg vom Norden nach Süden nahmen; beim Handel
mit Rossen und Wagen scheint sich übrigens Salomo ein Monopol
geschaffen zu haben. Er gehorchte wohl einem Impuls der Syrier,
wenn der Hafen von Eziongebes für eine weitausgreifende Schiffahrt
hergerichtet wurde. Die seekundigen Phönizier waren es wahr-
scheinlich, die durch diesen Ausfahrtshafen die Produkte ferner
Gegenden auf einem rascheren Wege zu erhalten wünschten, darum
Salomo zum Bau entsprechender Schiffe veranlaßten, um nach dem
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biyiiizea by CjüOgle
reichen Ophir zu segeln ; ob die Tarschiffahrten von Salomos Freund^
Hiram von Tyrus oder von ihm selbst unternommen wurden, ist aus-
den Berichten nicht eindeutig zu erschließen, wie auch die Lage-
Ophirs weder von Glaser, noch Oppert, noch Karl Peters nachge-
wiesen werden konnte. Da es sich bei diesen Fahrten, um Gold,.
Silber, Sancielholz, Elfenbein, dann auch um Affen und Pfaue handelt,
also um lauter Artikel, die dem Luxus dienen, dürften sie wohl auf
Kosten und zum Nutzen Salomos, nicht aber seines Volkes eingeführt
worden sein. Übrigens kein vereinzelter Fall, daß ein Fürst sich arh
Icommerziellen Unternehmungen beteiligt und diesen eine fast staatliche-
Organisation gibt, sondern eine typische Erscheinung für die frühesten^
Entwicklungsphasen des erwachenden Handelsgeistes.
Die fiberragende Bedeutung, die der Ackerbau im Leben des*
jüdischen Volkes besaß, ergibt, daß das Getreide der Hauptausfuhr*
artikel des eigenen Landes war und selbstverständlich vor allem nach*
dem brotarmen Phönizien ging. Dabei mag ein ganz bedeutendes:
Quantum noch weiter verhandelt worden sein; nebenher gingen V\ ein,
Öl, der berühmte Balsam u. a., noch der Prophet Ezechiel sagt von
Tyrus (27, 17): „Juda und das Land Israel waren deine Händler;
Weizen und Datteln, Honig, Ol und Balsam gaben sie dir zum
Tausche". Es läßt sich wohl denken, daß durch diese gewinnreiche
Getreideausfuhr in die bisherige Naturalwirtschaft mit ihrem Mangel*
an Bargeld große Massen von Edelmetall ins Land strömten; dazi»
kamen auch noch die Gold- und Silberschätze, die von den Ophir-
fahrten gebracht wurden und schließlich ^die immerhin ansehnlichen*
Tribute der unterjochten Völkerschaften. Anders wären die Massea
an Edelmetall nicht zu erklären, die beim Tempelbeu und anderen
Gelegenheiten zur Prachtenlfaltung zum Vorschein kamen.
Mit Salomos Tode und der nun folgenden Reichsteilung ver-
ringerte sich die Handelstätigkeit in den israelitischen Staaten ganz-
beträchtlich. Fahrten nach Ophir hat erst nach 80 Jahren König
Josophat und nach abermals 120 Jahren König Usia zu unternehmen
gewagt, allerdings beidemale wohl mit zweifelhaftem Erfolge. Aber
die Berichte der Königszeit, besonders die Prophetenreden wissen. .
doch von unzähligen Luxusartikeln, die meist nur durch Handel in.
das Land gekommen sein können ; diesem Import mußte aber selbst-
verständlich auch ein entsprechender Export gegenüberstehen, damit
das wirtschaftliche Gleichgewicht nicht völlig zerstört werde. Neben,
den schon genannten Rossen und Wagen kamen in der Folgezeit
auch Kleider und Kopf binden aus Byssu, wie sie in detistarkbevölkefteni
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Industriestädten des Nillandes in Cheinnis, Butos, Teutyus, Kasium
und Tauis schon seit der 12. Dynastie in verschiedenster Art ver-
arbeitet und gestickt wurden; das Gewand des Hohepriesters am
Versöhnungstage ist gleich der gebräuchlichen Bekleidung der Priester
im gesamten Vorderasien aus solchem Byssus hergestellt Arabien
sandte Myrrhe, Weihrauch, Zimmt und die Zusätze zu den köstlichen
Salben und Wässern, sowie Elfenbein und Perlen. Aus phönizischen
Werkstätten oder durch phönizische Vermittlung kamen Karmesin,
Purpur, Seide, Damaste, Spiegel, Amulette u. a. ins Land, wogegen
wir von babylonischen Importwaren keine deutlichen Angaben besitzen.
Doch mußten diese Gegenstände bezahlt werden und, wie aus
Joel (4, 4. 5) hervorgeht, mit ziemlichen Einbußen an Silber und Gold,
vor allem aber aus den eigenen Produkten des Landes. Die Her-
stellung grober Stoffe etwa blieb beim gewöhnlichen Volk zu allen
Zeiten Hausindustrie, wie ja auch das Spinnen von Flachs und Wolle
stets Sache der Frauen des Hauses war; durch Verwendung ver-
schiedenfarbiger Fäden bei der Kette und beim Einschlag konnte man
gestreifte und gewürfelte Stoffe weben. Andere Erzeugnisse, die aus
ausgesprochen handwerksmäßigen Betrieben hervorgingen, waren
Watten und Geräte, für welche das Rohmaterial aus dem Libanon
kam ; auch waren Eisenr)fen zum Schmelzen der Eisenerze in Israel
wohlbekannt. Im Kunsthandwerk gab es zahllose Bronzearbeiten, die
von den Archäologen in Gräbern aufgedeckt wurden, aber infolge
der fälschlichen Einordnung, als sei Bronze vor Eisen verwendet
worden, meist der vorisraelitischen Zeit zugeschrieben werden. Da
die Propheten so häufig die Tätigkeit der Goldschmiede zu Gleich-
nisreden verwenden, ist dem Volk dieses Handwerk wohl bekannt
gewesen.
Man verstand die Kunst des Ziselierens, Lötens, Polierens und
so mögen gar wertvolle SchmucksttJcke die Werkstatt des Gold-
schmiedes verlassen haben. Daß dagegen die Töpferei trotz gewisser
Leistungen auf keiner so hohen Stufe stand, um Ausfuhrartikel zu
schaffen, beweisen die Tongefäße, die bei den Ausgrabungen ge-
funden wurden; gegenüber der vorisraelitischen Zeit ist sogar ein
Herabsinken auf eine niedrigere Entwicklungsstufe zu konstatieren,
indem der Ton gröber und die Formen immer plumper werden.
Jedenfalls sind die exportfähigen Erzeugnisse des israelitischen
Handwerkes nicht imstande den umfangreichen Import aufzuwiegen
und man wird darum wohl weiterhin die Ausfuhr palästinensischer
Naturprodukte anzunehmen haben, wie sie von Salomo inauguriert
7
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worden war. liin Beweis dafür könnte wohl in der Tatsache gelegen
sein, daß von Getreidehändlern zeitweise auch das letzte erlangbare
Korn aufgekauft wurde, um es zu exportieren, so daß in ungünstigen
Erntejahren das Land leicht von Hungersnot heimgesucht werden
konnte. Dazu kommt auch weiterhin der- Zwischenhandel, der einen
reichen Gewinn abgeworfen haben mag. Nur so können wir es ver-
stehen, daß der besiegte Könip Benhadak von Damaskus dem K()nig
Aliab das Anerbieten machte, iKisare in Damaskus anzulegen, i^anz
so, w ie Sein V'aler sie seinerseits in Samaria erzw ungen hatte. Dieses
Anerbieten hat nur Sinn, wenn die Israeliten ein Verständnis für die
Bedeutung solcher Handelsniederlassungen gewonnen halten. Was
den Handel nach dem Süden anlangt, so war mit dem Jahre 740
durch den Aramäerkönig Rezin der Hafen von Alath weggenommen
worden, nachdem Uzzija, der König von Juda, dorthin zu Handels-
zwecken eine jüdische Kolonie entsandt hatte. Es mögen also in der
Folgezeit die Juden gezwungen gewesen sein ihre Fahrten die
Südkilste von Arabien bis ins Gebiet der Perlenfischerei, also in den
Indischen Ozean oder öfters nach der c*igyptischen und äthiopischen
Küste, ganz wie die Phönizier, niclit c urcii eigenes Land, sondern
niilten durch tremdes 'i'erritorium w<'gen zu niiissen.
Aber man geht irre, wenn man caininimt, dal5 sich das i^anze
Volk oder auch nur ein bedeutender Bruchteil desselben in der
Königszeit mit dem Handel abgegeben habe, vielmehr dürfte die
Überzahl noch ziemlich tief in den wirtschaftlichen Zuständen der
Vorkönigszeit stecken geblieben sein. Der Mischcharakter dieser Zeit
kommt schon darin zum Ausdruck, daß das Zahlungsmittel bald in
Geld, bald in Naturalleistung besteht. So kauft Onai den HDgel von
Samaria mit Geld ; im Gotteskasten des Tempels werden Geld-
spenden hinterlegt, Tributzahlungen wie die der Könige Jehu, Me-
nachem und Hiskia wenien in Geld erledigt, aber andrerseits zahlt
noch der Prophet Hosea, also in der Zeit des glanzvollen Jerobeam 11.,
mit Gerste und Geld (Mos. 3, 2). Die Verhältnisse sind so primitiv,
daß König Ahab persönlich durch das Land reitet, um nach Gras
zu suchen und der Prophet Arnos von einer Mahd des Königs er-
zählt (Am. 7, 1) Wir befinden u.is eben mitten im Übergang von
der Naturalwirtschaft der älteren Zeit zur geldwirlschafttichen Periode
wie er deutlich repräsentiert wird durch die Umsetzung des Goldes
in Dauergüter, etwa in Schätze, Kunstwerke und kostbare Rüstungen.
Die Tempelschätze von Jerusalem, die als Tributleisfungen so oft
genannt werden; dann erscheint auch schon die höhere Stufe, die
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L. iju.^.jd by (
•dem Kapitalisiiuis bciwcitcni näher kommt, naiulich der lirvvcrb von
Grund und Boden als Kuiiiulierunc von kleineren Grundstücken zu
weitausgedelinten Latifundien, wodurch der freie Bauer von Haus
und Hof vertrieben wird, nur um den Großgrundbesitzer seinen
Reichtum ohne eigene Arbeit recht genießen zu lassen. Und schlieiS-
lich legt man das Geld in Handelsunternehmungen an, indem ent-
weder selbst Schiffe ausgerüstet werden oder einem Unternehmer
das nötige Kapital vorgestreckt wird.
Diese Entwicklung der Geldwirtschaft entgegen schafft aber die
sozialen Gegensätze zwischen Reichen und Besitzlosen, zeitigt Wohl-
leben i;nd Luxus auf der einen, Armut und LiUbehrung auf der andern
Seite und hat Korruption und iJeir.oralisierunLj zur Folge. Diese Miß-
stände sind ja die Veraiiliseung für das Autireten des Frophelisnius
und es beweist gerade das in dieser Bewegung zum Ausdruck
kommende Sichaufbäumen, daß der Kapitalismus am Beginne seiner
-verheerenden, wenn auch notwendigen Wirksamkeit steht. Nur sind
•die Propheten keine Rechabiter, die jede Kultur samt und sonders
verwerfen und wieder in die Primitivität des Nomadendaseins zurück-
kehren möchten, sondern sie sind sich der Unentrinnbarkeit wirt-
schafilicher Entwicklung voll bewußt, wollen aber ihre Folge-
ersche'iiun^en ethisch überwinden.
Die polltischen Ereignisse der Zerstörung beider Ren h.e durch-
reüjen j4ev\ alisaiii diesen Prozeß. Das Volk wird aus seiner bisherigen
Existenz herausgehoben und nach dem fernen, andersgearteten Babylon,
•bzw. noch weiter abseits liegende Territorien gebracht, wo'nei man
keineswegs darauf achtete, die Verpflanzten in annähernd gleiche
Existenzbedingungen zu bringen, wie sie in der Heimat gewesen waren.
Schon die Art der Deportation, wie sie uns auf assyrischen Abbildungen
Layard, (Monuments of Ninive, Ser. II 1853, Platte 18 f., 26» 33 f.)
läßt erkennen» daß es sich um eine vollständige Entwurzlung ge-
handelt hat, indem die weggeführten Männer entweder ganz mit Fesseln
gebunden sind oder mit einem Arm ein Gerät tragen, die Frauen aber
kleine Säcke auf dem Rücken fi:ihren oder bei besonderer Gunst Kleinig-
keiten auf jWaultierwagen befordern dürfen. Es ist höchst unwahr-
scheinlich, dab die Juden in der Hauptstadt Babylon selbst angesiedelt
wurden, vielmehr müssen wir annehmen, daß sie weithin aufs Land
verstreut wurden und besonders auf Trümmerhügeln wie Tel abib^
<£z. 3, 15), und tel melach und tel charscha (Esr. 2, 59) angesiedelt
wurden; auch In das sumpfige Gebiet im sQdlichen Babylonien wurden
viele zu Kolonisationszwecken verpflanzt. Da die Exulanten mhtellos
9
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!n ihre neue Heimat gekommen waren, sind sie auf die Arbeft ihrer
Hände angewiesen und wir wundern uns darum nicht, wenn das ganze
iWilieu, indem sich etwa der Prophet Ezechiel bewegt den Eindruck
der Ländlichkeit macht (Kianiroth E., Die jüdischen Exulanten in Babylon,
Leipzig 1912, p. 29.); er beobachtet ni der Einsamkeit die Wolken-
bildung, ist viel auf freiem Felde; die Exulanten wohnen nicht dicht
beieinander und ihre Almosen bestehen aus FeldfrQchten. Immer härterer
Steuerdruck treibt aber atlmählich die Juden von Haus und Hof, so daß-
wir in der Zeit der Rflclckehr aus dem Exil schon einen Großteil der
Gemeinde in der Stadt Babylon vorfinden, wo sie in allen möglichen
Berufen und Handwerken zu finden sind, wie die Marasu-Dokumente
beweisen. (S. Daiches, The lews in Babylonia in the time of
Ezra Nehemia accordin,4 to Babyloniani Suskriptions, London 1910.)
Nur der Beruf des Schreibers war den Juden aus religiösen Gründen
verschlossen.
Die Behauptung Wellhausens aber ; ..in Babylonien sind die Juden-
ein Handelsvolk geworden" (Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin
1905, S. 103.) gilt zumindest nicht für die erste Zeit Die Juden hatten.
Ja bei ihrer Deportation fast sämtliche Mittel eingebüßt, waren also>
nicht so ohneweiters in der Lage, die zum Handel benötigten Ka-
pitalien aufzubringen, da sie ja im Allgemeinen von Ackerbau und
Viehzucht lebten und darum an die Scholle gebunden waren, sowie
durch harte Abgaben an einem rascheren Erwerb verhindert wurden.
Wenn sich aber schon Juden dem Handel widmeten, dann können
es wohl anfangs nur eng beschränkte Unternehmungen gewesen sein,,
denn es fehlte ihnen ja der Kredit, der nur auf weitreichenden sozialen
Beziehungen beruht, die den landesfremden Juden nicht ohne weiters
zu Gebote standen und erst im Laufe eines längeren Aufenthaltes-
erworben werden konnten. Man darf sich das Geschäftsleben in Ba-
bylon keineswegs einfach und primitiv vorstellen, sondern es gab-
dort große Handelsgeschäfte, mächtige Bankhäuser, die das ganze
Land mit ihren Reisenden und Hausierern durchziehen ließen ; so ist
etwa die Firma Igibi & Söhne Im Babylon bereits aus dem Stadium
der Hausgemeinschaft hinausgeschritten, indem sich einige Mitglieder
derselben zu einer gemeinsamen Erwerbswirtschaft vertragsmäßig
zusammenfanden (Kohler S. & Peiser F. E., Aus dem babylonischen/
Rechtsleben IV. Leipzig 1898, S. 21). In dieses komplizierte (jeschäfts-
leben mußten die Juden erst allmählich hineinwachsen, besonders da
der Großhandel meist mit einer Hintansetzung der religiösen Pflichten
verbunden war. Wir wundern uns darum nicht, wenn sich währende
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der Exilszeit fast gar keine jiidisciien tigennamen in den geschäft-
lichen babylonischen Url<unden vorfinden, während sie von der
zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts in großer Fülle auftreten. Schon
aus diesen Giünden darf wohl mit großer Wahrscheinlichkeit an-
genommen werden, dafi der eigentliche Eintritt der Juden in das
babylonische Handelsleben in ausgiebigem Maße erst in der Epoche
stattfindet, in der sich die Rackwanderung nach Palästina bereits
vollzogen hat, also die Heimgekehrten keineswegs als Handelsleute
ihr neues Leben in der Heimat begannen.
liine unbefangene Betrachtung des Lebens der Heim.i;ekelirten
ergibt vielmehr, daß diese als Ackerbauer ihr Dasein fristeten. Die
Armut der Bevölkerung, später die Reformen Esras und Nehemias
sind ganz auf ein ackerbautreibendes Volk zugeschnitten und nur
ein solches konnte den Bestimmungen dieser neuen Religiösität genüge
leisten. Schon daß der Handel einen steten Verkehr mit den Nicht-
Juden voraussetzte, war bei der gesetzlichen Strenge gerade auf
diesem Gebiet, ebenso wie die strikte Einhaltung des Sabbaths u. a.
ein gewichtiges Hindernis. Den Großhandel machte schon die Lage
abseits vom Meere und den großen Verkehrsstraßen fast unmöglich,
wogegen ein beträchtlicher Binnenhandel unentbehrlich war. So
brachten die umwohnenden Landbauern Wein, Trauben, Feigen u. a.
nach Jerusalem zum Verkauf -Neh. 13, 15), während heidnische Ver-
käufer Waren, mancherlei Getreide in die jüdischen Ortschaften
trugen und Tyrier selbst am Sabbath Fische und sonstige Waren
nach Jerusalem lieferten. Übrigens läßt uns gerade diese Stelle in
Nehemias Autobiographie einen tiefen Blick in den Warenmangel der
jfldischen Siedlung tun, selbst wenn man die kaufmännische Beharr-
lichkeit der Phönizier in Abzug bringt Nur so erklärt sich die Zu-
dringlichkeit der Händler, die es vorzogen, um sich nur das gute
Geschäft nicht entgehen zu lassen, vor den Toren der Stadt ein- bis
zweimal zu übernachten, da diese auf Befehl Nehemias geschlossen
worden waren und durch eigens bestellte Wächter strenge bewacht
wurden. Erst eine neuerliche Verwarnung vertreibt die profitgierigen
Kaufleute. Diese starke Abhängigkeit von fremder Einfuhr zeigt sich
auch in der Esra zugeschriebenen Bestimmung, daß es herumziehenden
Krämern gestattet sei, Waren auch dort feilzubieten, wo schon Krämer
ansäßig waren, um auf dem Wege der Konkurrenz die Preise herab-
zudrücken. Das Jüdische Gebiet fällt demnach vorwiegend unter die
wirtschaftliche Einflußsphäre von Tyrus, welches seinen Rang dem
aufstrebenden SIdon gegenober vorderhand noch einigermaßen be-
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üiyilizea by CjüOgle
haupict ; »gehört ja damal:» noch dat j^anzc Küstenland bis Askalon
und wohl auch Asdod zum Ik^siiz der Stadt Tyrus; nur das verkehrs-
pohtisch so \vichti<^e Gaza, die letzte Station auf der Straße nach
Ägypten, hatte seine Selbständigkeit zu behaupten verinocht. (.Weyer
Ed., Geschiciite des Altertums, Stuttgart 1901. III. S. 139.) Inwiefern
die Handelsbeziehungen auch kulturelle Verknüpfungen herstellten,
ist schwer festzustellen, wäre aber von allergrößter Wichtigkeit, da
diese phönizischen Städte besonders Gaza schon ausgiebig von
Griechenland beeinflußt wurden.
Die Perser andererseits, welche ja als Herren des ganzen West-
landes zunächst zu einer wirtschaftlichen Ausbeutung berechtigt ge-
wesen wären, besaßen nicht nur keinen Sinn für den Handel, sondern
verabscheuten ihn aus relii^iösen Gründen, da sie nur den Ackerbau
als eine des Mensclicn würdige Beschäfii,i;ung an«^eseheii wissen
wollten; charakteristisch ist dafür, üali das ausgebaute und gepflegte
Straßennetz, das die persischen Könige angelegt hatten, nur strate-
gischen und administrativen Zwecken diente. Nur Darius XII. arbeitete
der hellenistischen und römischen Zeit vor, indem er den Nilkanal
Nechos II. vollendete, der den untern Nil mit dem Roten Meere ver-
band. Aber da schon die folgenden Herrscher die herkömmliche
Gleichgiltigkeit der Perser f(1r den Handel wieder zeigten, konnte die $
Täti.{keit des Darius keine nachhaltige Wirkung auf die Untertanen
erzielen Um nun die Kcjbicn der Administration und des zahlre'chen ;r
Heeres aufzubringen, standen dem König wohl noch liinkünfte in
Naturalien zur Verfüi^unif, so wie etwa im alten Ägypten die E:Jezüiie
der Beamtenschcfi in der Form djir Bedarfsartikel bezahlt wurdt v-,!
aber schon macht sieht stellenweise eine Steuerbelastung durch rir
Bargeld unliebsam bemerkbar. So drückten derartige Geldsteuern
t)esonders die jüdische Siedlung, denn wir hören, daß viele Juden, -i;
um nur ihren Verpflichtungen gegen den persischen Staat nachzu-
kommen, ihre Weinberge und Felder verpfänden mußten und sie
selbst und ihre Kinder leibeigene Knechte der Geldgeber wurden* kii
(Nehemia 5, 189.)
Die jüdische Gemeinschaft fristete eben unter ganz kleinlichen ^
Bedingungen ihr armseliges Dasein, litt bitter unter der Not der
Gegenwart und die Ausgestaltung eines messianischen Zukunftsideales, ^
wie es uns später unter den Piiarisäern entgegentritt, mag ebensosehr
von wirtschaftlichen, als von politischen Faktoren bewirkt worden ^
sein. Auch der Traum einer Schuldenabschüttelung, wie er wieder- ^
holt in der um diese Zeit abgeschlossenen Gesetzgebung zum Aus- ^
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druck koninit, ist e'n Zeichen fOr die Not des Alltags. Gerade diese
materielle Bedürftigkeit aber gemeinsam mit der peinlich strengen
Absclil cuung nach auljen, ist der inncriiclien Konsolidierung des
werdenden Judentums sehr ftirderiich geueseii
Erst die Eroberimg des persischen Reiches durch Alexander
den Grol^n hat eine lirschütii mng und Neubelebung der Wirtschafts-
welt des vorderen Orients gebracht. Was persischer Regierungskunst
nicht gelungen war, eine innere Verschmelzung der öt^rogenen Staaten
des weilen Reiches anzubahnen, das glückte Alexander und seinen
Erben. Julius Kaerst hat in seiner «Geschichte des hellenistischen Zeit-
alters^ Ii. Bd. 1. Hälfte, Leipzig und Berlin 1909) eindringlich dar-
gelegt, daß es sich bei diesem welthistorischen Ereignis nicht allein
darum gehandelt hat, der widerstrebenden Welt das Siegel seines eigen-
mächtigen Willens aufzudrücken, sondern daij Alexander das ungeheure
Werk }.'elang, weil gerade seine Zeil durch die allseitige Entwicklung
zum Rationalismus dafür reif war Nun liefen nicht mehr einzelne
spärliche Kultur- und Handelsbeziehungen zwischen Griechenland und
dem Orient, sondern die lebensvolle Einheit des Hellenismus entstand
und bereitete den Organismus des spätem großrOmischen Reiches
vor. Die Städtegrttndungen, die zunächst Strategen Zwecken dienten,
lockten durch ihre für Verkehr und Handel äußerst günstige Lage
zahllose Ansiedler, die den Zusammenhang mit dem Mutterlande nicht
aufgaben. Es sei hier nur an die starke jOdische Zuwanderung nach
Alexandria gedacht, die nach der Ot>erlieferung von Alexander selbst
angeregt worden sein soll. L3aneben nahmen die vielen anderen
Schöpfungen des großen Eroberers und seiner Nachfolger gewiß
ebenso gerne Juden in ihre Mauern auf; es gab in der Folge keine
bedeutende Stadt Vorderasiens, von der nicht jüdische Einwohner
erwähnt würden.
Auch Palästina konnte sich der allgemeinen Bewegung nicht
entziehen. War doch auch in den schweigsamen Zeiten vor dem
Auftreten Alexanders die Abschließung nicht so hermetisch, daß es
etwa an kulturellen Entwicklungen nicht teilgenommen hätte. Die
reichliche Beeinflußung des Judentums durch die religiösen An-
schauungen des Zoroasterglaubens selbst in wesentlichen Elementen,
wäre bei der inneren Abgeschlossenheit der jüdischen Gemeinde kaum
zu erwarten, ist aber heute selbst von besonnenen Forschern selbst
zugegeben. Umso mehr taten die Juden in der Zeit des werdenden
Hellenismus mit. Das jüdische Gebiet fiel ja mit dem Jahre 301 für fast
em: Jahrhundert an die Ptolmäer und die - Fürsten dieser Dynastie
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verstanden die kluge Art sehr wohl, durch schmerzlose Maßnahmen
die verschiedenen Bevölkeningselemente einander näher zu bringen.
Auch der Anfall an das Selenzidenreich änderte zunächst nichts an
dieser friedlichen Infiltration mit hellenischem Geiste, der ja zu Beginn
der Makkabäerkänipfe bereits so tief eingedrungen war, daß auch
der Freiheitskampf unter den Hasmonäern wohl die politische Selbst-
ständigkeit bringen konnte, aber keineswegs imstande war, griechische
Art und Sitte aus dem Volke und bei seinen Vornehmen auszurotten.
Die Aufrichtung des makkabäischen Königtums, das Anknüpfen diplo-
matischer Beziehungen mit Rom, die Einmischung Roms in die inneren
Wirren des jOdischen Staates, die Herrschaft des Herodes und seiner
Nachfolger und schließlich die Unterdrückung durch die römischen
Prokuratoren sind nicht allein Etappen des politischen Aufstieges und
Machtverfalles, es sind auch die Stadien der Durchdringung des
bisher geschlossenen jüdischen Lebens mit hellenistisch-römischen
tlementen.
Die Abwanderung nach Alexandria und anderen griechischen
Pflanzstädten hatte ihre tiefste Ursache in der starken Zunahme der
jüdischen Bevölkerung innerhalb der engen Grenzen ihres Terri*
toriums. Ob diesem Abfließen der überzähligen Einwohner eine Um-
gestaltung des Wirtschaftslebens in der Weise vorausg^angen ist«
daß man sich nicht allein mehr dem Ackerbau widmete, sondern auch
andere Erwerbsarten aufsuchte, diese Wandlung ist wohl anzunehmen,
obwohl die Umschichtung keine tiefgreifenden Veränderungen her-
vorgerufen haben kann, da die soziale Struktur der Juden zu Beginn
des Makkabäeraufstanues die eines Bauernvolkes mit entsprechender
städtischer Bevölkerung ist, noch Jahrhunderte hindurch bleibt obwohl
sich im Laufe der Zeit ein zahlreicher und hochgeschätzter Hand-
werkerstand entwickelt.
Schon die Bevölkerungszunahme mit dem wachsenden Bedarf
an eingeführten Waren, dann das Vorhandensein jüdischer Siedlungen
in bedeutenden.Städten des -Auslandes und nicht in letzter Linie die
Tätigkeit der griechischen Kaufleute, die um diese Zeit schon die
Phönizier weit fiberflfigelt haben, alle diese Umstände begrtlnden
Qimmehr einen recht schwunghaften Handel, der zu Beginn wohl nur
recht spärlich von einheimischen, palästinensischen Juden betrieben
wurde und erst allmählich einen eigenen Händlerstand entwickelte,
denn die Verschiebungen des hellenistischen Zeitalters betrafen vor-
wiegend die städtische Bevölkerung und nur in geringem Maße die
Landleute; das gilt besonders für Palästina, wo die Gewerbe um
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'dicsL* Zeit nicht so stark eniwickcU waren, üalS sie ihre Anziehungs-
kraft iiätten ausüben können.
Anfangs scheint aucii die \'olksernäiirung landwirtschaftliche
Siedlungen gefördert zu haben ; denn solche Kolonien, die in frütiester
Zeit in Galiläa und im Ostjordanlande entstanden waren, werden von
Juda AAakkabi aus Gründen des religiösen und nationalen Schutzes
abgebrochen und die Leute in Jerusalem näher liegende Gebiete gebracht.
Erst die Expansionspolitik der folgenden makkabaischen Fürsten ist
zum Unterschiede schon wirtschaftlichen Tendenzen entsprungen,
neben dem stolzen Kraftgefühl der sieggewohnten Syrerkämpfer, die
die Grenzen ihres Gebietes immer weiter hinausschieben. Nun möchte
man doch einen Anteil gewinnen an dem Handelsgetriebe, der das
ganze östliche Mittelnieerbecken belebt. Darum erzählt das 1. Makka-
bäerbuch (14, 5) von Simon, daß zu allem Ruhm, den er sich durch
^kriegerische Erfolge erworben hatte, auch noch hinzukam, daß er
Joppe zum Hafen gewann und so für die Inseln des Meeres einen
•Zugang schuf. Dagegen geht Herzfeld in seiner Handelsgeschichte
•der Juden des Altertums (Braunschweig 1879, p. 76) enschieden zu
weit, wenn er es als eine Aufmunterung der Juden zum Seehandel
Jiinstellt, daß Simon an den Säulen, die er zur Erinnerung an seinen
Vater in Modei setzen ließ, WaffenrDstungen anbrachte und danet>en
Schiffe einmeißeln ließ, damit sie von allen gesehen würden, die das
Meer befahren. (1. Makk. 13, 29.) Wohl aber dürfte Johann Hyrk
aus Kampf mit den Idumäern handelpolitische Absichten verfolgt
-gehabt haben, denn dieses Volk versperrte noch immer den Zugang
zum älanitischen Meerbusen, der gerade damals als äußerst wichtig
für den Indienhandel galt, wie er seit Alexanders abenteuerlichem Zug
wieder in Schwung gekommen war. Zu einem regelrechten Handel
>kam es fibrigens nicht emmal an der Mittelmeerkflste, . denn bjs zu
•einer Flotte konnte man sich nicht aufschwingen und auch die un-
rgünstige Kflstenbildung erschwerte in hohem Maße einen regeren
Verkehr, da etwa Joppe als der einzig leidlich brauchbare Landungs-
platz einen ziemlich unsicheren Hafen hatte, der dem Nordwind offen
stand und außerdem ein derartig scharfes und kantiges Korallenriff
vorgelagert war, daß es die Schiffstaue zerschnitt. Der Hafen von
Gaza litt an der Meeresströmung, die zur Zeit der jährlichen Nil-
überschwemmung ganze Berge von Sand und Schlamm heranvvälzt.
Einen entsprechenden Hafen erhielt das Land erst, als Herodes den
.alten sklonischen Stratohaturm in das prächtige Cäsarea umgestaltete
itmd die Annäherung der Schiffe dadurch erleichterte, daß er einen
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Hafen anlegte, der nach Josephus Flavias größer a!s der Piräu;; gewesen-
sein sollte und ihn ganz mit Schwibbogen gewölbt für ausgeladene
Güter ausstattete (bell. Jud. 1. 21, 5).
Auch werden von Jen 230 vierruderigen Schiffen, die Josephus
am Tiberiassee kennt, wohl manche dem Handel gedient haben,,
während zweifellos die Mehrzahl für den dort sehr ergiebigen Fisch-
fang bestimmt war. Von hohem Interesse ist schließlich die Nachricht
bei Strabo, daß der Jordan stromaufwärts mit Lastschiffen befahren
wurde, was der Talmud bestätigt, wonach auf diesem IHusse, Getreide-
transporte stattgefunden hätten (Schabbat jer. 4, 2.), denn die zahl-
reichen Stromschnellen und Katarakte machen die Schiffahrt auf dem
Jordan in unserer Zeit zu einem lebensgefährlichen Unternehmen.
Übrigens beteiligten sich Juden an den Fahrten verhältnismäßig selten,
denn wir besitzen ganz unverhältnismäßig wenig Erwähnungen von
jüdischen Seereisenden und selbst diese wenigen werden nicht allein
zu kommerziellen Zwecken, sondern auch auf Bekehrungsmissionen
oder Wallfahrten ausgefahren sein (Juster, Les pufs dans l'empire
romain, Paris 1914, II. p. 303.). Als Reiseziele werden uns Rom (mit
Brundisium und Anteoli als Zwischenstationen) Gallien, Hispanien,
Kilikien (besonders Tarsus uhd Zephyrion) und Kleinasien, (Kraus S.,,
Talmud. Archäologie, Leipzig 1911, Bd. IL p. 344) genannt.
Ober die Objekte bes Handels finden sich zahlreiche Notizen,,
die Herzfeld besonders ausführlich in seiner „Handelsgeschichte"
besprochen hat. So exportierte Palästina schon in sehr früher Zeit
Asphalt nacli Ägypten, wo er zur Einbalsamierung der Toten verwendet
wurde, diente das Harz ähnlichen Zwecken, waren die Früchte der
Palmen wegen ihrer besonderen Art sehr geschätzt, schmückten die
Datteln die Prunktafeln römischer Kaiser, ja wurden sogar den Göttern
als Opfergabe dargebracht; das Holz der Palme stand hoch im Wert,,
wenn es auch freilich von dem Zedernholz überragt wurde, das schon
seit urältester Zeit nach Ägypten ging, um dort zum Bau der Tempel
verwendet zu werden. Daneben seien als Ausfuhrartikel Oliven, Öl:
und Fische erwflhnt, welche im Handel eine groBe Rolle spielten
ebenso wie der Weinstock, dessen Pflege den Juden manchen Gewinn
einbrachte und dessen Ruhm erst ein Ende fand, als die Araber in
religiösem Fanatismus die Pflanzungen zerstörten. Die riesigen Schaf-
herden, welche im triftenreichen Ost-Jordanland weideten, lieferten
Wolle, die gleich Flachs und Seide nach Tyrus verhandelt wurde, wo-
sie durch die Phönizierin den Weltverkehr gelangten. Auch im Lande*
selbst wurden feinere und gröbere Textilwaren hergestellt ; vonjadischeni
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Farbern verarbeitet; noch Pausanias (um 174 n. Ch.) rUtimt die Feinheit
und reine gelbliche Farbe des palästinensischen Byssus.
Damit verlassen wir bereits die exportierten Rrzeiignis^e der
Urproduktion und befinden uns mitten in den Leistungen der Gewerbe-
treibenden. Denn in der Textilindustrie, die die Juden aus Babylon
gebracht haben sollen, um sie von Palästina aus andern jüdischen
Kolonien zu übermitteln (Blümner R, Die gewerbliche Tätigkeit der
Völker des Klassischen Altertums p. 15.) waren die Juden Meister und
blieben es bis tief ins sechste Jahrhundert n. Ch. hinein; nur von
Beyruter Juden wissen wir, dafisie sich mit Seidenweberei beschäftigten.
Die Farberei dOrften die Juden wohl von den Phöniziern entlehnt
haben» verbreiteten aber diese Fertigkeit bald Ober die ganze jüdische
Diaspora und waren rasch in einzelnen Städten so zahlreich in diesem
Gewerbe, daß sie etwa im zweiten j<:hrliundert in Hierapolis fast die
ganze Zunft bildeten. (Juster, a. o. 11. p. 307.)
Wenn auch die Nachrichten über die Betätigung der Juden in
der Glasindustrie nicht zahlreich sind — wir hören es nur von den
Juden in Sidon (Neubauers Geögr. de la Palästine, p. 295.) und
wahrscheinlich auch von den römischen als Glasarbeiter und -Händler
— ist doch die Tatsache charakteristisch, daß sich die Griechen, welche
im siebenten Jahrhundert in Frankreich einwandern, rühmen, das Glas
nach der Methode der Juden bearbeiten zu können. Weitere Spezialitäten
und damit die Möglichkeit des Exportes bietet die Tätigkeit in der
Goldschniiedekunst, in der Bronze- und Eisenbearbeitung und der
Töpferei.
Unter den zahlreichen importierten Waren, die Herzleid ander-
seits aufzählt, befinden sich eine ^anze iMenge Lebensmittel, die
wohl nur Feinschmeckern zugänglich waren, Gewürze, Schmuck und
Geräte. Wir erfahren von Josephus, daß Tierhäute schon um 200
v. Chr., von den Rabbinen, daß ausländische Glaswaren, selbst
Weizen, aus Alexandrien nach Jerusalem geführt wurden; nach
Aristeas kommen auch große Mengen Spezereien, Edelsteine und
Gold (Krauß. a. 0. p. 349 ff.). In der Hyrkanosgeschlchte, die Jo-
sephus erzählt, treten auch bereits unternehmende Großkaufleute auf,
so der Bankier Arion, und deutlich ist die Einwirkung ihres Geldes
auf den Gang der geschilderten Hreij^nisse.
Abgesehen von den Bauern, die selbst die Überschüsse ihrer
landwirtschaftlichen Produkte auf den Markt der nachstgelegenen
Stadt bringen — der Montag und Donnerstag war dazu schon in
der vormakkabäischen Zeit bestimmt und durch die Thoravorlesung
2
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auch von den Schriftgelehrten sanktioniert worden — gab es nafur-
geniäß von jeher Hausierer, welche mit ihrer Ware, die sie selbst
von Ort zu Ort schleppten, ein kleines Gebiet mit dem Nötigsten
versorgten. Daneben ^^ab es bereits nach den Sprüchen des Jesus
Sirach frühzeitig üe^chäftsieute, die infolge ihrer weiten Reisen ihre
Angelegenheiten nur mit Hilfe von Mittelspersonen, also Boten und
Agenten besorgen können. Daß aber der Welthandel vor allem in
den Händen der Griechen lag, die sich als nur allzugelehrige Schüler
der Phönizier erwiesen hatten, geht schon daraus hervor, daß die
Bezeichnungen für Großkaufleufe griechischer Herkunft sind, über-
haupt die Mehrzahl der kaufmännischen Termini den Griechen zu
verdanken sind.
Es zeigt sich überhaupt bei gründlicher Betrachtung des palä-
stinensischen Handels, d: Ii die Juden, abgesehen von einem mäßigen
Export, wie er sich durch die Entwicklung des Gewerbes und Acker-
baues notwendig ergab, vor allem ihre eigenen Lebensbedürfnisse
befriedigten und darum im wesentlichen Binnenhandel trieben.
Während wir eine bis ins Einzelne gehende Darstellung der Markt-
verhältnisse etwa in manchen Städten zu geben vermögen (Krauß
a. 0. p. 356 ff), besitzen wir selbst aus der talmudischen Literatur
nur verstreute Angaben über einen bedeutenderen Transithandel. Aus-
schlaggebend für die Stellung der Bevölkerung zum Handel dürfte
aber die fast Überall durchscheinende Geringschätzung dieser Art des
Erwerbes sein. Begnügt sich doch Josephus festzustellen: ^Wir be-
wohnen kein Land am Meere und erfreuen uns nicht des Seehandels
und sonstigen Handels (contra Apionem I, 12), nachdem Jesus Sirach
im ersten gewaltigen Anprall des Hellenismus und der damit ver-
bundenen innigen Verflechtung mit dem Wirtschaftsleben der nicht-
jüdischen Völker eine Überschätzung des Handels glaubte fürchten
zu müssen und gewarnt hatte: r,Ha$se nicht mühselige Arbeit und
den vom Höchsten geschaffenen Ackerbau". Diese durchgängige Ent-
wicklung zum Handel trat nicht ein, trotz der ungewöhnlich günstigen
verkehrsgeographischen Lage und selbst in der talmudischen Zeit Ist
es vor allem ein Ackerbau treibendes und im Gewerbe tätiges Volk,
auf das seine Gesetzgebung und Lebensauffassung zugeschnitten ist.
In den 23 Schriften, aus denen der Talmud besteht, findet man kaum
ein Wort zu Ehren des Handels, wohl aber manches, welches auf
die Gefahren der Geldmacherei und des vagierenden Lebens hin-
weist* (Delitzsch Franz, Jüdisches Handwerkerleben zur Zeit Jesu
3. Aufl., Erlangen 1879, p. 25). Die unbestimmte, aber tiefelngewur-
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L yi.,^ jd by Google
•zelte Vorstellung vwi den Juden als Handelsvolk verdankt nicht zum
^wenigsten njan der eindrucksveMen Szene, in der Jesus im Tempel
Tische von Geklwerlislern vorfand, welche für ein Agio heilige
'Münze gegen gemeine auswechselten und Stände von Taubenhänd-
-lern, bei welchen die Leute, die kostspieligere Tieropfer nicht zu
bringen vermochten, das zu opfernde Geflügel kauften. Aber diese
Handelstätigkeit, die wohl am unrechten Platze war und den äußern
Tempeivorhof entwürdigte, verrät keinen sonderlichen Handelstrieb
des Volkes, denn es waren lediglich durch den Tempelkultus erfor-
'derliche Erwerbszweige, weiche ähnlichen Zwecken dienten, wie die
»Krämer und Buden an den stark besuchten Wallfahrtsorten.
Gewiß sind Aussprüche wie : „Mache Dir mit dem Handel
«wenig zu schaffen'' oder : „Man darf in Palästina mit Dingen, an
«denen das Leben hängt (z. B. mit Getreide, Wein und Ol) keinen
•gewinnsüchtigen Handel treiben** auf das Maß des Möglichen zurück-
zuführen (Krauß a. o. 350), aber immer wieder und unermüdlich
•wird auf den Wert der manuellen Arbelt hingewiesen, ihre Bedeu-
tung gegenüber dem selbstsüchtigen Genuß des Tagewerks Fremder
gezeigt, das Vorbild Gottes als des ersten Arbeiters herangezogen
und selbst die Verletzung des Sabbaths oder Götzendienst kann
übersehen werden, wo es sich um erwerbende Arbeit handelt (Pe-
'.sachim I12a). Nichts aber ehrt höher als der Ackerbau, wie eine
«höchst bezeichnende Stelle (Pesachim I18a) lehrt: „Als der Heilige,
igebenedeit sei er, dem gefallenen Adam sein Urteil sprach, da rannen
diesem bei den Worten: Dornen und Disteln soll er Dir tragen*,
Tränen ans den Augen und er rief : ,.0 Herr der Welt, ich und der
Bsel sollen aus einer Krippe essen?* Als Gott aber fortfuhr: ,Im
Schweiße Deines Angesichtes sollst Du Dein Brot essen, da gab
•er sich' aufrieden". Nur ein VoUc, das sich der Bedeutung des Acker-
'baues voll bewußt ist, tut so viel für die Erhöhung der Fruchtbar-
.keit des Landes und die Verbesserung des Bodens und noch heute
sind die Überreste der Bauten sichtbar, welche zur bessern Aus-
'Hützung relativ unfruchtbarer Gebiete aufgeführt wurden, ebenso wie
die zahllosen Bewässerungsanlagen die angestrengte Ausdauer der
'Bevölkerung bewegt (Vogelstein I-i., Die Landwirtschaft in Palästina
.■zur Zeit der Mischüah. Breslau 1894, p. 8 ff). '
Auch die • j|ldischen Kolonien, welche außerhalb des Landes
;angelegt wurden^ dienen zum großen Teil dem Ackerbau. Es handelt
:«ich dabei nicht -allein um die Massen, welche in assyrischer und
:persischer Zeit, später durch die Ptolmäer und Seleuziden In
.2*
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Ägypten und Kleinasien errichtet worden waren. In Ägypten beweisen^
uns Nachrichten, die aus dem 2. Jaiirh. v. Chr. bis in das 2. Jahrh-
n. Chr. reichen, das Vorhandensein von jüdischen GFundbesitzern und
landwirtschaftlichen Lohnarbeitern. Verschwinden dann für Ägypten
derlei Nachrichten, so hören wir es von den Jitdea Kleinasiens bis
ins 6. Jahrhundert hinein (Juster a. 0. IL 296 ff). Ähnliches gilt dana
auch für das Abendland, wo wir deutliche Spuren landwirtschaft-
licher Ansiedelung in Italien (Mommsen, Ges. Schriften. I. 85 Note 39%
in Spanien, auf den Balcaren u. s. w. finden (Caro U., Sozial- und
Wirtsciiaftsgesch. d. Juden, Leipzig 19U8, p. 33 ff). Rechtliche Be-
schränkungen hinderten ja den Grunderwerb noch nicht, so daß
die Juden überall dort, wo sie selbst es wünschten, in das Wirt-
schafisgefüge des römischen Reiches eintreten konnten. Da wir uns
aber wohl kaum ausdenken können, daß diese jüdischen Landwirte
vor ihrer Abwanderung aus Palästina eben einen anderen Beruf als-
den Ackerbau betrieben haben, so dUrfen wir wohl schließen, daß*
nicht die Sucht nach raschem und ergiebigen Gelderwerb,, wie ihi»
der Handel bietet, die Emigration verursacht hat, sondern ganz andere
Gründe dahinter liegen. Wohl neben der unangenehmen politischen
Situation mit ihren steten Parteikänipten und Aufständen, in erster
Linie die Enge und Landnot.
Die Situation wird aber mit dem Zusammenbruch des Jahres 70
ungeheuer verschärft. Auch wenn man den abenteuerlichen Zahlen
des Josephus nicht traut, wonach während der Beliagerung Jerusalems.
l.lOü.OOO Menschen um's Leben gekommen sein sollen und alleia
97.000 kriegsgefangene Juden in die Sklavieref Verkauft worden seienv
(Bell. Jud. VI, 9, 3), wird man doch ganz entsetzliche Verluste anr
nehmen müssen; fast läßt sich ein detailliertes Verzeichnis der
wenigen Städte und Landschaften angeben, die aus irgend welchen
Grttnden von den Römern verschont wurden (Büchler, The Economie
conditione of Judaea after the destruction of the Second temple,
London 1912). Aber das ganze Land wurde als kaiserlicher Besitz
erklärt und dem Cäsar zur völlig freien Verfügung überlassen ; sO'
wurden bei Emmaus an 8000 Veteranen Ves'pansians als Acker-
bauern angesiedelt, dem josephus an Steile seines ererbten Eigentums^
ein anderes in der Ebene von Titus übertragen (Joseph., Vita, 76).. Was
aber den Günstlingen und Dienern des Kaisers verliehen Wurde, war dem
jüdischen Bauern entzogen worden« Das wohl fai einem viel größeren
Umfang, als zufällig uns überkommene Daten mit Sicherheit er«
weisen lassen. Der Mittelpunkt des palästhienslscheii Judentums ver-
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^schiebt sich bekanntlich nunmehr nach Norden, in die Gcbirs^stäler
Oalilaasund aiuiie Ufer desTiberiassecs. Nachdem Barkochba-Aufstande
aber war die Lage sclion so bedrohlich und der Bestand der palä-
stinensischen judeiischaft derart gefährdet, dal5 man an die Sammlimj^'
der bisher nur mündlich und zusammenhanglos tiberlieferten Halachoth
schreiten mußte, um sie vor dem unvermeidlichen Zusammenbruch und
•der immer steigenden Auswanderung zu retten.
Dazu kam, daß Palästina von der allgemeinen Tendenz der
Wirtschaft im ausgehenden Altertum mitgerissen wurde, wie sie im
Westen zwar ausgeprägter, aber auch im Osten unverkennbar in die
Erscheinung tritt : Die Akkumulierung Immer größerer Land gebiete unter
«Inem Besitzer und infolgedessen die Rückbildung der Geldwirtschaft
zur Naturalwirtschaft, Daran nehmen nun auch di.; Juden teil, indem
•etwa der Patriarch Juda Ii. riesige Ländereien in Gaulanitis besal5
und auf seinen Gütern und in seiner Residenz zu Tiberias eine unerhörte
Pracht entfaltete. Diese wirtschaftliche Entwicklung vereint mit der
immer kräftiger werdenden Verfolgung durch das Christentum, vor
allem im Oströmischen Reiche entwurzeln immer größere Mengen von
Juden, nehmen immer zahlreichem kleinern Landbesitzern die Möglich-
keit des Broterwerbes durch den Ackerbau, zwingen zur Vergrößerung
des ohnehin schon allzu starken Proletariats der römischen Großstädte.
JlVaren aber die Juden bisher trotz alledem noch römische Bürger und
als solche weitgehender Rechte teilhaftig, so drängt das Christentum
und der fanatische Eifer der kaiserlichen Bel^enncr die Juden immer
-weiter aus dieser Position heraus; was Konstantin begonnen das setzten
Theodosius II. und seine Nachfolger fort, um unter Justinian 1. (527 bis
565) einen vorläufigen Höhepunkt zu erreichen ; der weichherzigere
Arianismus wird von dem starr unduldsamen Katholizismus überwunden.
In die Stammes- und Volksverfassung jener nationalen Einheiten
aber, die sich in das morsche Römerreich hineinschieben, können
<ile Juden natürlicherweise nicht Eingang finden, während sie anderer-
seits im Osten von der dort noch bestehenden römischen Gesetz-
gebung ausgeschlossen werden, so daß sie etwa in wirtschaftlicher
Hinsicht durch die schweren Sklavengesetze als Ackerbauer völlig
lahmgelegt werden. So treibt sie eiserner Zwang, sich zum größten
Teile dem Erwerbszweige zu widinen, vor dem die Rabbiner ein-
dringlich gewarnt hatten als ein Hindernis in der restlosen Erfüllung
•der Lehre: Die Juden wenden sich dem Handel zu. Es kommt ihnen
dabei zu Hilfe, daß es bereits jüdische Siedlungen gibt, die fast ganz
dem Handel leben — Al^ndrien und Rom ^ daß die über das
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ganze römische Reich verstreuten Gruppen durch GllAube und ge-
meinsame Tradition verbunden waren, woraus sich bereits die för den>
Handel iinerlaülichen weitreichenden Beziehungen ergaben und nicht
/^ultlzl hall ihnen uas kanonische Recht, das den Christen das Zins-
nehnien verbot und ihnen das AlDUopol tler Geldleilie verschaffte.
Hatten sie anfangs noch mit der Konkurrenz der syrischen Kaufleute
zu ringen, so büßten diese aUniählich ihre Bedeutung dadurch ein^
daß Syrien erst infolge der Eroberung durch die Perser und dann
durch die Araber an Glanz und Kraft verlor. Die Juden dagegen
besaßen in ihrer Religion, die sie auch als nationale Gemeinschaft
in einen scharf ausgeprägten Gegensatz zu allen anderen Völkern
stellte, ein unzerreißbares Band, das sie um so enger zusammenschloß^
als die Welt rings um sie wankte und sich rings um sie neue, bisher
uncrhi)rte politische, soziale und wirtschaiiliclie Gestaltungen formten.
br. flLFREb NOSSIG (BERLIN);
KOLLEKTiViSnUS ODE.K
o n n u N I s n u s ?
Wir haben es für zweckniäI5ig erachtet,
im vorliegenden Jahresberichte die
Kernfrage der heutigen sozialen
Kämpfe zu beleuchten. Auf u n st r Er-
suchen stellt uns der Verfasser der
„Revision des Sozialismus" nach-
stehende Ausführungen zur Verfügung.
Red.
. . I.
ergleicht man die Losungen, in denen die zeitgenössischen
revolutionären und sozialreformerischen Parteien ihre Pro-
i^ramme zusanmienfassen, so steht man zunächst vor einer
ebenso überraschenden wie irreführenden Übereinstimmung.
Mehrhcitssozialislen und Kommunisten, Boischevvisten und
Kathedersozialiiten, sie verlangen alle nichts anderes, als „Verge-
sellschaftung der Produktionsmittel" und «sozialen Ausgleich".
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Diesi.T (jlcichklang der obersten Formeln findet seine Erklärung
in der Tatsache, daß alle diese Lehren aus einer gcnieinsainen Ur-
form, dem Sozialismus, wie er in der ersten Hälfte des 19, Jahr-
hunderts sich kristallisiert hat, hervorgegangen sind.
Und doch bestehen zwischen diesen „Sozialismen", zwischen
,Aus.^leich" umi „Ausgleich" gewallige Untersciiiede. von denen
Wohl und Wehe der heutigen Generation und zahlreicher späteren
üeschlechier abhängen.
Geht man diesen Unterschieden auf den Grund, so Uberzeugt
man sicli, daß sie keineswegs, wie oberflächliche Beurteiler meinen,
blolj programmatische Bemäntelungen von Gruppen-Rivalitäten sind,
daß sie auch nicht ausschließlich aus der Verschiedenheit der Tem-
peramente fließen — der eine schwärmt für Blut und Gewalt, der
andere veral")scheut sie — sondern daß sie auf auseinandergehenden
ökonomischen und geschichtsphilosophischen Anschauungen fußen.
Verfolgt man aber das historische Werden der sozialistischen Doktrin,
so gelangt man zur Feststellung, daß diese abweichenden Anschauungen
nur verschiedene Entwicklungsstufen des Sozialismus re-
präsentieren. Eine Tatsache, die, wie wir sehen werden, fOr die
Bewertung der Programme von entscheidender Bedeutung ist.
Marx und Engels, die im Auftrage des ^Bundes der Koiii-
munis:en" 1848 das Kommunistisclie Manifest veröffentlichten, ver-
langten in demselben bekanntlich — ausgehend von ihren damaligen
volkswirtschaftlichen Anschauungen — daß die Arbeiterklasse nach
Erringung der politischen Herrschaft vermittelst „despotischer Eingriffe
in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Produktionsverhältnisse"
der Bourgeoisie «nach und nach alles Kapital entreiße* und „alle
Produktionsinstrumente in den Händen des Staates, d. h. des als
herrschende Klasse organisierten Proletariats zentralisiere'*. Sie
empfahlen daher u. a. die Expropriation des Grundeigentums, die
Konfiskation des Lit^eniuins aller Eniii::r;inten, die staatliche Zentrali-
sation des Kredits und Transportwesen:., gleichen Arbeitszwang für
alle. Obwohl das Konimunistische Manifest sich ke-neswegs ftir die
Abschaffung des Eigentums überhaupt, sondern nur für Beseitigung
jener Art der Erzeugung und Aneignung der Produk'e aussprach, die
auf der Ausbeutung der einen durch die andern beruht, knüpfte sich
die Bezeichnung „Kommunismus" seither an alle Bewegungen, die
durch gewaltsame Eingriffe die ganze bürgerliche Genellschaftsordnung
in beschleunigtem Tempo der Sozialisierung entgegenf Ohren wollen.
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Jedoch schon die unter Mitwirkung von Marx und Engels
1864 gegründete Internattonale stand keineswegs mehr voll und ganz
auf dem Boden des Kommunismus von 1848. Ja, die Entwicklung
war eine so merkliche, daß sicii das Bedürfnis nach einem neuen
Proi^ramni, einer neuen Formel fühlbar machte. Diese Formel — sagt
der fii'irende französische Sozialist Benoit Malon in seiner Geschichte
der Internationale — war der Kollektivismus; er bildete «la grande
moyenne des opinions".
II.
Was ist unter Kollektivismus zu verstehen'.'^
Auch der Kollektivismus strebt die Vergesellschaftung der Pro-
duktionsmittel und die Beseitigung jeglicher Ausbeutung an. Und doch
ist sein ideal des Zukunltsstaatcs und sein Durchführungsprogramm
ein anderes als das kommunistische. Auf den Kongressen der Inter-
nationale machte sich nach Malon die Tendenz geltend, die doktrinäre
Gleichmacherei des Kommunismus durch cfn System zu ersetzen, das
die frcieste Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit zuläßt, rjeder
nach seinen Leistunj^ien" lautete die kollektivistische Losung. Das
durch }3ersönliche Arbeit erworbene Figentum sollte dem iiKiividuum
gesichert bleiben.
Den ganzen Mechanismas der kollektivistischen Gesellschafts-
ordnung liat Jaur^s 1895 in seiner .Organisation socialiste" aulzu-
bauen versucht. Für ihn ist der Kollektivismus die einzige konkrete,
greifbare Formel des Soziaiismus; eine bereits unpersönlich ge-
wordene Doktrin, die alle wirklichen Sozialisten im Gegensatz zu den
Anarchisten und Kommunisten bekennen. Es ist jene wirtschaftliche
Verfassung, die unmittelbar auf die bürgerlich-kapitalistische folgen
muß. Auch nach jaurös soll das erworbene Eigentum nicht angetastet
werden. Er betont, daß die Vergesellschaftung ohne Beraubung und
Gewalt durchgeführt werden kann, sieht aber voraus, daß die Zentrali-
sierung aus betriebstechnischen Gründen sich nicht auf allen Gebieten
der Produktion wird durchführen lassen.
Auf derselben Linie hat sich der deutsche Sozialismus unserer
Zeit entwickelt. Allerdings hatte er vor Jahrzehnten, als die theore-
tische Klärung noch nicht vollendet war, die kommunistische Ein-
kommen- Verteilungsformel „Jeder nach seinen Bedürfnis-
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kju^ jd by Google
«en" in sein offizielles Programm aufgenommen und diibe Formel
1)is Jetzt noch nicht korrigiert. In der großen Frage des Übergang»
zur sozialistischen Organisation hat er sich aber immer entschiedener
zu den Prinzipien des Kollektivismus bekehrt. Ohne hier auf die
volkswirtschaftlichen Theorien eingehen zu können, auf die dieser
Fortschritt sich stiitzl. will ich nur an die proj^ramniatischen Ergeb-
nisse erinnern. Eduard Bernstein und Kail Kautsky, (ier [Revisionist
und der orthodoxe Marxist, vertreten (bleich zahlreichen andern A\ehr-
heitssozialisten und ünabhänj.;i^en, trotz aller sonstigen theoretischen
Divergenzen die Forderung, daß die soziale Umgestaltung tunlichst
Aui dem Wege organischer Evolution zu vollziehen sei, unter Ver-
meidung von Konfiskationen und Blutvergießen, um Rechtszustand
und Sicherheit, Produktion und Handel so wenig als möglich zu stören.
Sie erwarten einen gedeihlichen Aufbau des Sozialstaates nur von einer
stufenweisen Sozialisierung, die zunächst nur die für die Vergesell-
schaftung tatsächlich reifen Betriebe erfaßt. Ebenso verpönen alle
einsichtigen Führer Jes deutschen Sozialismus die politische [^listaiur
des Proletariats und ^'.lauben einen dauernden Sieg des Sozialisn^us
nur dann erre4chen zu können, wenn im Rahjuen einer unverfälschten
demokratischen Verfassungsform die sozialistische Weitanschauung
tatsächlich die Mehrheit ergriffen hat.
Einem so gedachten Sozialisierungswerk bringen heute auch die
•bürgerlichen Nationalökonomen und Parteien bereits soviel Verständnis
entgegen, daß es alle Aussichten hat, schrittweise, aber unaufhaltsam
in relativ kurzer Zeit vollendet zu werden. Mißglückte Beschleunigungs-
versuche, wie das WisseTsche Projekt der gebundenen Planwirt-
schaft, werden nicht nur von den Demokraten, sondern auch vön den
Sozialisten abgelehnt. Für eine rationelle, planmäßige Sozialisierung
aber sind sowohl der Reichsfinanzminister Schiffer, als auch der
bayrische Finanzminister Jaffe, sowie zahlreiche andere Demokraten
entschieden eingetreten. Die Erfahrung lehrt, daß weite bürgerliche
Kreise sozialistisch stimmen, wo es gilt, den wirklichen, gedeihlichen
und dauernden Fortschritt des Sozialismus zu sichern. Auf die Mit-
-wirkung dieser Massen kann das Proletariat in den meisten Ländern
zählen, wenn es sich dazu aufrafft, durch eine unblutige Revolu-
tion den bürgerlichen Staat in eine soziale Republik zu verwandeln.
IV.
Gerade in dem historischen Augenblick aber, wo, als höchster
Triumph menschlicher Zivilisation, die größte soziale
DigitizSfty Google
Umgestaltung in f r i e(l Ii c Ii e n Fo r in e n angebahnt weiden sollte,
traten sozialistische Sel:ten auf den Plan, für die die ganze Ent-
wicklung des wissenschaftlichen Sozialismus, sowie alle ihr zugrunde
liegenden volkswirtschaftlichen Tatsachen und historischen Erfahrungea
nicht existieren. Unter Berufung auf Marx und das Kommunistische
Manifest sprechen Bolschewismus und Spartakismus den Vertretern
des evolutiven Kollektivismus ihr Mißtrauen aus und verlangen ohne
Rücksicht auf die wirtschaftliche Entwicklungsstufe der einzelnen Be-
triebe sofortige, allgemeine Sozialisierung auf dem Wege „despotischer^
gewaltsamer Eingriffe" und einer blutigen Säuberung der Gesellschaft
Bei allem Bemühen, auch diesen MenschheitsbeglQckern, insoweit
sie aufrichtig sind, gerecht zu werden, kann eine leidenschaftliche Be-
trachtung ihr F*rogramm nur auf volkswirtschafliche und geschichtliche
Halbbildung zurückführen. Vor allem muß ihnen das Recht be*
stritten werden sich auf Marx zu stützen. Marx und Engels waren
viel zu y;ed!e;ene und klarblickende Forscher, um sich neuen Tat-
sachen und ihren Konsequenzen zu verschliei'.en. Schon IS72 erklärten
sie in ihrer Vorrciie zu einer neuen Ausj^abe des Konmiunistischen
Manifestes: rDie praktische Anwendung dieser Grundsätze wird
überall und jederzeit von den geschichtlich vorliegenden Umständen-
abhängen und wird deshalb durchaus kein besonderes Ge-
wicht auf die vorgeschlagenen revolutionären Maß-
regeln gelegt/ „Gegenüber der immensen Portentwicklung der
großen Industrie . . . und der mit ihr fortschreitenden Parteiorganisation
der Arbeiterklasse, gegenüber den praktischen Erfahrungen ... ist
heute dieses Programm stellenweise veraltet. Nament-
lich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß die Arbeiterklasse
nicht die fertige Staatsnipschine einfach in Besitz nehmen und sie für
ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann" (Adresse der inter-
nationale über den Bürgerkrieg in Frankreich).
Ebenso wie das nationalökonomische Wissen der Neo-Kom-
munisten beim Jahre 1848 halt macht, scheint ihr geschichtlicher
Horizont sich nur bis zum Jahre 1789 zu erstrecken. Sie haben ver-
nommen, daß die große französische Revolution die Emi,L;r<'intengilter
konfiszierte und mit der Guillotine arbeitete : anders können sie sich,
eine wahre Revolution nicht vorstellen. Sie vergessen, daß die Ge-
waltmänner der großen Revolution um ein Jahrhundert intensivster
menschheitticher Entwicklung hinter uns zurückstanden.
26
DIgltIzed by Google
V.
Heute sprechen ge^eii den KpiiiiniiiiiMiius nicht nur iheoretischc
Argumente, sonJernauchEriahrungstatsachen, überdienoch keine voran-
gegangene Epoche verfügte. Wenn M a r x aus der kurzen Geschichte
der französischen Kommune seine Schlösse zog, so sind wir umso-
mehr berechtigt, aus dem Verlauf des russischen Bolschewismus so
wie seiner Parodien in Ungarn und Bayern gesellschaftstechnische
Lehren abzuleiten.
Vergleicht man die ersten Programmschriften und Gesetze der
Bolschewisfen^ mit den Ergebnissen ihrer Regierung und den
W'\iiüluii-cn ihres Kurses, so üirissen wir feststellen, daß die Prog-
nose, v/elche einsichtsvolle Kritiker des Komnuiiiismus seit Schäffle
Be\ve.;u ii^rjn dieser Art gesteilt, in schlagender Weise sich bewahr-
heitet iiat.
Exklusive Dil<tatur des Proletariats, völlige Niederhaltung der
Bourgeoisie, strenge Gleichheit aller werktätigen Arbeiter — und als
Ergebnis dieser Methoden: Steigerung der nationalen Produktion,
materieller Wohlstand, geistige und moralische Entwicklung aller
Gesellschaftsniitglieder, das hat, um nur einige Hauptpunkte hervor-
zuheben, das bolschewistische Regime in Aussicht gestellt.
Heute sieht es sich dort, wo es sich noch erhalten hat, nach
Lenins Worten, vor der „Notwendigkeit zu lavieren und sich zurück-
zuziehen". Es fristet sein Dasein nur dank Konzessionen an den
Kollektivismus und die Demokratie, sowie dank der Diktatur einiger
Führer über das angeblich herrschende Proletariat. So hat es sich
die Mitarbeit der Bourgeois, die es früher Schneeschaufeln ließ, in
leitenden wirtschaftlichen Stellungen für hohe Gehälter erkauft und
wirbt vorläufig vergeblich um ihre Beteiligung an einer Koalitlons-
0 N. Bucharin «Programm der Kommunisten*. Mit einem Vorwort
von K. Radek. Zfirich, Verlag Union 191 a
N. Lenin .Staat und Revolution* und »Die nächsten Aufgaben der
Sowjetmacht*. Verlag der Wochenschrift .,Die Aktion", Berlin 1919.
K. Radek „Die Entwicklung des Sozialismus von der Wissenschaft
zur Tat". Verlag ,Die Aktion", Berlin 1919.
f,eo Trotzki Arbeit, Disziplin und Urünung". Verlag Gesellschaft und
Erziehung, Berlin.
Die Verfassung der rnssisclien sozialistischen hiideraliven Sowjet-
republik'. Berlin, Verlag „Die Aktion" 1918.
„Der Bolschewistische Staat" von H. Berliner. Verlag der Licht-
strahlen, 1919. .
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L yi .^ jd by Google
regierung. Inzwischen iialt es das immer unzufriedenere und ungebär-
digere Proletariat durch seine Rote Armee im Zaume und schreckt
auch vor „Totenfeldern als warnenden Beispielen" nicht zurück. So
sieht es mit der Diktatur des Proletariats aus.
Gleichheit aller Arbeiter: Um die Arbeitsscheu und
die Ausbeutung der Leistungsfähigeren durch die minder Tüchtigen
zu bekämpfen, sah sich der Bolschewismus genötigt, den Ai<kordlohn
und das Taglohn-System in strengster Handhabung einzuführen. So hat
er der kollektivistischen Formel : „Jeder nach seinen Leistimgen*
zum Siege verholfen und die in gewissen Grenzen ebenso natürliche
wie notwendige wirtschaftliche Abstufung der Arbeitenden zur Geltung
gebracht.
Steigerung der Produktion, allgemeiner mate-
rieller Wohlstand, allgemeine geistige und moralische
Entwicklung! Stillstand sämtlicher Betriebe mit Ausnahme der
Noienpresse uiiu der WaHentabriken, Auspliiiideruni; und Verarmung
Aller, mit Ausnahme der Bestecher und der Bestochenen; Nieder-
tretung aller Kultur, Entfesselung bestialischer Instinkte durch einen
barbarischen Terror. Dies war die Praxis in Rußland und in Ungarn.
Beladen mit dem Fluche nicht nur derjenigen, die sie ver-
nichten, sondern auch jener, die sie beglücken wollten, treten die
Maximallsten, Gruppe nach Gruppe von den Schauplätzen ihrer
Tätigkeit ab, nachdem sie Überall das Maximum des Elends
heraufbeschworen.
Kein Wunder, daß die sozialistische Internationale in der Konferenz
in Luzern das Programm der Diktatur des Proletariats mit allen Stimmen
gegen die des Antragstellers abgelehnt und ihr Bekenntnis zum Kollekti-
vismus aufs neue bekräftigt hat, indem sie in das Statut der welt-
sozialistischen Organisation „die Umgestaltung der kapitalistischen
Gesellschaft in eine kollektivistische" (Im Gegensatze zu
.kommunistischer") als zweiten Programmpunkt aufnahm.
Das lehrreiche Fiasko des Bolschewismus als Staatenbildner
bringt aber auch eine große Gefahr mit sich. Die Götzendämmerung
des Kommunismus kann auch die gesunden Ideale des Weltsozialismus
in den Untergang mit hineinziehen und einer allgemeinen Reaktion
den Weg bahnen. Aus dieser Furcht heraus, nicht zu allerletzt aber
auch aus Angst, durch die bolschewistische Strömung — die dort, wo
man sie noch nicht am Werke gesehen, In kritiklosen Hirnen noch
fortglimmt — verdrangt zu werden, beginnen manche koUektivistlsche
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Digitized by Google
Fülircr neuerdings gegen ihre innere Überzeugung bolschewistisch
zu schillern.
Die ist eine schlechte Politik.
Statt aus Feigheit einen verlogenen Radikallsmus vor-
zutäuschen, soll mni vielmehr den Mut finden, sich zum richtigen
und aufrichtigen Maß zu bekennen. Nur so kann der Weltsozialismus
vor der Weltreaktion gerettet werden.
bR. EniL ST6I N (W I E N) :
blE WIRTSCMflFTLICME ZUKUNFT
PALÄSTINAS.
s territorial gewaltige Erbe des tOrkiscben Reiches zu ver-
teilen, dürfte eine der schwierigsten Aufgaben der Pariser
Konferenz bilden, weil die in Betracht kommenden Länder
politisch und wirtschaftlich auf alle Beteiligten eine mäch-
tige Anziehungskraft ausüben. Die Expansion nach dem Orient war
nicht eine der kleinsten Ursachen des Weltbrandes. Seither hat dieser
Teil der Welt an Bedeutung nichts eingebüßt Selbst die Ü.S A., die
bisher der europäischen Politik ferne gestanden und zumindest durch
die Monroedoktrin sich an der Beutepolitik desinteressiert gezeigt
haben, tauchen plötzlich als Kandidaten fOr die neue Türkei und
Armenien auf und kommen sogpr als Konkurrenten Englands in der
far diese bisher als sicher geltenden Sachwalterschaft fOr Palästina
in Frage. Wenn solcher Art die kOnf tige Gestaltung des Orients noch
ganz und gar nicht sicher ist, beginnen sich doch langsam aus dem
Chaos die politischen Ansatzpunkte herauszukrystallisieren.
Rußland, ehemals der Anwärter auf den Besitz des Bosporus,
der mächtige, wenn auch nicht Immer selbstlose Protektor der Balkan-
Völker, Armeniens und Persiens, scheint wohl auf absehbare Zeit
ausgeschaltet Die Balkanvolker sind auf einen Schutz kaum mehr
angewiesen, auch Armenien ist selbstständig geworden und Persien
ist ganz unter die Patronanz Englands geraten. FQr die Araber beginnt
neuerlich eine Aera politischer Selbständigkeit und nur die Kflslen-
gebiete Kleinasiens bilden noch einen Zankäpfel zwis^en Italien,
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uyiu^cd by Google
Griechenland, Frankreich, England und dem neuen Staaiengebilde um
Damaskus herum. Während aber bei Italien und Griechenland höchstens
die Quantität des zu erkämpfenden Gebietes an der kleinasiatischen
Küste in Frage kommt, bedeutet die Vergrößerung der Interessen-
sphäre bei den anderen Mächten eine politische und Wirtschaftsfrage
ersten Ranges. Die Beschränkung Frankreichs auf den Libanon l>edeutet
so ziemlich seine völlige Ausschaltung aus der Wirtschaftspolitik des
nahen Orients.
Für das neue arabische Reich ist der Ausfallhafen von Alexandrette
von eiriinenter Wichtigkeit, da sonst das Reich um Damaskus herum
zum Binnenstaate und damit zu beschrankter EntwickluiiL^sfähiL^keit
verurteilt wäre. Eni^land bedarf dagegen des in der Nordwestecke
gelegenen Hafens von Alexandrette als Abschluß der Bagdadbahn,
deren Endstrecke sich ja seit der Eroberung iVlesopotamiens völlig im
englischen Besitz befindet. Der Anschluß der Bagdadbahn an einen
Mtttelmeerhafen bedeutet nicht aHein eine raschere Expedition fQr die
gesamte indische Post, sondern ist auch durch Ausbeutung der Petroleum-
schätze Persiens und iVlesopotamiens von größter Tragweite fQr die
gesamten Mittelmeergebiete. Wirtschaftlich sind alle diese gewal-
tigen Landstrecken bisher noch völlig unerschlossen, ja sogar un-
bekannt. Nur die geringen, bisher zur allgemeinen Kenntn's gelangten
Exportziffern weisen darauf hin, da(,i sie für den Welthandel und
Weltindustrie noch zu erschließende ungeheure Schätze, insbesonders
an mineralischen Urprodukten in sich bergen. War das bisherige
ottomanische Regime jeder Entwicklung abhold, so ist damit noch
nicht gesagt, daß diese Länder es zu wirtschaftlicher Selbständigkeit
nicht bringen können. Im Gegenteil. Sowohl kleinasiatische Griechent
als auch Armenier haben ja seit jeher einen Ruf wirtschaftlicher Tüchtig-
keit und Agilität, die bisher nur künstlich unterdrückt worden sind
und nunmehr zu ungeahnter Blüte gelangen könnten. Auch die eigent-
liche Türkei, also Anatolien, wird namentlich in landwirtschaftlicher
Beziehung unter einera geordnet arbeitenden Protektorate zu neuer
Blüte gelangen. Das arabische Volk hat insbesonders in Spanien be-
wiesen, daß es imstande ist, sowohl kulturell als auch wirtschaftlich
Hervorragendes und Wertvolles zu leisten, wenn man ihm freie Hand
lassen wird. ^ Persien steht dank dem neuesten Übereinkommen mit
England vor neuer Entwicklung.
Mitten unter diesen Landern mit ungeahnten Möglichkeiten, auf
den dhrekten Weg des gesamten südlichen Asien nach Europa, Im
Kreuzimgspunkte zwischen Europa, Asien und Afrika liegt das kleine
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Digiti/Oü by Cjt.)0^lc
Palästina, welches kulturell fast im Mittelpunkt der halben Welt ge-
legen ist und in jeder Beziehung durch zwei Jahrtausende brach lagt
mehr noch, der Devastation preisj^egebn war. Und nun soll dieses
Palästina wiederum das Volk in sich aiitnchiricn, tias aus sciikhi
Boden die Antäuskräfte seiner kuliurellen Leistungen schöpfte ind
in den zwei Jahrtausenden seiner V erbannunj^ von Palästina ^ar viel-
fach den Beweis wirtschaftlich hochwertiger Leistungsfähigkeit er-
brachte. Es wäre mehr als verwunderlich, wenn das jüdische Volk,
<lem, mitunter als Vorwurf, der Titel eines Handelsvolkes beigelegt
wird, von dem Werner Sombart sogar den Beweis erbringen wollte,
daß es der Vater des gesamten modernen Geldverkehrs, ja sogar
das Volk des Kapitalismus kat' exochen sei, wenn dieses Volk unter
so gegebenen glanzenden Voraussetzungen Palästina nicht zu einer
Handelszentrale ersten Ranges ausgestalten würde. Aber die bisher
aus den Exportziffern bekannten Daten lassen schon jetzt darauf
schließen, daß auch in Palästina nicht nur die Möglichkeiten für
ersprießliche Handelsbetaligung, sondern auch für eine ganz bedeutende
Eigenindustrie auf Basis der gegebenen Rohprodukte vorhanden sind.
Schon vor dem Kriege sind namentlich an Häuten, tierischen
Fetten, Hartölen, aber auch an lebendem Vieh ganz bedeutende Über-
schüsse erzielt worden. Dabei war aber die AusbeutungsmOglichkeit
Infolge des Regierungssystems nicht gegeben, es bestand auch keine
Möglichkeit, nach sonstigen Naturschätzen zu forschen. Nunmehr wird
bekannt, daß die eigentOmliche Formation des Toten J^eeres an sich
schon viele Produkte wie z. B. bituminöse Kalke, Chloride, Phos-
phate, auch Asphalt in reiner Qualität, u. a. ohne große Investitionen
hergeben wird. Schon ist die Standard Oll Companie daran, die durch
den Krieg unterbrochenen [Bohrungen nach Petroleum am Südende des
Toten Meeres neuerlich aufzunehmen und in Palästina verlautet, daß
bereits große unterirdische Oiteiche gefunden worden seien.
hl Bezug auf Kohle ist bisher in Palästina nur eine minder-
werlige Weichkohle gefundeh worden, welche die Ausbeutung gar
nicht lohnt Das Vorkommen von heißen Schwefelquellen fast im
gesamten Lande läßt aber die Erwägung nicht zur Ruhe kommen,
daß zumindest eine systematisch-geologische Erforschung des Landes
notwendig wäre.
An pflanzlichen Erzeugnissen dürfte Palästina so ziemlich alles
bringen, was von einem mediterranen Trockenklima zu erwarten ist,
inklusive der für uns wirtschaftlich so wichtigen Baumwolle, die ohne
weiteres im benachbarten Mesopotamien, aber wie die verschiedenen
Digitized by Google
Versuche erj^aben, auch in Palästina mit großer Rentabilität gepflanzt
werden kann.
Die in Bezug auf Seidenbau unternonnnenen Versuclie scheiter-
ten nur deswegen, weil sie, tnit unzulänghchen Mittein ausgeführt,,
sowohl der japanischen als auch der italienischen Konkurrenz unter-
liegen mußten. Tatsächlich erhält sich die Seidenraupenzucht im
benachbarten Libanongebiet, was immerhin ROckschlttsse auf Palästina
ermöglicht.
Auch in Bezug auf Welzen und Braugerste haben einzelne
Landstriche ebenfalls eine Mehr-Bilanz aufzuweisen, wobei aller*
dings zu sagen ist, daß in dieser Beziehung aus der Kolonisation
des i.ii ganzen und großen gebirgigen Palästina nicht allzuviel heraus-
zuholen sein wird.
Wenn von einer IndustriaMsierung Palästinas immer wieder ge-
sprochen wird, so i^t dieses Wort nur mit Vorsicht aufzunehmen und
zu werten ; denn die Industrie Palästinas wird, wenn sie kein künstliches
Gebilde bleiben soll, sich immerhin auf die Deckung des Eigenbe-
darfes, event. auf Veredlung gewisser Rohprodukte und die notwendige
Konfektionierung einzelner Zwischenfabrikate beschränken mflssen
und kaum auf die Höhe einer Großindustrie zu entwickeln sein. Das
Wort der Industrialisierung ist vielmehr derart aufzufassen, das wir
in Palästina bei der gegebenen Eigenexpansion des jüdischen Arbeits-
individuums weder mit einer Klasse von Industriearbeitern noch mit
einer Bauernklasse im bisher bekannten Sinne zu rechnen haben, daß
vielmehr der Kolonist, bei erholiter Benützung moderner Maschinen
und Potenzierung seiner geistigen Mitarbeit die Landwirtschaft mit
einer gewißen Industrietätigkeit als Kleingewerbler verbinden wird.
Diese Art dürfte sowohl der Natur des Landes als auch den Eigen-
tümlichkeiten des Volkes am besten entsprechen. Dadurch wird es-
auch ermöglicht werden, daß auf relativ kleinem Einzelbesitz eine
unendlich große Zahl jüdischer seßhafter Menschen angesiedelt werden
kann, wobei diese Zahl mit der immer fortschreitenden Intensivierung
der liinzelarbeit beliebig bis zu bisher unerreichten Bevölkerungs-
dichten gesteigert werden mag. Denn wir müssen immerhin damit
rechnen, daß das jüdische Volk, welches heute trotz aller Existenz-
schwierigkeiten die in seiner Geschichte höchste Bevölkerungsziffer
von 15 Millionen erreicht hat und eine unglaubliche Fortpflanzungs-
ziffer besitzt, sich unter den gesunden Verhältnissen Palästinas in.
rapider Weise vermehren wird. Für den Bevölkerungsüberschuß-
werden zwar die bevölkerungsarmen Nachbarländer Palästinas, ohne:
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Gefahr einer politischen Expansion, Aufnahme ermöglichen. Immerhin
wird aber an eine Verdichtung der Bevölkerung Palästinas selbst
gedacht werden mOssen.
Die Erschließung des Großhandels und der Geldwirtschaft von
in dieser Hinsicht weit zurückgebliebenen Landkomplexen, die Möglich-
keit einer verhältnismäßig großen Industrie aus eigenen nnd eng-
benachbarten Rohprodukten, die Schaffung einer hochentwickelten
industrialisierten Landwirtschaft zeigen hier Entwicklungsbahnen, für
die wir bisher in den Statistiken des nahen Orients keine wie immer
geartete Berechnungsbasis finden und die entsprechend den neu zu
erschließenden Landstrecken und dem zu einem geordneten und ge-
schlossenen Wirtschaftssystem zurückkoüimenden jüdischen Volke
ungeahnte AlOj^lichkeiten bloß denken lassen. Es ist klar, daß dabei
durch die uralten Beziehungen der Juden zu den Handels- und Industrie-
zentren der Kultur-Menschheit und durch ihre niemals erloschenen
Beziehungen untereinander, wo immer in der Welt sie gesiedelt haben
mögen, diese Portschritte wesentlich gefördert werden dürften. Es
sind dies incommensurable Größen, Komponenten, die mit dem Rechen-
stifte nicht erfaßt werden können, für die es auch keinen Literatur-
nachweis gibt, die aber speziell bei der Neubesiedlung Palästinas und
bei der Neuerschließung Kleinasiens eine wesentliche Rolle spielen
werden. Beim Handel und bei der Industrie Palästinas gilt das Wort,
man möge nur die Juden in den Sattel setzen, reiten und die Ent-
wicklung Palästinas lenken, daß dürfte man wohl ihren wirtschaftlichen
Instinkten ruhig überlassen. Keinesfalls darf aber bei der
Rechnung über die Kolonisation P a I ästinas Ha n d e 1
und Industrie in so sträflicher Weise außer Acht
gelassen werden, wie es bisher geschah, da man
immer nur davon sprach, die Juden in Palästina
einzig und allein der allein seligmachenden Land-
wirtschaft zuzufahren.
Die Beschäftigung mit der Landwirtschaft, als der Urproduktion,
ist für die Gesundung des Volkes unbedingt erforderlich, wohlver-
standen für die Gesundung. Das Wirtschaftssystem kann aber nicht
gesund bleiben, wenn es einseitig ist und nicht viel mehr zu einem
geschlossenen, alle Arbeitsgebiete der Menschheit in sich fassenden
ausgestaltet wird. Allerdings ist dies bei dem Charakter der Juden
niemals zu befürchten, der an und für sich stets das Gesunde er-
strebt und auch durchsetzt, wenn man ihm nur freien Spielraum läßt.
^ Digiti^ by Google
Diese Erwägung läLU auch die Hoffnung zu, daß das jüdische Volk
im judischen Lande unbedingt und von selbst ein gesundes, für die
ganze Wirtschalts- und Kulturwelt erspießhches Wirtschaftssystem
bilden wird.
J. O E T T I N 6 E R (M W ff 6) :
blE BODENKULTUR BEI DEN
JUbEN.)
as Bestreben, die Bodenkultur unter den Juden zu verbreiten,
ist bekanntlich nichts als ein Ruf, zu derjenigen Erwerbs-
quelle zurückzukehren, der tinst der allergrößte Teil des
jüdischen Volkes angehörte. Dieses Volk ernährte sich
von seiner eigenen iiände Arbeit, lebte das gesunde Leben der Acker-
bauer und Gärtner, schuf in seinem Buche der Bücher unvergängliche
Ideale nationaler Bodenpolitik. Auch nach dem Verluste der heimat-
lichen Scholle hat das jüdische Volk noch während langer Jahr-
hunderte das Streben zur Bodenkultur nicht aufgegeben, und, wo es
nur vgend anging, griff es zum Pfluge, bis es in die Ghettomauern
eingesperrt wurde. In seinen geistigen Schöpfungen, in seinen Reminis-
zenzen aus der Zeit des eigenen Staates, in den talmudischen Er-
läuterungen zum Pentateuch und zu den Propheten, ist es, durch alle
Jahrhunderte seiner Zerstreuung der Bodenkultur treu geblieben.
Der Ruf „Zurück aus der Stadt ins Dorf" ist aber in letzter
Zeit erst durch äußere Einflüsse in die jüdischen Massen gedrungen.
Die Rückkehr zu landwirtschaftlichen Berufsarten ist in allen Ländern,
WO ein starker Abfluß in die Städte sich gezeigt hat, zum Losungs-
worte neuer Strömungen, verschiedener politischer Parteien und
mancher staatlichen Institutionen geworden. Die staatliche und ge-
sellschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiete der sogenannten »Inneren
Kolonisation* in Deutschland, die Förderung des »Small holding" In
England, die tiberall sich verbreitende Idee der Gartenstädte, die
allerwärts zunehmenden staatlichen Maßnahmen zum Schutze des
ländlichen Kleinbesitzes — alle diese Tatsachen und Ideen der aller-
neuesten Zeit, haben auch auf uns Juden eingewirkt, haben auch
0 Siehe Monatssdirift ,Der Jode*.
34
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unter uns tätige Propagandisten und Werber des Bodeniculturgedankens
hervorgerufen.
Doch die kräftigste Propaganda, die auf die Masse direkt ein-
gewirkt hat, stammte von anderen, mächtigeren äußeren Einflüssen.
Die Pogrome und die rechtlichen Verfolgungen der Juden in Ruß-
land haben seit nun 35 Jahren den stärksten Anstoß zur Auswanderung
und zur Verbreitung der Landwirtschaft unter den Juden gegeben.
Während dieser Periode wurde der Anfang gemacht zur neuen
jüdischen landwirtschaftlichen Besiedelung Palästinas und sind die
bereits recht zahlreichen jüdischen landwirtschaftlichen Betriebe in
Argentinien» in den nordamerllcanischen Staaten und Kanada begründet
worden. Daneben entstanden in fast allen europäischen Landern
Cesellschaften und national-jüdische Organisationen, die sich die Ver-
breitung der Bodenkultur unter den Juden zur Aufgabe machten.
Die Juden Rußlands waren auch hierin beispielgebend voran-
gegangen. Vereine zur Förderung der jüdischen Bodenkultur in Palästina
und in Rußland selbst, wurden bereits in den achtziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts in Odessa und Petersburg begründet. In den
neunziger Jahren kamen neue bedeutende kolonisatorische Privat-
unternehmungen, Gesellschaften und nationale Organisationen hinzu,
die in westeuropäischen Ländern gegründet wurden und ihre Tätig-
keit auf Palästina und Rußland, auf Süd- und Nordamerika erstreckten.
Und gegenwärtig findet man nicht nur in Rußland, sondern fast
überall, wo man Juden in gewisser Menge zählt, jüdische Vereinigungen,
die die Verbreitung des Landbaues zum Ziele liat>en.
Doch wenngleich erst während der letzten Jahrzehnte der
Gedanke jüdischer Landwirtschaft immer weitere Kreise heranzog,
list die tatsächliche Zuführung einer bedeutenden Zahl Juden zum
Ackerbau mehr als ein Jahrhundert alt. Und diese Tat stammt von
der Regierung desselben russischen Reiches, das später zur Arena
•der jüdischen Metzeleien und Hetzereien geworden isL Die russischen
Regierungen der ersten Hätfte des 19. Jahrhunderts haben im Zeit-
räume von 1804 bis 1856 filit vollem Ernste die Juden zur Land-
wirtschaft zurückzubringen gesucht und haben denn auch quantitativ
sehr befriedigende Resiiltate erzielt. Und als die russische Regierung
seit 1896 und namentlich seit 1881 mit aller Kraft dem Im jüdischen
Volke schlummernden und nun wachgerufenen Triebe zur Boden-
kultur sich widersetzte, da konnten weder die unaufhörlichen Aus-
weisungen aus den Dörfern, noch die strengsten Verbote, Grund und
Boden zu kaufen und zu pachten, noch alle von der Regierung ver-
3
üiyitized by Google
I
anstalteten oder gutgeheißenen Pogrome die Weiterentwicklung der
erwachten Neigung zurQclchalten.
Zur allgemeinen Überraschung hat die in Rußland am Ende
des 19. Jahrhunderts vorgenommene Volkszählung die erstaunliche
Tatsache erwiesen, daß, trotz aller gesetzlichen Beschränkungen
und behördlichen Willkür, nngefähr 200.000 Juden in geschlossenen
jüdischen Kolonien und zerstreut, unter den russischen Bauern oder
aut vorstädtischen ürundstücken, ganz oder teilweise von der Land-
wirtschaft lebten.
Eine genauere, von der ICA veranstaltete Enquete hat im einzelne»
festgestellt, daß sich vor etwa zwanzig Jahren in mehr als 300 Kolonieii
Uber 70.000 Juden mit verschiedenen landwirtschaftlichen Zweigen, vor
allem mit Ackerbau, abgaben, daß fiber 90.000 Seelen, im jQdische»
« AnSiedlungsgebiete " zerstreut, intensive Kulturen, wie Gemüsebau,.
Wein- und Obstbau, Tabakbau und Milchwirtschaft betrieben, daß etwa
15.000 Juden als Landarbeiter ihren Lebensunterhalt verdienten und
daß endlich einige tausend Familien als Pächter oder Besitzer mehr
oder weniger großer Grundstücke ihre Einnahmen hauptsächlich aus-
der Landwirtschaft bezogen.
Es hat sich weiterhin herausgestellt, daß die Juden eine aus-
gesprochene Veranlagung für die intensivsten Kulturen bekunden, im.
Laufe des ersten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts hat in den Kolonien
und auf städtischem Grund und Boden der südrussischen Gouvernements,,
«namentlich in Bessarabien, der Wein- und Obstbau bei den Juden
sichtlich zugenommen. In den bessarablschen Dörfern, wo unter Um-
gehung der bestehenden Gesetze und zu fast unerschwinglichen Preise»
Juden von Großgrundbesitzern und Bauern passendes Land pachten
konnten, vermehrten sie von Jahr zu Jahr die Häche der Tabakkultur,
die sich nun zu einem reinjüdischen Produktionszweige ausgebildet
hat. Im Jahre 1897 gab es dort etwa 1700 jüdische Tabakpflanzer.
Im Jahre 1901 waren es bereits 3800 und 19ü5 über 8000 Familien,
die auf einer Fläche von etwa 3500 Hektaren ausschließlich durch
die schwere Arbeit ihrer Familienmitglieder, ihrer Männer, Frauen und.
Kinder, sich einen bescheidenen Lebensunterhalt sicherten.
Diese Tabakbauer sind die betriebsamsten unter allen Juden, die
sich der Landwirtschaft wahrend der letzten Jatirzehnte zugewendet
hatten. Sie könnten das beste Element zur Besiedelung solcher
Gegenden bilden, wo intensive Landarbeit während des ganzen Jahres^
wie z. B. in Palflstina, getrieben werden kann. Im wesentlichen shid
die Handgriffe des Tabakbaus diejenigen gärtnerischer Kulturen, und
36
Digiti/Oü by Cjt.)0^lc
<la haben die Tabakpflanzer für diese Handgriffe eine noch höhere
Veranlagung gezeigt als die unter den russischen Juden stetig an Zahl
zunehmenden Gartenbatier.
Am offenlcundtgsten aber haben Juden neuerdings ihre Zuneigung
■zu gärtnerischen Kulturen in Palästina an den Tag gelegt, das für den
Gartenbau prädestiniert ist. In F'aiästina, wo gegenwärtig bereits etwa
12.000 Juden in den Kolonien leben, haben sie die schönsten Wein-,
Orangen- und Mandelgärten geschaffen. Der Jüdische Nationalfonds
hat den Weg zur Aufforstung des Landes betreten F> bildeten sich
bis vor dem Kriege immer neue Pflanzungsgesellschaiten zur Anlage
yott Baumpiantagen. Es entstanden Arbeitergenossenschaften, die
<lie Urbarmadiung verwahrloster oder durch unrationelle, unaufhörliche
Kultur erschöpften Ckundstdcke flbernommen haben» um sie intensiven
«Kulturen zuzufahren. Der Weltkrieg hat in Palfistina die schöpferische
Arbeit auf dem Gebiete des Landbaues nur teilweise aufgehalten.
Es ist zu erwarten, daß nach Friedensschluß die dort begonnene
Arbeit einen starken Aufschwung nehmen wird, da unterdessen das
Interesse für Palästina unter den arbeitenden jüdischen Massen, sowie
in den wohlhabenden Kreisen stark zugenommen hat.
In Argentinien hat bis vor dem Kriege die Zi hl der in den
Kolonien der ICA lebenden Kolonisten, Arbeiter und Handwerker die
Ziffer von 26.000 Seelen überstiegen. Den Verhaltnissen des Landes
entsprechend, treiben da die Kolonisten extensiven Ackerbau und eine
'weitausgedehnte Viehzuckt Die 3400 Kolontstenfamilien haben im
Jahre 1913 197.000 ha Land bestellt und 122.320 StOck Vieh, darunter
.24.480 Milchkflhe, besessen. Es stod letzthin die ersten Schritte gemacht,
•um gärtnerisdie Ktitturen auch unter den argentinischen Kolonisten
zu verbreiten. Die Zahl der Kolonisten wächst in Argentinien all-
mählich, aber stetig, dank den großen Mitteln def ICA und den von
ihr, nach vielen überstandenen Schwierigkeiten, ausgearbeiteten koloni-
-satorischen Methoden. Ob sich in Argentinien die Landwirtschaft
unter den Juden spontan entwickeln wird, wenn einmal die ICA ihre
Tätigkeit dort einstellt, ist in Anbetracht der für eine jüdische Be-
:8iedelung in diesem Lande fehlenden nationalen Bewe^finde wohl
fraglich.
In den Verein^tea Staaten Nordamerikas hat sich seitens der
Jüdischen Einwanderer in den letzten zwei Jahrzehnten eine starke
Bewegung zur QrUndung und zum Ankaufe von Farmen entwickelt.
Über fünftausend jüdische Farmer existieren da bereits. Eine gut
iredigierte Fachzeitschrift, die den Namen „Der jüdische Farmer" trägt,
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dient den Interessen der Kolonisten. Häufige Konferenzen wirken für
ihren Zusammenschluß, und viele jüdische Arbeiter finden dort bereits
Betätigung und Gelegenheit zur praktischen Anweisung. Auch in
Kanada sind melirere hundert JQdische Kl^nbetriebe in letzter Zeit
entstanden und haben sich ehter gedeihlichen Entwicklung fähig gezeigt.
So sehen wir in Osteuropa, in PaUstina, in Sfld- und Nord-
amerika Juden in den verschiedensten landwirtschaftlichen Zweigen
tätig. Etwa eine Viertelmillion Seelen haben in denselben bereits
eine Erwerbsquelle gefunden.
Juden pflegen die für jede Gegend am besten passende Kultur
zu ergreifen und erreichen, nach einer gewissen unumgänglichen
Periode des Tastens und Lehrgeldzahlens, einen ürad der Vervoll-
kommnung, der ihnen auf allgemeinen landwirtschaftlichen Aus-
stellungen Auszeichnungen für die Güte ihrer Erzeugnisse einbringt.
Solche sind von den palästinensischen Weinbauern für treffliche Weine
erlangt worden, von bessarabiscben Kolonisten für herrliches Tafel-
obst und für sorgfältigen Samenanluiu von Futterrüben, Bohnen,
Gurken und Melonen, von argentinischen Kolonisten für veretAndisvoUe
Viehaufzucht und für ausgezeichnete Qualität von Weizen, Gerste
und Leinsaat. Und in jedem der von den Juden erst vor so kurzer
Zeit in Angriff genommenen landwirtschaftlichen Zweige finden wir
Leute, die ihre Spezialität bereits fanatisch liebgewonnen haben. Da
ist der podolische und bessarabische Kleinstädter, der erst vor fünf-
zehn Jahren auf einem kleinen Grundstücke einen Obst- und Wein-
garten angelegt hat, auf seine prächtigen Wintercalville- und Gold-
parmänenäpfel, auf Dechantsbimen, auf seine Chaaselas-Trauben
stolz. So mancher von diesen Gartenbauern kennt sich hi der Sorten-
kunde gut aus und träumt davon, sich stets bessere Varletäien zur
Veredelung des auch so schon feinea Sortfanents seiner Früchte und
Trauben zu verschaffen. In Palästina lassen die Besitzer der Orangen-
gärten ihre Bäume eine an Sorgfalt und Liebe immer zunehmende
Pflege genießen. In Argentinien begegnet man unter den Kolonisten
auf Schritt und Tritt ausgezeichneten Kennern und Liebhabern schönea
Rindviehs und rassereiner Pferde.
Wer durch jüdische Kolonien gewandert ist, hat B Ider in sich
aufgenommen, die ihm, wenn er noch so skeptisch gestimmt war, alle
Zweifel an der Möglichkeit einer jaUlsdien Regeneration auf der Grund-
lage der Bodenkultur benommen haben. In RulUand finden wir in den
Kolonien der südlichen Gouvernements Cherson, Jekaterinodaw und
Bessarabien, die seit 80 bis 90 |ahren bestehen, ein hochgewachsenes.
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breitschultriges Geschlecht von Judenbauem, welches sich durch nichts
als durch seine höhere Intelligenz von der unigebenden bäuerlichen,
russischen und moldauischen Bevölkerung unterscheidet. In Argentinien
können wir die zur nächsten Schule auf halbgebändigten Pferden
galoppierenden Jungen und Mädchen bewundern, denen die Pampasluft
die Brust erweitert und den Mut des Gaucho einflößt. In Palästina
lernen wir den prächtigen Pioniergeist der jüdischen Arbeiter kennen,
die angekauftes Land erst durch ihre Okkupierungsarbeit für das
jüdische Volk unter Opfern und den schwersten Entbeiirungen erobern.
Dort steht man auch Arbeiterinnen, die nach absolviertem Gymnastal-
studium in . den Arbeitergenossenschaften den Obliegenheiten von
Stubenmädchen und Köchinnen sich unierwerfen, um auf diese Weise
der Pionierarbeit Vorschub zu leisten. Stundenlang kann man dort den
j<indern in den Schulen und Kindergärten der Kolonien zuschauen,
die mitten in der herrlichsten Natur, in einem ihnen bereits zur Mutter-
sprache gewordenen, harmonisch und lieblich klingenden Hebräisch
fröhliche Spiele treiben, wie sie nur wirkliche Naturkinder ersinnen
können.
Falls der Wanderer durch jücWsche Siedlungen für ethnographische
und völkerpsychologische Beobachtungen einen Sinn hat und für die
unter dem Einfluß der Umgebung und der Beruf sait wechselnden
Leben sgewohnheilen sich interessiert, so kann er bereits Zeichen der
beginnenden Anpasisung an die landwirtschaftliche Lebensart und
bäuerliche Denkweise in den jadischen Dörfern wahrnehmen.
Langsam legt der aus der Stadt ins Dorf eingewanderte Jude
seine städtische Kleidung ab, und nur ganz allmählich schafft er sich
und seiner I rau für ihre Lebensweise geeignetere, den Verhältnissen
der Gegend besser angepaßte emzelne Trachtstücke an. Die ständig
im 1-eld und irn Garten beschäftigten Arbeiter unterwerfen sich aber
recht bald den lokalen Anforderungen in dieser Beziehung. Die jüdischen
Wächter in Palästina, die der Wächterorganisation , Haschomer
angehören, haben die pittoreske Beduinentracht angenommen, und die
Kolonistensöhne in Argentinien haben die schmucke, bequeme Gaucho-
Reiterkleidung angelegt
In Bezug auf Nahrungsgewohnheiten fällt es dem früheren Städter
schwer, sich von manchem loszusagen, was ihm zur zweiten Natur
geworden ist. Aber die Anfänge gesünderer Auffassungen sind auch
auf diesem Gebiete schon vorhanden. Der russisch-jüdische Kolonist,
der i i neuen Ländern anfänglich hauptsächlich von Tee, Hering und
Fleisch sich ernährt, geht nach einigen Jahren zu einem stärkeren
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Verbrauche von üeuiüst, Milch unJ Licrn über. Und wenn er in der
ersten Zeit wenig von diesen Nahrungsiniiieiii m der eigenen Wirt-
schaft produziert, so macht er später den Gemüsebau, die Milch-
wirtschaft und die Geflügelzucht zur Grundlage des Unterhaltes sekier
Familie.
Und wenn im Anfange der jüdische Landwirt geneigt ist, den
Boden als Spekulationsobjelct zu betrachten, das im Werte schnell
steigt, und wenn er zu einseitigen Betriebszweigen greift und gern
alles auf die eine Karte setzt, die ihm die besten Chancen, trotz des
großen Risikos der Monokulturen, zu bieten scheint, so kommt doch
ein Zeitpunkt, wo aucli der jüdische Bauer, wie jeder andere, im Boden
vor allem das Produktionsuiittel erblickt. Aliniahlicii bringt ihm die
Erfahrung auch das Verständnis bei für die Heilsaiiikeit der wirt-
schaftlicheh Vielseitigkeit, im Gegensätze zum Va-banque der ein-
seitigen Ki^lturen.
Er eignet sich in mancher Hinsicht bäuerliche, am Bestehenden
sich festklammernde Denkart an, aber er verbindet damit jüdische
angeborene R^samkeit des Geistes und die vollste Würdigung all-
gemeiner Bildung und spezifisch-jüdischer Kultur. Wo für letzteres
seitens nationalgesinnter Vereinigungen gesorgt wird, zeigen sich
jüdische Bauern und Landarbeiter für das Aufnehmen jüdisch-nationaler
Ideale äußerst eiiipfängiicii. Sie werden mit der Zeit das stärkste
Bollwerk im Kampfe gegen die volkstötende Assimilation darstellen.
Aber das Wertvollste, was die Rückkehr zur
Mutter Erde in so kurzer Zeit bei uns Juden hervor-
gebracht hat, ist wohl die bei den palästinensischen
jüdischen Landarbeitern wachgerufene Liebe zur
Arbeit. Es ist keine Liebe zu reichen Erträgen und
zu schonen Naturprodukten. Es ist eine uneigen*
nützige und opferfreudige Liebe, eine abgöttische
Verehrung der Arbeit der eigenen Hände, ein bis
zum Fanatismus gesteigerter Glaube an das Heil
d e r A r b e i t, die den Menschen reinigt und heiligt.
Diese Fanatiker träumen davon, die Liebe zur Arbeit
weit und breit unter den Juden zu propagieren. Sie
wollen erweisen, daß der mit jüdischem Geld er-
worbene Bodenerst durch jüdischerHändeArbeit zu
jüdischem Boden wird. Sie bringen die schwersten
Opfer, um denen, die darüber sich noch keine Ge-
danken machen, zu beweisen, daß nur das Heran-
40
Digitized by Google
'.ziehen möglichst vieler jüdischer Arbeiter der
jüdischen Siedlungstätigkeit eine feste Grundlage
verleihen wird
Neben dem Triebe zur körperlichen und psychischen Gesundung
wird die Idee der jüdischen Bodenkultur noch durch andere wichtige
Momente gefördert. Zu den Beweggründen volkshygienischer Natur
gesellen sich soziale, ökonomische und nationale Triebkräfte hinzu.
Die geringe Mannigfaltigkeit jüdischer Berufsarten, die Be-
schränkung des größten Teiles der Juden auf städtische« wenig oder
gar nicht produktive Erwerbszweige, das bisherige Fehlen einer
ökonomisch-kräftigen landwirtschaftlichen Schicht — diese Tatsachen
führen zum Streben nach der sogenannten „Umschichtung der Berufe".
Die bisherigen, in dieser Hinsicht im Laufe weniger Jahrzehnte er-
zielten Ergebnisse haben dargetan, daß wir die schönsten Aussichten
haben, bei zielbewußtem weiteren Fortschreiten auf diesem Wege
beträchtliche Elemente des jüdischen Volkes zur Formierung der uns
als lebensfähigem Volk unumgänglichen Schicht heranzuziehen.
Die ökonomischen Perspektiven haben sich ebenfalls in den
verschiedenen Ländern, wo der Versuch, den Juden die Bodenkultur
zugänglich zu machen, unternommen wurde, als recht günstig erwiesen.
Die nationalen Motive finden endiicli ihren Ausdruck in dem Vorzuge,
den tausende und abertausende Juden, die der rasch wachsenden
zionistischen Bewegung sich angeschlossen haben, der landwirt-
schaftlichen Besiedeiung Palästinas geben.
Man befaßt sich gegenwärtig, von diesen verschiedenen Beweg-
..gründen geleitet, fast in allen Ländern der jüdischen Zerstreuung mit
dem Problem der Propagierung der Bodenkultur. Die Theorie und
Praxis der Verbreitung landwirtschaftlicher Berufearten unter den
Juden haben bereits gewisse Stadien der Entwicklung durchgemacht,
die Bedeutung gewisser Methoden bereits aufgeklärt und die Ein-
schätzung anderer noch nicht genügend erprobter auf die Tages-
ordnung gesetzt.
In Palästina, Rußland, Amerika haben die für die jüdische
Kolonisation interessierten Kreise die Fragen des Bodenkaufs ins Auge
:gefaßt, des Vorbereitens des Siedlermaterials aus den arbeitenden
Volksmassen, der Organisierung des landwirtschafilichen Kredits, der
Entwicklung des Genossenschaftswesens und der Hebung der land-
-wirtschafttichen Technik in den bestehenden und erstehenden jüdischen
Kolonien.
41
uyiu^üd by Google
An die Lösung dieser Probleme war im Laufe der letzten Jahr-
zehnte die Philanthropie reicher und reichster einzelner Juden, wie
Baron G. Rothschild und Baron M. Hirsch, herangetreten. Eine kapitalst
kräftige Kolonisationsgesellschaft (die ICA), Verein zur Verbreitung der
Bodenkultur und des Handwerks unter den Juden in Palästina, wie
das Odessaer Palästina-Komifee, die nordamertkanische ^Jewish
Agricultural and Industrial Aid Society" usw., alle diese und ähnliche
Gesellschaften haben die Privatinitiative einzelner Personen und ganzer
Siedhin^^'n zu stützen j^esucht Die zionistische. Bewegung hat dann
spezielle Träger der jüdischen Besiedlung Palästinas ins Leben ge-
rufen. Zum Bodenankauf und zur Verbreitung der jüdischen land-
wirtschaftlichen Arbeit wurdj der Nationalfonds begründet. Als Kredit-
institute waren der Jewi^h Coloniat Trust, die Anglo-Paiestine Company
und die Anglo-Levantine Bank geschaffen.
Das in Palästina das Aklions-Komitee derZionistischenOrganisation
und den jadischen Nationalfonds vertretende Palästina-Amt hatte die
BilJung und Entwicklung unternehmungslustige: jüdischer Pflanzungs-
geselischaften und mutiger Arbeitergenossenschaften gefördert
Und wo nur möglich, war man vor Kriegsausbruch an die Ver-
wirklichung einer langen Reihe von Projekten, die sich auf die Ent-
wicklung der jüdischen Bodenkultur beziehen, herangetreten.
Doch das wichtigste aller Probleme auf diesem Gebiete wird
erst nach dem Kriege zur möglichst raschen Lösung sich aufdrängen.
Sobald die Möglichkeit vorhanden sein wird, in Palästina unter Über-
windung geringerer Schwierigkeiten, als früher, zu kolonisieren, wird
nämlich dis Problem sich ergeben, alle Bestrebungen zur Verbreitung
der Bodenkultur unter den Juden, alle dafür zu Gebote stehenden
Mittel und Kräfte auf Palästina zu konzentrieren.
Wollen wir hoffen, daß die Lösung dieses in nationaler Be-
ziehung so schwerwiegenden Problems in dem offensichtlich zu-
nehmenden Interesse der Judenheit für Palästina und in den nach
dem Kriege gebesserten Bedingungen für eine jüdische Besiedlung
Palastinas ihre stärksten Stützpunkte finden wird.
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PROP. bR. CARL BALLOb (BERLIN):
V O R S I T Z E N b E 1^ bES b EÜTSCM - niTlSCHEN KOniTEES
ZUR PÖRbERUNO bER JÜblSCh£N PflLrtSTINflSiEbLüNQ
DIE FRAGE bER PRObUKTIONS-
ÜNb flUFNflMnEFÄMIQniEIT
PALÄSTINAS.'^
"^^^-w^^^as ist aus Palästina zu machen» welclie Mensciienmcnge
I |P^S| kann es ernähren? Ich nehme von vornherein an, daß
I i^^^'^ die Kolonisation Palästinas nur soweit einen Sinn hat, als
l'j^^^^i sie die Ernährung der dort anzusiedelnden Bevölkerung
sicheistellt. Der vVeIt<rieg hat uns ja, sehr zu unserem LeiJwesen,
dHrüher belehrt, wie trügerisch alle auf den weltwirtschaftlichen" Be-
ziehungen, dem interna-ion ilcn Piandelsaustausch gegründeten Theorien
sind, wie nur diejenigen Bevölkerungen in Sicherheit leben konnten,
die ihren Nahrungsbedarf aus der heimischen Scholle bezo^^en Das
bedeutet nun nicht, daß man, um ganz sicher zu gehen, darauf Bedacht
nehmen muß, ein Getreide- bezw. Nahrungsmittelexportstaat zu werden,
wie das mitunter auch bei der Frage der Kolonisation Palästinas in
Aussicht genommen wird, nämlich von denjenigen Autoren, denen
als das zu erstrebende Ziel eine mittel- und kleinbäuerliche Wirt-
schaft mit erheblicher Überschußproduktion für den Veikauf vor-
schwebt.
Sd z B. in der Arbeit von Jacob Oettinger (Methoden und
Kapitalbe Jarf jüdischer Koloaisation in Palästina, 1917), der die zu-
nächst kulturfähige Bodenfläche Palästina, auf 1,2 — 1,5 Mill. ha,
also etwa die Hälfte der Gesamtfläche, bemißt, auf der 150— 200.0Ü0
Kleinbetriebe bestehen könnten. Für die jüdische Kolonisation rechnet
er nur mit 695.030 ha unbewässerbaren und 70.000 ha bewässerbaren
Bodens, worauf er 76.000 Familienbetriebe zu grOnden vorschlägt mit
einem Gesamtaufwande von 1986 Mill. Franken. Er faßt Ins Auge :
1. 160 Kolonien mit je 80, zusammen 12.000 extensive Getreide-
wirtschaften von 200—250 Dunam ^ 18—22,5 Hektar, für die ein
Kapital von je 27.000 Franken erforderlich ist, und rechnet dabei,
daü das Grundkapital von 12 500 Franken sich nur mit 2% zu ver-
') Siehe: Palästina als jüdisches Ansiedlungsgebiet von Prof. Dr. Carl
Bailud.
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Zinsen braucht! 2. 250 Kolonien mit je 40, zusammen lU.üOü intensive«
Viehzuchts- und je .',ü, zusammen 1 2.500 Pflanzungsvvirtschaften von
je 100 bezw. 70-75 Uunam 9,1 bezw. 5,5—7 ha Fläche), die
auch noch je 22,700 bezw. 28.650 Franken Kapital brauchen; auch
da soll sich das Bodenkapital von 7500 und 3750 Franken nur mit
27o verzinsen, für das übrige Kapital werden allerdings 5^o» ein-
schließlich Tilgung 6% gerechnet. Endlich sind 3. noch weitere 360
Kolonien mit je 50, zusammen 18.300 bewässerter Pflanzungswirt-
schaften, je 20, zusammen 7320 bewässerten ein- und zweijährigen
Kulturbetrieben (Gemüsebau), die je 41.000 bezw. 13.600 Franken
Kapital erfordern. Daneben sollen aber noch 21.700 Arbeiterheimstätten
mit je 20 Duiiam 1,8 ha Bodenflache gegründet werden, deren
Anlage je 5000 Franken erfordert, wobei das Grundkapital von 1950
Franken sich wieder nur mit 2^o verzinst. Er rechnet, daß ein jeder
Kolonist öüüO Franken aus eigenem Kapital hergeben müßte, das
übrige aus dem Nationalfonds und nationalkulturellen Institutionen zu
beschaffen wäre.
An diesni Entwurf des Autors, dem offenbar argentinische Ver-
bältnisse, wo man noch aus dem Vollen wirtschaften kami, vorge-
schwebt haben, läßt sich aussetzen, daß er 1. einen fOr Jeden Be-
teiligten viel zu hohen Betrag festsetzt, ein viel zu hohes Gesamt-
kapital verlangt, von dem zudem fast V j, über 450 A\iil. Franken nur
mit 2*"„, also zu einem Zinsfuß zu beschallen wären, der in absehbarer
Zeit völlig undenkbar ist ; 2. daü er das Problem der Unterbringung
großer Massen der nach Zion ausschauenden Juden nicht löst, weil
eben nur eine V ^ Million Köpfe auf diese Art angesetzt werden können,
während vielleicht die zehnfache Anzahl mit Freuden nach Palästina
ziehen würde, sofern nur die Existenzmöglichkeit daselbst geboten
würde. Den Ärmereir, und das ist doch die Masse, dürfte es zudem
keine besondere Freude bereiten, auch im Heiligen Lande nur als
Arbeiter unterkommen zu können. Da gilt es denn doch wohl als
ethisches Grundprinzip, daß eine Scheidung zwischen Herr und Knecht
im neuen Heim der Juden im Gelobten Lande der Väter, nicht be-
stehen darf .... Es sind das eben Reminiszenzen an amerikanische,
australische und argentinische Verhältnisse, wo aber der Unterschied
bestand, daß ganz große Landgebiete, ganze Kontinente der euro-
päischen Besiedlung offenstanden, dabei dann der anfänglich mittel-
lose Einwanderer durch Fleiß und Sparsamkeit sich allmählich so
viel erwerben konnte, daß er später selbst in die Klasse der selbst-
ständfgen Landwirte und Farmer aufsteigen konnte. Soll also jemand
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ein Interesse daran finden, als Arbeiter bezw. als Knecht auszuwandern,
sei es auch ins Heilige Land, so muß ihm auch die Möglichkeit des
Aufstiegs vor Augen geführt werden ; dies Ist aber bei den beSchränlcten
Verhältnissen Palästinas nicht mehr gut denkbar, wenn bereits fast
alles verfügbare Land im vornherein von den „6000 Franken- Ein-
wanderern" vorweggenommen ist.
Ich glaube daher, daß das vorherrschende Problem des Zionismus
darin besteht, festzustellen, ob nicht ganz große Volksmassen
in Palästina unterzubringen wären zu einem billigeren
Satze als 25.000 Franken für die Familie, bei weichem
Vermögensbetrag der russisch-polnische Jude in seiner Heimat
durchaus behaglich leben kann, nicht erst seinen Beruf, seine alten
Gewohnheiten vollständig aufgeben, hart arbeitender Bauer und Land-
arbeiter werden muß.
Meines Uraciitens ist dies vollkommen möglich, d. h. eine billige
Ansetzung von Millionenmassen in Palästina, sofern man dabei erstens
landwirtschaftliche Höchstkultur, ausgiebigste Anwendung von Ma-
schinen, intensivste Bodenkultur, künstliche Düngemittel, Hackkultur
künstliche Bewässerung ins Auge faßt. Dabei darf man allerdings
nicht einzelwirtschaftende Kolonisten, die. sich erst an harte Hände-
arbeit gewöhnen müssen, voraussetzen, sondern eine Zusammenfassung
der ebenen, insbesondere der der kOnstüchen Bewässerung zugänglichen
Flächen in intensive Großkulturen bezw. Großbetriebe, wobei der
Arbeitsbedarf ein verhältnismäßig geringer wäre und dadurch ein
bloßes Aufgebot von 1—2 Jahrgängen jugendlicher Altersklassen
gedeckt werden könnte. Die Grundvoraussetzung ist außerdem die
der Lebensmittel- und Faser- (Bekleidungs-) Stoff-Autarkie, d. h. also
die Ansetzung solcher Menschenmassen, daß für sie in den Groß-
betrieben gerade die notwendigen Lebensbedürfnisse erzeugt werden
können, dabei aber dann noch für eine jede anzusetzende Familie
besondere Gartenfamilienheime, daß aus diesen Familiengärten ein
nicht unbedeutender Zuschuß für eine behaglichere Lebensführung
und sogar far den Verkauf gewonnen werden kann. Die Wirtschafts-
verfassung ist dann als eine genossenschaftliche zu denken (Siedlungs-
genossenschaft im Sinne Oppenheimers), wobei dann der Unterschied
von Herr und Knecht außer Spiel bleibt. Die Bevölkerung ist als
in Gartenstädten, die durchaus als Kulturstätten gelten können,
oder wenn man will Industriedörfer (um den Ausdruck von
Davis Trietsch zu gebrauchen) untergebracht zu denken, wobei dann
die vollständige Vermählung von Stadt und Land erfolgt ist. Für die
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menschlichen Siedlungen die Aufhebung des Gegensatzes von Stadt
und Land» sind die gebirgigen und hügeligen Landesteiie als nicht
nur durchaus geeignet, sondern bevorzugt anzusehen, weil
hygienisch am einwandfreiesten, der Malaria am wenigsten ausgesetzt
Es Iflftt sich berechnen, daß allein die 300.000 ha an bewässerten
Talern und Ebenen mit doppelter Jahresernte uad 400.000 ha Hauran-
geldnde bei landwirtschaftlicher Hochkultur die Lebensmittel fflr eine
6 Millionenbevölkerung hervorbringen könnten, sofern man die Lebens-
haltung der Bevölkerung Deutschtands vor dem Kriege als Verteilungs-
mal5stab ins Auge fal5t. Ks bliebe dann, wenn man ganz Palästina
theoretisch sich als jüdisches Reservat denkt, das ganze Hügel- und
Gebirgsland für die menschliche Siedlung, die ^ Gartenstädte" und
»Industriedörfer" selbst übrig, so daß auf eine jede Familie bei dieser
maximalen Bevöikerungsdichtigkeit rund 1 ha = 4 preußische Morgen
Gartenland bezw. Baumland entfiele, worauf sehr gut auch noch Qe-
flOgel und 1 bis 2 Ziegen für den Bedarf an frischer Milch gehalten
und aus der Baumpflanzung und dem Gemüsebau so viel erzeugt
werden könnte, daß nicht nur der Bedarf der Familie an Obst und
Gemüse gedeckt, sondern auch noch für die Ausfuhr, den Verkauf
produziert werden könnte.
An die Gartenarbeit würden sich verhältnismäßig schnell auch
Leute gewöhnen, die früher leichte Handwerksarbeit verrichtet haben,
oder auch frühere Handelsbeflissene, sobald nur die schwierigsten
Arbeiten bei der Ansiedlung, die Anlage der Baumpflanzungen selbst,
für die im Kalkgebirge Baumlochsprengungen vorgenommen werden
müßten, vorausgetan sind : es ist heute nicht mehr erforderlich, die
Aushebung von Pflanzlöchern nach alter Väter Weise in harter Hände-
arbeit mittels der Picke des Bergmannes vorzunehmen, sondern da
werden die furchtbaren Zerstörungsmitteln des Krieges, die Todfeinde
der Menschheit, als Dynamit, Ekrasitusw. zu seinen besten Freunden.
Wohltätig ist nicht nur des Feuers Macht, sondern noch mehr die
der zerstörenden Sprengstoffe, sobald der Mensch sie für seine Kul.ur-
zwec'.<e benutzt. Allerdings ist die Anlage von Baumpflanzungen für
den Menschen auch so schwierig genug; es genügt in vielen Fällen
nicht das Ausheben von Pflanzlöchern, sondern es muß, wenn die
Pflanzen schnell und freudig anwachsen und bald Frucht bringen sollen,
das Beschaffen von fruchtbarer Erde aus den Tälern für die Pflanzen-
löcher eine durchaus wünschenswerte Arbeit sein. Aber auch dazu
ist £S nicht mehr notwfendig, nach der Väter Welse diese fruchtbare
Erde Iii Körben auf dem Rücken des Menschen oder in Säcken auf
46
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Eselsrücken die Berge hinauf zu transportieren, sondern eine. Draht-
seilbahnanlage tut es weit schneller und billiger ; d. b. es müßten
eben für die Qartenanlagen speziell geschulte Arbeiterkolonnen ge-t
bildet werden, die mit Hilfe modernster Technik, mittels Sprengungen
die Pflanzlöcher ausheben, und mittels verlegbarer Drahtseilbahnen
fruchtbare Erde aus den Tfllern, wo sie im Oberschusse vorhanden
ist, auf die Berge schaffen.
Auch tiie Aushebung von Brunnen und Errichtung einfacher
Hauschen gehört in die Reihe der V^orarbeiten. Die Anlage einer
ßaumpflanzung würde bei Anwendung aller Hilfsmittel der Technik
kaum mehr als 1000 Mark auf ein Hektar kosten, rechnen wir aber
<ioch, 1500 Mark. Es würden dafür etwa 100 Ölbäume, 100 Feigen-,
•ebensoviel Mandelbäume und 1000 RebstOcke angepflanzt werden, dazu
100 Aprikosen- und Pfirsichbäume, die das nordische Baumobst,
Äpfel und Birnen, ersetzen würden. (Orangen gedeihen nur in be-
wässerten Tiefebenen.)
Die Errichtung einfacher Häuser würde nebst Brunnen oder
Zisternen bezw. Wasserleitungsanlage für 1000 Mark zu bewerkstelligen
sein — man braucht ja im Süden für die vorläufige Unterbringung
der Ansiedler nicht so fest und teuer zu bauen wie im Norden, weil der
strenge Winter fehlt. Ein Gebäudekapital von 2000 Mark, wie es
Oettinger selbst für seine Arbeiterheimstätten vorsieht, ist entschieden
zu hoch dann, wenn man den Gebäuden einen bloß provisorischen
Charakter verleiht; ein durchaus annehmliches Haus ist nach den
Feststellungen des ausgezeichneten Palästinakenners Davis Trietsch
schon für 500 Mark zu errichten, und auf die Billigkeit der ersten
Anlage kommt alles an, wenn ein großzügiger Sledelungsplan gelingen
.soll. Unter Umständen aber, falls man annimmt, daß ehie Anzahl von
Familien sich das Mehr an verfeinerten Lebensbedürfnissen, daß über
die Lieferung von Nahrungsmitteln für die Lebensnotdurft hinausgeht,
durch industrielle Arbeit verdienen wollten, brauchten die Garten-
grundstücke nicht einmal 1 ha groß zu sein, sondern sie könnten
auf */4, ja ha herabgesetzt werden, wobei immer noch das für
•eine Familie benötigte Gemüse und selbst das besonders im Süden
40 erwünschte Obst erzeugt werden könnte ; unter der Voraussetzung
-eines gewissen Zuschusses an Luzerneheu könnte auch auf einem so
:kleiiien Grundstück (von Vt ha) noch eine 2Uege gehalten werden.
Das Entscheidende ist: wie sind die fruchtbaren Täler und
.Ebenen Jierzurichten, um den Lebensmittelbedarf für «ine so gFofie
^ediermasse (6 Millionen) zu liefern? Ich würde da etwa 500 hoch-
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moderne landwirtschaftliche Betriebe zu je 600 ha in den bewässer-
baren Tiefebenen und ebensoviel, aber von je 800 ha Fläche in der
Hauran-Hochebene vorschlagen. Ich rechne allein für die Anlagen-
für die künstliche Bewässerung in den 300.000 ha Tälern und Ebenen-
je 1000 Mark für 1 ha, well gleichzeitig eine ganze Reihe von Stau-
dämmen, Stauanlagen, Talsperren zu bauen sein wird,
' um auch im heißen Sommer genügende Wassermassen zu beschaffen.
Für die Hauran-Hochebene, wo man nur eine Jahresemte erwarten darf, .
gentigen 250 Mark für 1 ha zu schaffende Staubecken und Bewässerungs-
anlagen, weil es da nur eines geringen Zuschusses von vielleicht 50 bis
100 mm an Wasser zu dem ^^icht immer reichlichen Winterregen be-
darf. WMr kommen so auf 300,000. 1000 -f 400.000 . 250 400 Millionen
Mark für die Bewässerungsanlagen. Damit aber wären dann die Ernten
gegen etwaigen Ausfaü durch Dürren gesichert, Mißernten und damit
Hungersnotgefahr, die so oft im Altertum im Heiligen Lande vor-
kamen, wären beseitigt . . .
Die Stauanlagen könnten aber außerdem allein im Jordantal, auf
der Strecke vom Hule bis zum Tiberiassee und von da -bis zum Toten
Meer trotz des Wasserentzuges für die künstliche Bewässerung auf
400 m Fali zu je 50 Kubikmeter in der Sekunde gerechnet, 400 . 50 =
20.000 Sekundenkubikmeter liefern, die bei der Umwandlung in
Elektrizität abzüglich aller Reibungsverluste 200,000 Pferdestärken an-
elektrischer Energie ergeben würden. Damit könnte man nicht nur •
die Pflug-, Einfuhr-, Drescharbeit usw. in den landwirtschaftlichen
Großbetrieben leisten (Bedarf im Höchstfalle 60.000 bis 70.000 Pferde-
stärken), sondern auch alle Eisenbahnen, Trams betreiben, für die
elektrische Beleuchtung sorgen, ja voraussichtlich noch Kraft für
Industrielle Betriebe und selbst für den Küchenbedarf. Dabei sind er--
hebliche Ernten erzielbar. Bei Trietscb (»Palästina-Handbuch*, Berlin
1912, und »Jüdische Emanzipation und Kolonisation', Berlin 1917),
sind zahlreiche Rentabilitäten, besonders des Gartenbaues, nachge-
wiesen, die einem sehr reichlichen Einkommen aus einem Hektar Land .
entsprechen.
Es sind aber noch andere Flüsse vorhanden, z. B. der Litani
im Norden Palästinas, die bedeutende Energiemengen abgeben,
könnten.
Was soll und was kann auf den tausend Großbetrieben produ-
ziert werden? Ich rechne für die ao.OOO ha zu bewässernden Täler
und Tiefebenen im Winter eine Bestellung je zur Hälfte mit WehceiL.
und Gerste, den Ertrag zu je 3000 kg Körner per Hektar. Das ist:
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allerdings das Fünffache der heutigen Getreideernten in Palästina»
aber nur das eineinhalb bis zweifache des deutschen Durchschnittes»
ein Betrag, der fiir fruchtbare und fruchtbarste Böden bei guter
Bodenbearbeitung und reichlicher Düngung und Bewässerung keines-
falls als zu hoch anzusetzen ist, sondern eher noch gesteigert werden
kann. Sind doch in Deutschland auf der Versuchswirtschaft Lauch-
städt — allerdings auf sehr fruchtbarem Boden — im zehnjährigen
Durchschnitt 4000 kg Weizen per Hektar erzeugt worden. Für den
Sommer rechne ich mit einer Bestellung von 20.000 ha mit der öl- und
eiweißreichen Sojabohne, die zugleich als Stickstoffsaramler dienen
würde. Auch da können 3000 kg Ertrag per Hektar angenommen
werden. 50.000 ha könnten im Sommer im Jordantale mit Baum-
wolle, 50.000 ha mit Reis bestellt werden. An Baumwolle (nach
ägyptischem Durchschnitt) könnten etwa 600 kg Baumwollfaser und
1000 kg Samen gewonnen werden, zusammen also 30 Millionen kg
Baumwolle, was für eine Sechsmillionen-Bevölkerung völlig reichte.
Die 50.000 ha Reisland könnten je 3000 kg an geschältem Reis
zusammen also 150 Millionen oder 25 kg auf den Kopf liefern. Eine
zusätzliche Fläche von etwa 20.000 ha im unteren Jordantal könnte
mit Zuckerrohr bepflanzt werden, wodurch sich bei 18 monatlicher
Wachstumperiode und 15.000 kg Zucker auf 1 ha, ein durchaus
möglicher Ertrag, der auf einer Anzahl Pflanzungen erheblich über-
troffen wird, 200 Millionen kg Zucker » 33,3 kg auf den Kopf ei^
geben. Für den Hauran rechnen wir nur mit einer Bestellung von
200.000 ha mit Welzen und ebensoviel mit Luzerne zwecks Fütterung
von Rindvieh und Schafen, 200.000 ha zu 3000 kg~ 3 Tonnen würden
600 Millionen kg Welzen ergeben, 150.000 ha Bewässerungsland
weitere 450 Millionen Kilogramm. Man hätte so 1050 Millionen kg
Weizen, gleich 1050:6=175 kg auf den Kopf. Das ist fiir den Brot-
bedarf sehr reichlich: es würden dabei neben 150 kg für Brot noch
reichlich 25 kg für Makkaroni abfallen und mindestens 300 Millionen
Kleie zur Vieh- und Geflügelfütterung auf den gartenstädtischen Grund-
stücken.
An sonstigem Viehfutter stünden zur Verfügung 450 Millionen
kg Gerste, 600 Millionen Sojabohnen, 50 A/lillionen kg Reisabfälle
und 30 Millionen kg Baumwollsaatkuchen. Aus dem Gesamtbetrage
an Viehfutter von 1410 Millionen kg können nach der gewöhnlichen
Berechnung etwa Vs ^ 282 Millionen Kilogramm an Fleisch, Geflügel
und Eiern erzeugt werden, also 282 : 6 « 47 kg auf den Kopf im
Jahre. Das ist aber noch nicht der gesamte Fleischertrag: mit den
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2ÜU0 Millionen kg Luzerncheu aus dem Hauran lassen sich 2Ü0.00O
Milchkühe und 2' Millionen Schafe reichlich ernähren. Die Kühe
würden bei nur 3000 kg Milchertrag mindestens je 100 kg Butter,
zusammen also 20 Millionen kg oder 33,3 kg Butter auf den Kopf »
640 g pro Kopf und Woche liefern, dazu die dreifaclie Menge an
Magerkäse und Molken fUr Kleintierfütterung. Es könnten jätirlich
mindestens 30.000 Kühe im Qewiclit von 300 kg, 150.000 Kälber
Im Gewicht von 40 kg geschlachtet werden, die zusammen einen
Fleischzuschuß von 15 Millionen kg = 2^^ kg pru Kopf und Jahr
liefern würden. Die Schafzucht würde den gleichen Fleischzuschuß
liefern, dazu aber wohl 1,6 — 2 kg an („gewaschener" fabrikations-
reifer) Wolle, zusammen 4 -5 Millionen kg Wolle = % — kg auf
den Kopf, ein Quantum, das zwar etwas geringer ist, als der Eigen-
konsum des deutschen Volkes vor dem Kriege, der mit etwa 1 kg auf den
Kopf zu berechnen war, jedoch in Anbetracht des wärmeren Klimas noch
als reichlich angesehen werden kann. Die gesamte Fleisch- und Eier-
produktion würde sich auf rund 52 kg auf den Kopf im Jahre »
2 Pfund pro Kopf und Woche stellen. Wenn man das mit unserer heutigen
»Kriegsration" vergleicht, leuchtet der Vorzug ein.^) Für den Bedarf
der Zugtiere ist kein Futter vorgesehen, weil solche bei moderner
Hochkultur völlig durch Maschinen, Autopflüge und Autowagen er-
setzt werden können!
Der Arbeiterbedarf würde sich pro Großbetrieb (ich kann die
genaue Berechnung hier nicht anführen) nicht höher stellen als auf
60 --80 Personen, zusammen also 60.000—80.000, dazu vielleicht die-
selbe Anzahl für eine achtwöchige Hackperiode. Ein einziger Jahrgang
an 18 jährigen Jünglingen würde sich bei einer 6-Millionen-Bevölkerung
auf mindestens 55—60.000 stellen.
Es ist klar und war von vornherein angedeutet, daß so hohe
Jahresrenten, wie wir sie hier angenommen haben, eine starke
Düngeraufwendung erfordern, und zwar rechnen wir, abgesehen
vom Stalldünger, für die 550.000 ha Getreidefrüchte (Weizen, Gerste,
Reis), 50.000 ha Baumwolle und 20.000 ha Zuckerrohr je 250 kg
Superphosphat, ebensoviel Ammoniak und je 160 kg 40 ^ oi^es Kali-
salz auf 1 ha. Das macht aus rund 155.000 t Ammoniak, ebensoviel
*) Diese Ration wäre für das Klima Palästinas eher noch zu reichlich.
Es dürfte vielleicht schon die Hfllfte oder Vs genügen. Oberhaupt ist ja das
Nahrungsbedflrfnis In diesen warmen Ländern geringer als in der gemäßig-
ten Zone.
SO
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'.Superphosphat und 96.000 t KaKsalz. Die 200.000 ha Luzerne und
.200.000 ha Sojabohnen erfordern je 250 kg Superphosphat und eben-
soviel Kalisalz, den stickstoffhaltigen Ammoniak können sie entbehren.
Wir haben so' einen Qesamtbedarf von rund V4 Mill. Tonnen Super-
.phosphat und 200.000 t Kalisalz» für die wir als Friedenspreise je
^60 bezw. 64 Mark für die Tonne einsetzen können, zusammen also
J5 + 12,8 Mill Mark. Die 150.000 t Ammoniak kosteten im Frieden
je 270 Mark die Tonne, zusammen also 40,5 Mill. Mark. Wir kommen
so auf einen Friedenspreis von 15 + 12,8 4- 40,5 -}- 68,3 A\ill. Mark
Dazu kommt noch die Fracht mit mindestens 6 Mark die Tonne
izusammen also mit rund 3,6 Mill. Mark.
Es fragt sich nun freilich, wie weit können diese Kunstdünger-
■ ^ehgen in Palästina selbst erzeugt werden, inwieweit können also
<labei Ausgaben und Fracht gespart werden. Bei Ammoniak ist das
«ohne weiteres der Fall; da kann eine Tonne beim Haberverfahren
zu 110 Mark erzeugt werden. Es sind dazu Anlagen im Werte von
<60 Mill. Mark zu errichten, eine ständige Elektrizitätsmenge von
4nindestens 30.000 Kilowatt, die man den Flußläufen entnehmen
könnte, aufzuwenden. Jedenfalls ließen sich so die Ausgaben von
40,5 auf einige 16,5 Mill. Mark herabsetzen. Durch gute Konser-
vierung des Stalldüngers, insbesondere der Jauche, ließe sich an!;»er-
«dem der Stickstoffdüngerbedart für die Folgezeit noch herabsetzen.
Was das Superphosphat anlangt, so dürften schon die im Ostjordan-
land von dem deutschen Geologen Blanckenhorn entdeckten Phos-
phatlager für mindestens 10 Jahre reichen, sofern nur die nötige
Schwefelsäure eingeführt werden kann. Auch da dürften sich die Un-
Icosten um ein Drittel verringern. Und was das Kalisalz anlangt, so
ist das Wasser des Toten Meeres ungemein kalireich: es enthält
Aach einer Reihe von Analysen in den 22 % Gesamtsalzgehalt etwa
1,3—1,6, im Mittel wohl iVjVo Chlorkali. Wird nun die Hälfte des
Jordanwassers oder noch besser das ganze Jordanwasser für die
künstliche Bewässerung verwendet, so würde naturgemäß der Spiegel
■des Toten Meeres allmählich immer mehr einschrumpfen, die schweren
Salze, die Magnesia-, Gips-, Kochsalzverbindungen würden sich auf
dem Grunde des Sees ausscheiden und es würde eine stark mit
Chlorkali gesättigte Lösung übrig bleiben, die man je nachdem in
J)esonderen großen Salzgärten eintrocknen lassen oder auch direkt
Aüf Fässer fallen und ins Land verschicken könnte. Jedenfalls käme
«0 das Kali billiger als beim Bezüge aus Deutschland. Das Tote Meer
ihat etwa 915 km^ Fläche und im Mittel wohl Ober 100—150 (in der
4*
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Mitte 400) m Tiefe. Wir können danach den Ge&amtgehalt an Chlor-
kali im Toten Meer wohl zu über 15 Mill. Tonnen ansetzen, ent-
sprechend etwa 6000 Mill. Tonnen an 12— 13Vo Kainit Die nord-
deutschen Kalisalzlager sollen alles in allem auch nicht mehr als.
10.000 MilL Tonnen an Kainit und Karnallit enthalten I Es ist also*
im Toten Meer gewissermaßen ein gewaltiges chemisches Labora-
torium vorhanden mit ungeheuren Vorräten an Kali, Kochsalz, Brom,.
Jod, in der Tiefe wohl auch an Asphalt und vermuthch selbst Erd-
öl. Also auch die industrielle Zukunft Palästinas steht auf recht tauten-
Grundlagen, zu dem es nach den neueren Berichten auch Stein- und.
Braunkohlenlager besitzt.
Fassen wir nach allem bisher Gesagten die Gesamtausgabea
für die Großbetriebe zusammen, so ist zu bemerken, daß noch' ia
Betracht kommen die Ausgaben für Vi Mill. Kälber, die mit 2% Jahren
Milchkühe werden und etwa 1 Mill. Lämmern mit etwa rund 40 MilL
Mark. Die Sämereien erfordern etwa 30 MilL Mark, das Betriebs-
kapital für Kunstdünger und Unterhalt bis zur ersten Ernte 100 i-
80 180 Mill. Mark, die Ausgaben für Bauten und Inventar etwa
120 Mill., insgesamt mit 400 Mill. für die künstliche Bewässerung^
890 bezw. 900 Mill , oder sagen wir selbst eine volle Milliarde Mark.
Nehmen wir nun an, daß die Auslagen für den Ankauf von Grund
und Boden volle 500 Mill. Mark betraj^en, um ja nicht Anlaß zu
Klagen bei den arabische.i Großgrundbesitzern und den Fcllahs za
geben, so bekommen wir einschließlich der Unkosten für die Garten-
und Hausanlagen, die allein bei 1,2 Millionen Haushalten zu je
2500 Mark zusammen 3 Milliarden Mark betragen, auf etwa 3000*
+ 1000 (Großbetriebe) 4- 500 (Grunderwerb) 4500 Millionea
Mark. Dazu kämen noch einige Hundert Millionen für Eisenbahnen,.
Hafenbauten, öffentliche Gebäude usw. Es kommt so allerdings bei
einem solchen zionistischen' Maximalprogramm eine Summe von fast
4,8—5 Milliarden Mark heraus, ein Betrag, den aufzuwenden und
aufzubringen man vor dem Kriege als hirnverbrannte Utopie ange-
sehen hätte. Allein wir sind neuerdings gewohnt, mit Milliarden zu
rechnen und zudem kommt in Betracht, daß die Werte in ganzen.
Volkswirtschaften zur Zeit so wie so 5000 und mehr Mark auf den
Kopf ausmachen, so daß ein Betrag von 800 Mark auf den Kopt
uns keineswegs erschrecken kann.
52
ju,..jd by
t>R. flRTCJR RUPPIN (JAFFfl-PALÄSTINn) :
EXISTENZnÖQLICMKEITEN IN
PALÄSTINA. ')
m Palästina zu einer nationalen Heimstätte für das iiuHscIie
Volk zu machen, ist es erforderlich, daß die Juden dort
möglichst schnell die Mehrheit der Bevölkerung bilden.
Palästina hat zur Zeit neben 90 000 Juden eine niclitjüdische
Bevölkerung von ungefähr 800 000 Seelen. Bisher war die natürliche
Zunahme dieser nichtjüdischen Bevölkerung trotz einer hohen Geburten-
ziffer infolge großer Säuglingssterblichkeit eine sehr geringe. Wenn
:slch auch in der Zukunft durch verbesserte hygienische Einrichtungen,
-Virelche die jüdische Kolonisation dem ganzen Lande bringen soll,
die Säuglingssterblichkeit verringern "wird, so wird diese Verringerung
doch nicht sprungweise, sondern nur allmählich eintreten. Es ist nicht
anzunehmen, daß die natürliche Zunahme l" ,, jährlich überschreitet,
so daß es etwa 25 Jahre dauern würde, bis die nichtjüdische Be-
völkerung 1 Million erreicht. Eine erhebliche Vermehrung der nicht-
jüdischen Bevölkerung durch Zuwanderung ist nicht wahr-
scheinlich. Die Bewohner der Nachbargebiete Palästinas, insbesondere
«des Libanon und Nordsyriens, haben während des Kiieges durch
Verluste auf dem Schlachtfelde, durch Hungersnot und Seuchen große
Einbußen erlitten. So soll die besonders hart geprüfte Bevölkerung
des Libanon, die am meisten zur Auswanderung neigt, während des
Krieges von 400 000 Seelen auf 250 000 reduziert worden sein und
wird auf Jahrzehnte hinaus kaum noch Auswanderer abgeben. Hier/u
kommt noch, daß die in Aussicht stehende Ncucrschlielking Mesopo-
tamiens durch die Ausführung der großen Wilcockschen Bewässerungs-
projekte dieses Land, das jetzt von Menschen fast entblößt ist und
in dem bewässerter Boden zu ganz niedrigen Freisen erhältlich ist,
.zu einem Einwanderungslande ersten Ranges machen wird. Palästina
ivird — > schon infolge seiner höheren Bodenpreise und infolge der
viel größeren technischen Schwierigkeiten der Bewässerung — sich
jnit Mesopotamien als Einwanderungsland für landwirtschaftliche Ein-
wanderer aus dem Orient nicht messen können. Unter diesen Um-
.ständen wird durch Einwanderung die Zahl der nichtjüdischen Be-
') Siehe Dr. Artur Ru p p i n : »Der Aufbau des Landes Israel**. (Jüd.
Verlag, Berlin 1919.)
uyiu^cd by VjOOgle
vOlkerung Palästinas kaum eine Erhöhung erfahren, und wir werdem
davon ausgehen können, daß in den nächsten 20 bis 30 Jahren die
nichtjUdische Bevölkerung nicht über 1 Million betragen wird. Wollenr
wir also eine jüdische Majorität im Lande haben, so müssen
wir die Zahl der Juden in Palästina möglichst bald auf mehr als eine
Million bringen. Natürlich wird es sich dabei nicht nur darum handeln^
diese Bevölkerung dort vorübergehend hinzuschaffen und etwa von-
den Juden der übrigen Welt durch Unterstützung ernähren zu lassen^
sondern sie in solche wirtschaftliche Bedingungen zu bringen, daß>
sie dauernd aus Ihrer eigenen Arbeit ihre Existenz ziehen kann.
Wenn wir prüfen wollen, welche Berufe den Juden in Palästina:
in Zukunft eine Existenzmöglichkeit geben können, so stoßen wir dabe^
auf die Schwierigkeit, daß die ökonomische Entwicklung Palästinas-
vor dem Kriege sehr niedrig war, daß die Juden nur in sehr wenigen^
Berufen tätig waren, und daß wir also, wenn wir die wirtschaftliche-
Zukunft aufbauen wollen, nicht die Möglichkeit haben, uns auf sichere-
Erfahrungen der Vergangenheit zu stützen. Nur soweit die Land-
wirtschaft in Betracht kommt, betrtten wir einigermaßen festen Boden.-
Dagegen liegt die Frage, ob und welche industrieen in Palästina lebens-
fähig sein werden, noch sehr im Dunkeln. Wir wollen im folgendeii,
die einzelnen Zweige der Volkswirtschaft und thre Bedeutung für die-
wirtschaftliche Fundierung der zukünftigen jüdischen Bevölkerung;
einzeln durchgehen.
I. Landwirtschaft.
Es ist kein Zufall, daß die ersten jüdischen Pioniere, die vor*
einem Menschenalter zur Besiedlung Palästinas auszogen, sich fast
ausnahmslos der Landwirtschaft zuwandten. Wie schon 1861 einer
der ersten Verkünder der Zionsidee, Hirsch Kalischer, in seinem Buche*
„Drischath Zion" die Landwirtschaft als die hauptsächlichste Beschäf-
tigung der neuen Einwanderer empfohlen hatte, so glaubten 20 jahre-
später die ersten Pioniere, nur durch die Rückkehr zur Landwirtschaft
die Grundlage zu der Erneuerung des ganzen jüdischen Lebens, die;
sie erstrebten, legen zu können. Sie waren überzeugt, daß nur die?
landwirtschaftliche Arbeit die Schäden des langen Ohettolebens heilem
und auf der Grundlage neuer wirtschaftlicher Verhältnisse eine körper-
liche und geistige Regeneration ermöglichen könne. Hier wurde also«
die Landwirtschaft deshalb an die erste Stelle gerückt, weil man voik
ihr körperliche Gesundung und Abkehr vom Händlergeiste erwartete^
54
Digitized by Google
Aber neben diesen mehr gefühlsmäßigen lassen sich auch ge-
wichtige wirtschaftliche Gründe dafür beibringen, daß ohne das Vor-
y^iegen der landwirtschaftlichen Kolonisation die Bildung eines na-
tionalen jüdischen Gemeinwesens unmöglich ist. Nur durch land-
wirtschaftliche Niederlassungen können die Juden überall im
Lande Ful5 fassen und dem ganzen Lande ein jüdisches Gesicht
geben. Das ist ja gerade der Vorzug der Landwirtschaft, daß sie viel
Raum braucht und das ganze Land erfaßt, während die Industrie im
Gegensatz hierzu wenig Platz nötig hat und sich mit Vorliebe an
wenigen volkreichen Orten zusammendrängt. Ohne eine breite land-
wirtschaftliche Basis der Kolonisation würden wir immer nur zu jüdi-
schen Enklaven in einem arabischen Palästina» niemals aber zu einem
jüdischen Palästina kommen.
Ein anderer wichtiger Grund für die Notwendigkeit einer breiten
landwirtschafth'chen Grundlage der Kolonisation ist der folgende :
Nach ihrer jetzigen beruflichen Schichtung, wonach die Mehrzahl
aller jüdischen Erwerbstätigen, Händler sind, können die Juden nie
geschlossen unter sich, sondern nur zerstreut als kleine Minderheit
unter einer erdrückenden Mehrheit von Nicht] uden leben, denn jeder
Händler braucht neben sich eine viel größere Zahl von Personen, die
nicht Händler, sondern Produzenten sind, deren Ackerbau- und
Industrieprodukte er vertreiben und deren Bedürfnisse als Konsumenten
er befriedigen kann. Nun bietet zwar der internationale Zwischen-
handel die Möglichkeit, auch die Produkte ferner Länder, nicht nur
die des eigenen Landes zu vertreiben. Aber selbst wenn man davon
absieht, daß Palästina bisher am internationalen Zwischenhandel gar
nicht teilnimmt und seine Eignung dafür infolge seiner Lage abseits
von den bisherigen Weltverkehrsstraßen auch in Zukunft fraglich
bleibt, so muß berücksichtigt werden, daß sogar bei den am inter-
nationalen Handel meistbeteiligten Völkern, den Holländern und
Engländern, nur 18,2 % bezw. 25,9% aller Erwerbstätigen im Handel
und Verkehr beschäftigt sind. In Deutschland beträgt dieser Prozent-
satz nur 12,4, in Osterreich 8,8, in Italien 7,4. Man kann deshalb
mit Grund sagen, daß in einem jüdischen Gemeinwesen, das eine
gesunde ökonomische Grundlage haben soll, nicht mehr als höchstens
10% aller Erwerbstätigen dem Handelsstande^ angehören dürfen.
Rechnet man weiter, daß die kleineren Berufsgruppen (Dienstboten,
Beamte, Arzte, Lehrer usw.), die in Deutschland i2,4", o> in Frank-
reich 11,3%, in Österreich 10®'o, in Italien 8,7%» aller Erwerbs-
tätigen ausmachen, in dem zukünftigen jüdischen Gemeinwesen
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auch etwa 10 " „ betragen w erden, su er.ijibt sich, dal;'> 80"/,, der
Erwerbstätigen den übrigen beiden gr(»|jeren Berul\^kate.L;orien,
nämlich in Landwirtsciiaft un^l Industrie (Großindustrie und Handwerk)
beschäftigt sein müssen. Hiervon muli der gröljere Teil auf die Land-
wirtschaft entfallen. Denn wenn auch bei der Besiedlung Palästinas
von vornherein auf die Einführung von Industrie mit allem Nachdruck
hingewirkt werden muß, so lehrt doch die Erfahrung aller Länder,
die im 19. Jahrhundert den Prozeß der Industrialisierung durchgemacht
haben, daß die Einbürgerung von Industrie in einem rein agrikolen
Lande, wie es Palästina ist, nur schrittweise vor sich gehen kann
und von Fehlschlägen und Rückschlägen nicht verschont bleibt. Der
Anteil von Landwirtschaft einerseits, Industrie andererseits an der
aller Erwerbstätigen ist:
Landwirtschaft
Industrie
in Ungarn
69,7^0
13.6%
in Osterreich • • • . .
56,9%
24,3%
In Italien
59,4'Vo
24,5%
in Frankreich • . . . «
42.7-» 0
31.7" 0
in den Ntederianden • . .
28,3** 0
34,6'Vo
in Deutschland • • , • •
35,2"/o
40,0" „
in Belgien . . . • . .
21,1%
41,6" 0
in der Schweiz . • • . •
30,9%
44,9'- ,
in England und Wales «
8,5%
46,9Vo
Wenn wir also für ein jüdisches Gemeinwesen in Palästina eine Be-
schäfiigun.; von 30*',, aller Erwerbstätigen in der Indublrie als zu-
lässig und möglich bezeichnen, so würde dies bereits eine höhere
industrielle EntwickhiiiL; bedeuten, als sie Ungarn. Österreich und
Italien haben, und würde fast schon der industriellen Entwicklungs-
stufe von Frankreich und Holland entsprechen. Somit würden wir zum
Resultat kommen, daß mindestens 50 *7o der Erwerbstätigen in einem
jüdischen Gemeinwesen ihrem Berufe nach der Landwirtschaft an-
gehören müssen.
Ein letzter Grund für die Notwendigkeit, der Landwirfschaft In
unserem Kolontsationsplane die erste Stelle einzuräumen, beruht auf
der Erfahrung der bisherigen Kolonisation, daf^ die landwirtschaftliche
Kolonisation die sicherste Grundlage und Stütze für die Existenz einer
jüdischen Bevölkerung in den benachbarten Städten ist.
Die landwirtschaftliche Kolonisation basieren wir vorwiegend
auf den Pflanzungsbau und Gartenbau. Erstens sind die jüdischen
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Einwanderer für diesen, weil er niclit so schwere körperliche Arbeit
erfordert, besser geeignet als far den Getreidebau, zweitens ist
Palästina nach Klima und Bodenbeschaffenheit viel mehr Garten- als
Getreideland, drittens ist die Rentabilität des Pflanzungsbaus in den
jüdischen Kolonien bereits erwiesen, die des Getreidebaus noch zweifel-
haft. Fraglich könnte nur sein, ob auch dann, wenn durch die Zu-
nahme der Pflanzungen die Menge der Pflanzungsprodukte stark
steigt, der Absatz gesichert ist. Wir glauben, diese Frage bejahen
zu können, hauptsächlich deshalb, weil durch die neue Eisenbahn-
verbindung Palästinas mit Ägypten und Damaskus — Aleppo in diesen
-Gebieten ein neuer großer Markt erschlossen ist, wie sich dies für
•die Orangen schon während des Krieges gezeigt hat Auch Tafel-
trauben und Aprikosen, die wegen ihrer schnellen Verderblich-
keit bisher auf den lokalen Markt angewiesen waren, werden mit
der Eisenbahn leicht nach Ägypten und Syrien versandt werden
können. In Ägypten waren sie, weil diese Obstsorten dort nicht so
gut gedeihen, schon bisher S;:hr gesucht, und in Damaskus und Aleppo
werden sie deshalb einen guten Markt haben, weil sie in Palästina
viel früher reifen als in Nordsyrien. Unsicher bleibt, ob bei einer
.:großen Ausdehnung der Mandel pflanzungen die Mandeln weiter zu
80 guten Preisen wie bisher sich werden absetzen lassen; hier ist
•eine gewisse Vorsicht am Platze. Dagegen werden Oliven bei dem
bekannten „Fetthunger" der Welt in absehbarer Zeit immer ein ge-
:suchter Artikel bleiben. Auch für GemOse wird teils im Lande selbst,
teils (besonders fttr Frühgemfise aus der Kflstenebene und dem Jordan-
tal) in Nordsyrien und Europa immer lohnender Absatz sein.
3. Handel, Handwerk nud In dustrie für Inlandsbedarf.
Durch den Bau neuer, jüdischer Stadtviertel werden, wie wir
es im Falle von Teil Awlw gesehen haben, für eine große Zahl von
Bauhandwerkern und verwandten Gewerben Arbeitsmöglichkeiten
geschaffen. Da die In Palästina vorhandenen jüdischen Bauhand-
werker (Maurer, Tischler, Klempner, Schlosser, Tüncher, Glaser) für
größere Bauuntemehmungen nicht ausreichen, so müssen solche Bau-
:handwerker in Osteuropa rechtzeitig auf die sich ihnen hier bietenden
Verdienstmöglichkeiten hingewiesen werden.
Außer diesen Bauhandwerkern und sonstigen Handwerkern für
lokalen Bedarf (Schneider, Schuster, Bäcker, Fleischer, Böttcher,
Barbiere ujw.) haben all diejenigen Industrien gute Aussichten:
1. welche Baumaterial produzieren, z. B.
Zementfabriken,
Ziegeleien (Kalksandziegel, Lehm- und Tonziegel),
Fliesenfabriken (aus Zement und Sand oder aus Xylolith^
wofar Magnesium aus dem Wasser des Toten Meeres zih
gewinnen wäre),
große Bautischlereien (für Türen, Fenster etc.) ;
2. in welchen die Juden in Osteuropa bereits als Unternehmef
und Arbeiter heimisch sind, nämlich
Bekleidungs- (Konfektions-) und Schuhindustrie,
Druckereien, besonders für jüdische Gebetbücher und alier
Arten von Kalendern,
Wollwäschereien, Woll- und Baumwoll- Spinnereien undi
Webereien,
große Möbeltischlereien,
Sattlereien zur Herstellung von Pferdegeschirren und Polstenv
Herstellung von Uhren (nach Schweizer Muster),
Erzeugung von Schmucksachen etc. aus Gold und Silber-
sowie von sonstigen kunstgewerblichen Gegenständen,
Kartonage-lndustrie (im Zusammenhang mit der Versendung.
von Edelobst nach Art der Versendung der Smyrna-
Feigen) ;
3. welche Landesprodukte verarbeiten oder konservieren, z.
Mahl- und Graupenmühlen, Makkaroni- und Stärkefabriken».
Fischkonservenfabriken (zugleich mit Hebung der Fischerei)^
Gemüse- und Fruchtkonservenfabriken,
Ölmühlen (Oliven-, Sesam-, Rizinus-, BaumwoUsaatöl),
Zuckerfabriken (Rohr- und Rübenzucker),
Brennereien (Rohstoff: Durra oder Johannisbrot),
Gerbereien,
Knochen Verarbeitung (zur Herstellung von Leim, Fett, Knochen-
mehl),
Fabriken zur Extraktion ätherischer öle (Thymian-, Gera-
nium-, Mifflosenöl),
Herstellung von Tongefäßen,
Seidenspinnerei (im Anschluß an Seidenraupenzucht),
Tabakindustrie ;
4. welche landwirtschaftliche Maschinen, Gerate, Pumpen, Wagen».
Eisenbettstellen, Ei»- und Kassenschranke herstellen oder
reparieren.
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Von den oben genannten tndustrieen kommt eine besondere
Wichtigkeit der Konfektionsindustrie, d. h. [der Herstellung fertiger
Kleidung für Mflnner und Frauen, zu. Sie war es, die zum allergrößten .
Teile den mehr als 2 Millionen osteuropäischer Juden, die seit dem
Jahre 1882 nach Amerika einwanderten, eine Existenzmöglichkeit schuf.
Es ist wahr, daß die Konfektionsindustrie in Amerika die Form der
Schwitzarbeit annahm und in dieser rückständigen Form den jüdischen
Arbeiter in ungünstige hygienische Bedingungen setzte und der Profit-
sucht des Unternehmers auslieferte. Aber diese Form kann geändert
werden, ohne daß die Konkurrenzfähigkeit der Industrie darunter zu
leiden braucht. Was in Newyork den jüdischen Arbeiter in die Schwitz-
werkstatten hineintrieb, ist die außerordentlich teure Miete und Ein-
richtung, welche nur dem kapitalkräftigen Unternehmer die Eröffnung
einer solchen Werkstatt ermöglicht In Palästina kann durch die Boden-
politik des J. N. F. und durch Förderung des kooperativen Zusammen-
schlusses der Arbeiter dieses Hindernis fast ganz beseitigt werden. Die
Schwierigkeit, die sich dann der Konfektionsindustrie noch in den
Weg stellt, liegt auf einem anderen Gebiete, nämlich in der Billigkeit
der europäischen Konkurrenz. Der ägyptische und der syrische Markt,
für den eine Konfektionsindustrie in Palästina in erster Linie zu
arbeiten hätte, wird nämlich von den Zentren der deutschen (Berlin)
und österreichischen (Prosnitz) Konfektionsindustrie zu sehr billigen
Preisen mit den Waren versorgt, die fOr den europäischen Markt
unmodern geworden sind, aber fQr den Orient mit seinen geringeren
Ansprachen auf neuesten Schnitt noch gangbar sind. Es ist möglich,
daß dieser Umstand die Entwicklung einer Konfektionsindustrie im
Anfange erschwert. Ein unüberwindliches Hindernis ist es aber nicht
und bei der Wichtigkeit dieses Industriezweiges muß jedenfalls alles
versucht werden, um ihn in F^aiästina zu entwickeln und den syrischen
und ägyptischen Markt für eine jüdische Konfektionsindustrie in
Palästina zu erobern.
Das gleiche gilt auch für die Anfertigung von Schuhen (und
Mützen), die ebenfalls durch die initiative der osteuropäischen jüdi-
schen Einwanderer in Amerika zu gewaltigen Industriezweigen an-
gewachsen ^hid. Bisher werden Schuhe in Palästina nur handwerks-
mäßig fOr die einzelnen Kunden gearbeitet Fertige Schuhe wurden
ausschließlich vom Auslande eingeführt; obwohl es im Lande selbst
an Hfluten und Leder (allerdings bisher nur geringerer Qualität) nicht
mangelt.
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tiine Industrie, iii welcher der jüdische Arbeiter fast eine Art
von Monopol hat, und in welcher Arbeitslöhne von ungewöhnlicher
Höhe gezahlt werden, ist die Diamantschleiferei, die in Amsterdam
und Antwerpen ihre Zentren hat. In dieser Industrie werden an die
Intelligenz der Arbeiter besonders hohe Ansprache gestellt, und der
jüdische Arbeiter findet deshalb hier ein geeignetes Betätigungsfeld
vor. Kurz vor Ausbruch des Weltkrieges waren seitens belgischer
Industrieller Vorbereitungen im Gange, einen Versuch mit Einführung
der Diamantschleiferei in Palästina zu machen. Es ist wahr, daß
dieser Versuch von anderen Industriellen dieser Branche skeptisch
beurteilt wurtie, weil Antwerpen und Amsterdam in der Erlangung
des Rohmaterials groüi Vorteile vor Palästina voraus haben, und die
Organisation der Diamantarbeiier in Belgien der Eröffnunc^ neuer
Arbeitszentren ^roße Schwieriglceiten ^nachen könnte. Immerhin sind
die vorgebrachten Einwendungen nicht so schlagend, daß nicht ein
Versuch unternommen werden sollte, diesen Industriezweig nach
Palästina zu verpflanzen.
Die Handwerker werden in den meisten Fällen gut tun, sich
zu Handwerksgenossenschaften zu vereinigen. Die Entstehung einer
Großindustrie könnte dadurch erleichtert werden, daß nicht jeder
Industrielle für sich allein sein Heil versucht, sondern daß eine größere
Anzahl von kapitalkräftigen und berufstiicliligen großindusiriellen
Unternehiiiern verschiedener Industriezweige sich zu einem Industrie-
verband zusammenschließen. Dieser \'erband könnte für seine Mit-
glieder gemeinsam ein großes Terrain in der Nähe eines Hafens
erwerben und das Terrain durch Herstellung einer Verbindung
zum Hafen und zur Eisenbahn, duich Beschaffung von Wasser, Licht
und Kraft, durch Bereitstellung von Boden für Arbeitersiedlungen,
durch Einrichtung eines ärzlichen Dienstes usw. für die Anlage eines
Industriedorfes vorbereiten. Die gemeinsame Vorbereitung
würde sicheriich billiger und technisch besser gemacht werden
können, als es dem einzelnen Unternehmer möglich ist. Außerdem
würden die Arbeiter bei Arbeitsstockung in einem anderen Betriebe
arbeiten können.
Der Bau eigener Stadtviertel wird eine große Anzahl von Ver-
kehrs- und Installationsunternehmungen ins Leben
rufen. Die Pflasterung der Straßen, die Wasserleitungen, die Kanaii-
sationsanlagen« die Ausnützung der von einer Überlandszentrale ge-*
lieferten Elektrizität zum Antrieb von Maschinen und zu Koch- und
Beleuchtungszwecken, die Eröffnung von elektrischen Straßenbahnen
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und die Errichtung von Telephonanlagen werden zahlreichen Unter-
nehmern und Arbeitern Beschäftigung verschaffen.
Auch der Handel wird im Zusammenhange mit der Verbesserung
der Verkehrsmittel durch den Bau von Häfen, Eisenbahnen nnd Tele-
phonanlagen sowie durch den wachsenden Export und Import der
Kolonien einen Aufschwung nehmen. Lagerhäuser werden in den
Häfen und Eisenbahnknotenpunkten notwendig sein, ebenso Schiffs-
linien mit besonderen Einrichtungen (Kühlräumen) für den Transport
der leicht verderblichen Früchte und Frühgemüse nach Europa. Zahl-
reichen Speditionsfirmen wird der Umschlag der Güter Beschäftigung
geben. Die Kälteindustrie wird Kühlräumc zur Aufbewahrung leicht
verderblicher Waren, Eisfabriken, Waggons mit Kühlvorrichtung für
Fischtransport schaffen.
Einen bedeutenden Nutzen wird die jüdische Bevölkerung in
Palästina auch aus dem Fremdenverkehr, besonders aus dem
jüdischen Fremdenverkehr, ziehen können, der schon bisher jüdischen
Fremdenführern und Verkäufern von Antiquitäten und Reiseandenken
Brot gab. Es ist anzunehmen, daß mit der wachsenden Bedeutung
Palästinas für das jüdische Volk die Zahl der jüdischen Touristen
außerordentlich steigen wird. Sciion bisherkamen zahlreiche Touristen
ins Land, trotzdem Palästina keine direkte und schnelle Schiffs-
verbindung mit Europa hatte, trotzdem in der Haupttouristensaison
(Januar bis April) die Ausschiffung in Jaffa und Haifa sehr schwierig
und oft unmöglich war und trotzdem es an guten, jüdischen Hotels
und an guten Fahrtverbindungen im Inlande zum Besuch der jüdischen
Kolonien durchaus mangelte. Es ist kein Zweifel, daß gute, europäischen
Ansprüchen entsprechende jüdische »Hotels in allen größeren Städten
und Kolonien sehr gute Geschäfte machen können. Ebenso wird es
den Fuhrunternehmern, welche In der Touristenzeit einen ständigen
Wagen- oder Automobilverkehr zwischen den hauptsächlichsten von
den jüdischen Touristen besuchten Orten unterhalten, an Verkehr nicht
fehlen. Das warme Klima Palästinas und insbesondere des Jordan-
tales sowie die wegen ihrer Heilwirkung bei Rheumatismus berühmten
heißen Schwefelquellen an mehreren Stellen des Landes (bei Tiberias,
im Jarmuktal, am Toten Meer) können zur Gründung von Sanatorien
und Badeanstalten mit Erfolg ausgenützt werden. Der Strand des
iWitteiländischen Meeres bei Jaffa und Haifa bietet vom Mai bis
Oktober sehr gute Meerbäder, die trotz des Fehlens jeglicher Bade-
einrichtung von den Einheimischen bisher schon benutzt wurden, in
Zukunft aber durch die Einrichtung modemer Badeanstalten, Ei^
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L y .,^L,ü üy Google
frischungshailen und Straßenbahnverbindungen noch viel mehr Besucher
anziehen werden. Wohlhabende Juden im Auslande werden vielfach
gern ihre Erholungsreisen (im Frühjahr oder Herbst) nach Palästina
machen, wenn sie hier in kühlen Gebirgsorten, wie sie die Umgebung
von Jerusalem und Safed und die Ausläufer des Hermon bieten, in
einer jüdischen Umgebung dieselben Bequemlichkeiten genießen
könnten, die sie anderweitig haben.
Zum Zwecke der Förderung aller vorgenannten Hand\verl<e und
der industriellen sowie Handels- und Verkehrsunternehmungen ist es
nötig, daß die jüdische Bank — die A. P. C. — , die schon in allen
größeren Städten mit jüdischer Bevölkerung Niederlassungen besitzt,
auch in den größeren Kolonien Filialen eröffnet und ihr Kapital auf
30 Millionen Fr. erhöht, damit sie allen Ansprüchen auf kurzfristigen
kommerziellen Kredit gerecht werden kann. Außer diesem
kommerziellen Kredit soll die früher schon erwähnte Genossen-
schaftsbank, die entweder als selbständige Bank oder als besondere
Abteilung der A. P. C. mit einem Kapital von mindestens 10 Millionen
Fr. gegründet werden soll, ebenso wie den landlichen, so auch den
städtischen Genossenschaften (Produktionsgenossenschaften, Konsum-
vereinen) Kredit auf längere und kürzere Frist gewähren. Schließlich
ist auch die Gründung einer Industriebank mit einem Kapital
von 10 Millionen Fr. erforderlich, die folgende Aufgaben haben soll :
a) alle ernsthaften neuen industriellen und Verkehrsprojekte zu
prüfen (Prüfungsstelle} ;
b) die Verwirklichung aussichtsreicher Projekte durch Beteiligung
oder Kreditgewährung zu fördern (Kreditstelle);
c) das Privatpublikum zur Beteiligung an solchen Unternehmungen
einzuladen (Emissionsstelle).
Der Bergbau hatte bisher in Palästina keinerlei Bedeutung. Nur
am Toten Meer wird in ganz kleinem Maßstabe Kochsalz und Asphalt
gewonnen. Andere Mineralvorkomnien, so z. B. die Phosphorlager bei
Es-Salt, Schwefel bei Jericho, Steinsalz am Dschebel Usdum, bituminöse
Gesteine am Dschebbel Mussa (am Toten Meer) und im Jarmuktal,
sind bisher nicht ausgebeutet worden. Ebensowenig ist bisher versucht
worden, aus dem Wasser des Toten Meeres das darin befindliche
Brom, Kali und Magnesium zu gewinnen. Die von verschiedenen
Sachverständigen gegebenen Anregungen, in der Nähe des Toten
Meeres auf Petroleum zu bohren, kamen nicht zur Ausführung; ein
von der Standard 011 Comp, kurz vor dem Kriege im großen Stile
geplanter Boljrversuch bei Karnub — am Südufer des Toten Meeres
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— konnte infolge des Kriegsausbruchs nicht verwirklicht werden.
Cs ist ohne vorherige Untersuchungen natürlich niclu zu sagen, ob
diese Mineralien abbauwürdig sind, ausgeschlossen ist es aber jeden-
falls nicht. Ebenso ist es möglich, dal.'» bei gründlicher Durchforschung
sich außer den obengenannten auch noch andere Mineralien finden.
Um hierüber Klarheit zu schaffen, soll ein geologisch-mineralogisches
Institut gegründet werden, das alle Mineral vorkommen studieren und
«die Abbaurechte für die jüdische Koionisationsgesellschaft sichern
.soll. Ferner ist die Errichtung einer technischen Versuchsanstalt
zweckmäßig, die alle im Lande vorkommenden Mineralien, aber auch
sonstige Landesprodukte, <z. B. ölhaltige Pflanzen und Hölzer, auf
ihre praktische Verwendbarkeit prüfen soll. Als Beispiel für die ihr
obliegenden Aufgaben möchten wir die Gewinnung von öl oder
Brennstoff aus den am Toten Meer vorhandenen bituminösen Ge-
steinen, die beste technisciie Verarbeitung des Rizinussamens, die
beste Art der Bearbeitung des Eukalyptusholzes zur Verwendung für
Bau- und Möbeltischlerei, nennen. Die technische Versuchsanstalt
v^ird zugleich viele Aufgaben der vorhüi erwähnten Prüfungsstelle
^er Industriebank übernehmen können.
Außer durch Industrie, Handel und Verkehr, durch welche zahl-
reiche Kaufleute, Techniker, Beamte und Arbeiter in die Städte
kommen werden, werden die Städte durch die zunehmende Ent-
^ndung von Kindern aus Osteuropa und Amerika in die palästinen-
sischen Schulen Zuzug erhalten und durch das Pensionsgeld der
Kinder große Einnahmen erzielen, ähnlich wie es in der Schweiz der
Fall ist. Das jüdische Schulwesen in Palästina ist ebenso wie sein
Korrelat, die hebräische Sprache, die in den letzten 30 Jahren in
Palästina von ihrem tausendjährigen Schlaf wiederauferstanden und
eine lebendige Sprache geworden ist, in einem kräftigen Aufschwünge
begriffen. Es zeigt frisches Leben und Ringen nach neuen Formen.
Wie groß die Anziehungskraft dieses Schulwesens auf die Juden in
Osteuropa in der Zukunft sein kann, geht daraus hervor, daß schon
vor dem Kriege von den 800 Schülern des hebräischen Gymnasiums
In Jaffa 400, und von den 100 Schülern des hebräischen Lehrer-
seminars in Jerusalem 70 ihre Eltern in Osteuropa hatten.
Natürlich wird sich mit der Vermehrung der jüdischen Be-
völkerung in den Städten außer für die im Schulwesen beschäf-
tigten Lehrer auch für andere Angehörige der freien Berufe Be-
schäftigung finden, so z. B. für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, In-
genieure, Architekten, Chemiker usw. Es wäre wünschenswert, für
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I
einzelne dieser Berufe die Fachausbildung möglichst bald in Palästina
selbst zu ermöglichen, teils weil die Studierenden hier die hebräische
Sprache am besten erlernen, teils weil sie sich hier am besten mit
den Verhältnissen und Bedürfnissen des Landes bekannt machen.
können. Durch die Gründung des jüdischen Technikums in Haifa,
dessen Eröffnung durch den Krici; hinausgeschoben wurde, ist ein
erster Schritt zur Heranbildung vun Bau- und Maschinenteehnikern
und Chemikern bereits i^etan. Die von der zionistischen Organisatioa
in Angriff genommene Gründung einer Universität in Jerusalem wird
den Lehrern der höheren Schulen und allmähhch auch den anderea
akademischen Berufen die erforderliche Ausbildung geben können.
3. Öffentliche Arbeiten (Travaux pubiics).
Die früher erwähnten Assanierungsarbeiten, Bewässerungsar-
beiten und Verkehrsunternehmungen werden zu ihrer AusfQhrang
eine große Zahl von technisch gebildetem Personal und von ge-
lernten und ungelernten Arbeitern benötigen, und wenn es sich auch
hier in der Hauptsache nur um vorübergehende Beschäftigung einer
großen Zahl von Arbeitern handelt, so ist diese Beschäftigung doch
deshalb von großem Wert, weil durch sie eine erhebliche Zahl von
Einwanderern die Möglichkeit hat, bald nach Palästina überzusiedeln»
sich an das Klima und die Verhältnisse Palästinas zu gewöhnen
und allmählich in andere Berufe, insbesondere in die Landwirtschaft
und Industrie, abzuströmen.
Außer den obenerwähnten öffentlichen Arbeiten kulturtech-*
nischer (Entwässerung und Bewässerung) und verkehrstechnischer
Art (Wege, Eisenbahnen, Häfen) gibt es noch eine Reihe von Sied-
lungsvorarbeiten, bei denen eine größere Zahl Menschen Arbeit
finden können. Hieher gehören z. B.
a) Vorbereitung von Baumaterial : (Bausteine aus Steinbrüchen,
Ziegel aus Lehm und Ton, Hölzer aus Eukalyptusbäumen) für
spätere Bauten;
h) Aptierung der von der jadischen Kolonisationsgesellschaft ei^
worbenen Böden. Diese Aptierung darf nicht den eigentlichen
landwirtschaftlichen Siedlern überlassen werden, sondern muft
vollendet sein, bevor noch die landwirtschaftlichen Siedler den
Fuß auf den Boden setzen. Bei Böden, die nach ihrer Boden-
beschaffenheit der Bewirtschaftung durch Juden keine großen
Schwierigkeiten entgegenstellen, wird die Aptierung durch
Okkupationsgenossenschaften von Landarbeitern geleistet werden
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Digilized by Google
können, welche im Laufe einer melirjährigen landwirtschaft-
lichen Bearbeitung des Bodens gleichzeitig auch die erforder-
lichen Anieliorationen (Entfernung von Steinen und Unkraut^
tiefes Aufpflügen) vornehmen. Bei schwierigen Böden, wo
große Massen von Steinen zu entfernen oder Terrassen anzu-
legen sind, würden aber diese technischen Arbeiten jeder
landwirschaftlichen Arbeit, der der landwirtschaftlichen Okku-
pationsgenossenschaften, vorhergehen müssen, so daß sich
hier für besondere Gruppen von Arbeitern ohne landwirt-
schaftliche Vorbildung eine Arbeitsmöglichkeit eröffnet.
c) Aufforstung von DQnen oder steinigem Gebirgsboden mit den
für solche Boden in Palästina bereits erprobten Bäumen. Bliebe
die Bepflanzung dieser Böden dem einzelnen Landwirt über-
lassen, so würde sie sicherlich noch lange Zeit unterbleiben.
Vom privatwirtschaftlichen Standpunkt aus ist die Bepflanzung
dieser Böden minderer Qualität nicht lohnend, solange bessere
Böden für Pflanzungszwecke zur Verfügung stehen. Auf besserem
Boden entwickeln sich nämlich die Bäume viel schneller und
besser, und die Bearbeitung kostet weniger. Diese Vorteile
werden durch die Ersparnis im Preise beim Erwerb schlechten
Bodens gegenüber gutem Boden nicht ausgeglichen. Es kommt
hinzu, daß die bisher zur Bepflanzung steinigen oder sandigen
Bodens benutzten Bäume in Palästina meist solche sind, die
erst nach langer Zeit (10-^20 Jahre) eine Nutzung geben.
Auch aus diesem Grund greift der private Landwirt viel:
lieber zur Bepflanzung guten Bodens, wo Bäume angepflanzt
werden können, die schon nach 5 Jahren Ertrag bringen. Für
die jüdische Kolonisationsgesellschaft ist aber diese kurze
Rechnung des privaten Landwirts nicht maßgebend. Sie kann
und muß auf lange Sicht arbeiten. Für sie kommt die Auf-
forstung der Dünen und steinigen Gebirgsböden um so mehr
in Frage, als ein größerer Waldbestand in dem jetzt ganz:
waldarmen Palästina auch aus allgemeinen klimatischen und
gesundheitlichen Gründen höchst wünschenswert ist.
Die meisten der angeführten öffentlichen Arbeiten und Sied»
lungensvorarbeiten erfordern eine große Zahl von Arbeitern nur
während einer kurzen Zeit. So sind z, B. für den Bau der Häfen,
Eisenbahnen, Be- und Entwässerungsanlagen während einiger Jahre
sehr viel Arbeiter nötig, für den späteren Betrieb der Anlagen aber
nur verhältnismäßig wenig. Um nicht auf einmal Tausende von
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Arbeitern ohne Arbeit zu lassen, ist es erforderlich, die Arbeiten so
auszufahren, daß die Zahl der beschäftigten Arbeiter sich nicht
plötzlich, sondern stufenweise vermindert. Sind z. B. für den Bau
von Eisenbahnen insgesamt 3 Millionen Arbeitstage (d. h. 10.000
Arbeiter für ein Jahr) nötig, so soll der Bauplan möglichst so auf-
gestellt werden, daß im ersten Jahre 4000, im zweiten Jahre 3000,
im dritten Jahre 2000, im vierten Jahre 1000 Arbeiter beschäftigt
werden, so daß in jedem Jahre nur 1000 Arbeiter zu Entlassung
kommen. Von den Entlassenen wird ein Teil vermutlich beim Betrieb
der öffentlichen Unternehmungen Beschäftigung finden, ein Teil
wird in Industrie, Handwerk und Handel abströmen, fflr den weit-
aus größten Teil muß aber Beschäftigung als Arbeiter in der Land-
wirtschaft gefunden werden. Da jedoch die Landwirtschaft im An-
fange der Kolonisation nicht unbeschränkte Mengen von Arbeitern
aufnehmen kann, sollen diejenigen, die bei den öffentlichen Arbeiten
mindestens ein Jahr tätig gewesen sind, bei der Aufnahme in Land-
wirtschaftsschulen, Lehrfarmen oder Arbeitergenossenschaften ein
Vorrecht genießen. Es wird damit zur Regel werden, daß nur der-
jenige als Arbeiter in die Landwirtschaft hineinkommt, der schon
ein Jahr lang körperliche Arbeit in Palästina geleistet hat Damit
ist eine gewisse Gewähr gegeben, daß die kostspieligen Einrich-
tungen fUr die landwirtschaftliche Ausbildung der Einwanderer nur
von solchen jungen Leuten in Anspruch genommen werden, die er-
wiesenermaßen körperliche Arbeit im palästinensischen Klima ver-
tragen können.
Wenn wir in der eben vorgeschlagenen Weise gleich im An-
fange der Kolonisation die öffentlichen Arbeiten forcieren, um für
möglichst viele Einwanderer Existenzmöglichkeiten zu schaffen, so
entspricht dies zweifellos nicht den Regeln einer sparsamen Wirt-
schaltsführung. Diese wQrde vorschreiben, daß man keine Untere
nehmung frOher macht, als ihre Rentabilität erwiesen ist oder ihre
Notwendigkeit aus anderen Qrttnden sich ergibt Von diesem Statod-
punlcte ist es z. B* falsch, Bausteine auf viele Jahre im voraus vor^
zubereiten, weil dadurch Zinsen verlorengehen. Aber wir glauben,
daß wir bei unserer Kolonisation nicht allein in erster Linie diesen
privatwirlschaftlichen Maßstab anlegen dürfen. Wir sind in einer
außerordentlichen Lage. Wir brauchen Menschen in Palästina, und
wir können sie gerade jetzt — und vielleicht später nicht mehr —
in Hülle und Fülle haben, falls wir ihnen Arbeitsgelegenheit schaffen.
Wir müssen auch darauf gefaßt sein, daß diese Einwanderer in
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-jedem Falle nach Palästina gehen und hier eine wirtschaftliche
Katastrophe herbeiführen, falls es nicht gelingt, für sie Beschäftigung
-zu finden. Diese außergewöhnliche Situation erfordert außergewöhn-
liche Mittel. Wir werden uns deshalb mit allen Kräften bemühen
mOssen, die obigen großen Arbeiten IQr ungelernte Arbeiter in An*
4^ff zu nehmen, selbst wenn diese Arbeiten gegenwartig noch nicht
notwendig sind, sondern ierst später nötig wQrden. Diese antizipierte
Tornabme von Arbeiten zum Zwecke von Arbeitsbeschaffung darf
■aber nicht zu einer laxen Praxis in bezug auf die Arbeitsleistung
•des Arbeiters führen. Hier muß an dem Grundsatze, daß der Arbeiter
•nur so lange beschäftigt wird, als er ordentliche Arbeit leistet, streng
festgehalten werden. Sonst kommen wir zu einer versteckten
»Cbalukka und korrumpieren unsere Einwanderer von Beginn an.
Die wichtige Frage, wieviel Arbeiter bei den Offentiichen Ar-
.tieiten Beschäftigung finden können, kann mit einiger Sicherheit nur
iür die oben bezeichneten Wegebauten, Eisenbahnen und Häfen be-
.antwortet werden. Dagegen sind Angaben fOr die Bewässerungs-
und Entwässerungsarbeiten, Siedlungsvorarbeiten und Aufforstungs-
arbeiten viel schwieriger, weil hier die Menge der zu leistenden
Arbeit vom Terrain abhängt und dieses im voraus nicht bekannt ist.
Nach Mitteilungen, die ich Meißner Pascha verdanke, stellen
«ich die Kosten des Baues pro km
bei den Eisenbahnen, von 125.000 bis 300.000 Franken,
bei den Wegen von 30.000 bis 70.000 »
tind es sind pro km durchschnittlich erforderlich :
bei den Eisenbahnbauten 8000 Arbeitstage von gelernten und
12000 von ungelernten Arbeitern,
bei den Wegebauten 1200 Arbeitstage von gelernten und
6000 von ungelernten Arbeitern.
Für die projektierten Eisenbahnen von 324 km Länge und Wege-
"bauten von ca. 400 km Länge würden hiernach bei einer Aufwen-
•dung von ca. 65 Millionen Franken Baukosten etwa 3,100.000
Arbeitstage gelernter und 6,300.000 Arbeitstage ungelernter Arbeiter
•erforderlich sein. Auf ein Jahr von 300 Tagen umgerechnet, würde
4ias besagen, daß 10.300 gelernte und 21.000 ungelernte Arbeiter
«in Jahr lang bei diesen Arbeiten Beschäftigung flnden könnten. Für
idie^ Hafenbauten lafit sich die Zahl der Arbeiter f JIr ein Arbeitsjahr
ungefähr auf 5000 gelernte und 10.000 ungelernte Arbeiter schätzen.
Es worden somit, wenn wir fOr den Bau des Telephoonetzes noch,
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einige hundert gelernte Arbeiter hinzurechneni für alle Verkehrs-
technischen Arbeiten etwa 15.500 gelernte und 31.000 ungelernte-
Arbeiter während eines Jahres erforderlich sein.
Für die kulturteclinischeii Arbeiten und Siedlungsvorarbeiten
ist, wie oben gesagt, eine solche Schätzung nicht möglich. Nur um
einigermaßen eine rohe Vorstellung von den gesamten Beschäfligungs-
möglichkeiten zu geben, wollen wir annehmen, daß sowohl bei den
Iculturtechnischen wie bei den Siedlungsvorarbeiten je ebensoviel
Arbeiter Beschäftigung finden Icönnfen wie bei den verlcehrs-
technischen Arbeiten. Wir würden dann insgesammt au! 46.500'
gelernte und 93.000 ungelernte Arbeiter kommen. Nun müssen wir
aber, ganz abgesehen davon, daß aus sonstigen Gründen, (technische
Vorarbeiten, Erwerbung der Konzessionen, Erwerb des Boden u. s. w.)-
die Ausführung der Arbeiten im günstigsten {-alle 4—5 Jahre in.
Anspruch nimmt, noch dem oben erwrihnten Umstände Rechnung
tragen, daß nicht, wenn die öffentlichen Arbeiten beendet sind, mit
einem Male zuviel Arbeiter beschäftigungslos werden dürfen. Daraus-
ergibt sich die Forderung, die Arbeiten allmählich abzubauen und
sie auf etwa 10 Jahre zu verteilen. Tut man dies, so bleibt inner*
halb dieser 10 Jahre Beschäftigungsmöglichkeit für 4650 gelernte
und 9300 ungelernte Arbeiter. An sich ist es denkbar, daß dieselbea
Arbeiter während der ganzen 10 Jahre bei den öffentlichen Arbeiten
verbleiben. Vom Standpunkte der Sparsamkeit wäre das sogar
erwünscht, weil die Arbeiter sich dann an die Arbeit gewöhnen,
und bessere Arbeit leisten würden. Im Interesse der Einwanderer
ist es jedoch nötig, die (iffemlichen Arbeiten als eine Durchgangs-
station für neue Einwanderer zu benutzen, und deshalb die Arbeiter
alle 1—2 Jahre zu wechseln. Hier stoßen wir also auf den obea
schon erwähnten wichtigen Umstand, daß die öffentlichen Arbeiten —
im Gegensatz zu Landwirtschaft und Industrie — die Arbeiter nicht
dauernd, sondern nur vorübergehend beschäftigen. Sind sie zu Ende,,
80 kann nur ein kleiner Teil der Arbeiter beim Betriebe oder der
Unterhaltung der Eisenbahnen, Wege, Häfen u. s. w. Beschäftigung,
finden. Der größere Teil bildet das Arbeiterreservoir, aus welchem
Landwirtschaft, Handel und Industrie ihre Arbeiter entnehmen. Wenn
wir also wissen wollen, wieviel Einwanderer dauernd durch die-
öffentlichen Arbeiten Beschäftigung finden, so können wir nur die-
jenigen Angestellten und Arbeiter in Rechnung stellen, die beim
Betriebe oder der Unterhaltung der Unternehmungen nach ihrer
Fertigstellung gebraucht werden. Deren Zahl dürfte, wenn wir sie
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;<iuf 5000 bis 10.000 (oder einschlielilicli der Familienangehörigen
^5.000—50.000) schätzen, schon ziemhch hoch gegriffen sein.
Wenn man die Dinge so analysiert, so wird es klar, daß die
„öffentlichen Arbeiten" nicht das Zaubermittel sind, mit dem man
•eine beliebig große Einwolinerzahl in Palästina unterbringen Icann.
Sie sind vielmehr ein — ziemlich kostspieliger — Notbehelf, um
alljährlich etwa 15.000 neue Einwanderer für ein Jahr zu beschäftigen
und an das neue Milieu zu gewöhnen. Eine dauernde Existenz-
mOglichkeit Ist aber für diese Einwanderer nur vorhanden, wenn
Landwirtschaft und Industrie imstande sind, ihnen, nachdem sie
1 oder 2 Jahre bei den öffentlichen Arbeiten gearbeitet haben, Be-
.^chäftigung zu geben.
4. Export Industrie.
Nicht erwähnt haben wir in obigen Wirtschaftszweigen die
'Exportindustrien, d. h. die Industrien, die aus den im Lande befind-
lichen oder eingeführten Rohstoffen oder Halbfabrikaten durch Ver-
^arbeitung Waren für entfernte Märkte herstellen. Die Einführung
solcher Exportindustrien, welche jüdische Arbeiter- beschäftigen und
Massenartikel produzieren, würde für Palästina von der größten
Wichtigkeit sein. Die von der Exportindustrie lebenden Juden hätten
nicht eine große nichtjiidische Bev()lkeruni^ neben*^ sich als Kund-
«
Schaft nötig, weil sie ihre Produkte ^anz oder größtenteils außer-
halb des Landes absetzen würden. Sie könnten aus demselben
Grunde auch auf die sonst für die Entstehung und Befestigung einer
städtischen Siedlung wichtige Nachbarschaft zahlreicher jüdischer
Kolonien verzichten. Es fragt sich nun: ist in Palästina eine
J&cportindustrie möglich? Da ist zunächst zu bedenken, daß,
-Während wir die Entwicklung der für den Inlandsbedarf arbeitenden
Industrien durch Schutzzölle auf fremde Waren befördern könneiif!
-dieses Mittel für die Exportindustrien nicht anwendbar ist. Diese
müßten vielmehr ohne jeden Zollschutz vom Anfang an auf dem
Weltmarkt konkurrenzfähig sein — eine sehr schwere Auff^abe.
Die eigentliche Groß-(Fabriks)Industrie begegnet dann weiter dem'
Hindernis, daß Palästina weder Kohle noch Erze noch Holz besitzt,
•daß es unter den Juden in Palästina und Osteuropa (abgesehen
von einigen Anfängen in der polnischen Textilindustrie, deren Ver-
ipflanzung nach Palästina aussichtsvoil erscheint), keine Fabriksarbeiter
in größerer Zahl gibt, und daß die Juden überhaupt keine .Neigung
69
zur disziplinierten, einförmigen Fabriicsarbeit l»ben. Elier wird die
fOr den Export arbeitende Heimindustrie in Palästina sich entwickeli»
IcOnnen. Sie Icann mit der elektrischen Kraft arbeiten, die eine?
Überlandzentrale wird liefern IcOnnen, und für sie spricht, daß die
Juden in ihr bereits heimisch sind. Die gewaltige jüdische Ein-
wanderung von Osteuropa in die Vereinigten Staaten hat in der
Anfertigung (für entfernte Märl<te) von Männer- und Frauenltleidung,,
von Mützen und Schuhen in der Wohnung des Arbeiters oder ia.
kleineren Werkstätten ihre hauptsächliche wirtschaftliche Grundlage.
Es besteht deshalb auch eine gewisse Aussicht, sie auch in Palästina
einführen zu können. Dasselbe gilt filr die unter den Juden In
Osteuropa und Un Orient bereits heimische Z^rettenhidustrie, femer
für die Uhrenindustrie, in deren Zentrum (hi der französischen
Schweiz) viele Juden als Unternehmer und Arbeiter tätig sind.
Neben allen diesen Heimindustrien steht nun aber als Schreckgespenst
die wirtschaftliche Ausbeutung und körperliche und geistige Ver-^
kümmerung des Arbeiters, wie sie bisher in allen Zentren der Heim-
arbeit (Witechapel, Newyork) zu beobachten war. Wäre die^
Heimarbeit unabweislich mit dem ausbeuterischen Zwischenmeister
und der gesundheitsschädlichen „Schwitz Werkstatt" verknüpft, so^
müßten wir sie im Interesse sozialer Ethik und der Volksgesundheit
von Palästina fernhalten. Es ist aber denkbar, diese schädlichen.
Nebenwfrknngeir dadurch auszuschalten, daß an die Stelle der
Zwischenmeisterorganisation die Artwiterproduktivgenossenschaft und
an Stelle der engen Schwitzwerkstatt die von Licht und Luft erfüllte.
Arbeitsstätte in einer Gartenstadt oder einer Kolonie tritt. Auch
eine Verbindung zwischen landwirtschaftlicher und industrieller Arbeit
in der Form, daß der landwirtschaftliche Kleinsiedler oder Häusler
in seiner freien Zeit sich als industrieller Heimarbeiter beschäftigt,,
wäre möglich. Deshalb braucht, obwohl die Konkurrenzfähigkeit
der Heimindustrie in Palästina gegenüber anderen Ländern mit ganz:
niedrigen Arbeitslöhnen und mit Ausbeutung der Frauen- und Kinder»
arbeit fraglich bleibt, die Heimindustrie doch nicht von vomhereh»
gänzlich aus unserem Ansledlungswerke ausgemerzt zu werden.
Einer großen Entwicklung ist unseres Erachtens die Herstellung:
jüdischer Ritualien (Tallithim, Mesusoth, Gebetbücher Kalender usw.)i
fähig. Bisher werden diese Ritualien nur in sehr primitiver Weise
angefertigt und sind infolge ihres geschmacklosen Aussehens auf
einen halb schnorrerischen Vertrieb augewiesen. Bei besserer Her-
stellung kann es nicht schwer sein, für Palästina eine Art Monopol
70
fOr die Herstefluns dieser Gegenstände zu erwerben und die Juden
der ganzen Welt damit zu versorgen. Zu diesen Produictionszweigen
könnte noch die Anfertigung kunstgewerblicher Erzeugnisse in
orientalischem Stil für den Export treten, mit deren Herstellung in
den Bezalel-Werkstätten in Jerusalem ein Anfang gemacht worden
ist. Aber auch hierbei läßt sich etwas Sicheres bei dem Mangel
an Erfahrung in Palästina und bei der Ungewißtieit über die zu-
künftigen internationalen Wirtsdiaftsbeziehungen und Konkurrenz-
verhältnisse nicht ausmachen.
Wir können es deshalb zwar als^ wahrscheinlich ansehen, daß
die Verpflanzung der unter den Juden bereits heimischen Export-
industrien nach Palastina möglich sein und einer grofien Zahl von
Juden eine ExistenzmOglichkeit geben wird, welche von der land-
wirtschaftlichen Kolonisation unabhängig sein wird. Aber es wäre
im höchsten Maße gewagt, wollte man hierauf bauen und die land-
wirtschaftliche Kolonisation in den Hintergrund stellen. Solange die
Exportiridustrien sich in Palästina noch nicht in großem Stile und
in einer befriedigenden sozialen Form als lebensfähig erwiesen haben^
kann die Notwendigkeit, die landwirtschaftliche Kolonisation an die
erste Steile zu setzen, nicht erschüttert werden.
bR. PRITZ STERNBER6 (BERLIN):
GEDANKEN ÜBER INDUSTRIE UND
HANDEL IN PALÄSTINA.
[\e industrielle Entwicklung in Patastina war bislang eine
recht bescheidene. Palästina teilte dieses Schicksal mit
allen Ldndem, die der Türkei botmflfiig waren. Der
Osmane war nicht nur (im Gegensatz zum Araber) unfähig,
selbst ein größeres Unternehmen zu leiten, er verstand es auch, jede
bedeutende industrielle Entwicklung zu verhindern. So gab und gibt
es in Palästina keine fünf Betriebe, die im europäischen Sinne als
Großbetriebe zu bezeichnen sind. Trotzdessen ist der industriellen Ent-
wicklung Palästinas keine ungünstige Prognosezustellen. Die Beseitigung
der türkischen Herrschaft, die englische Verwaltung, und als Vor-
aussetzung selbstverständlich eine starke Vergröfierun«; des jüdischen
Bevöli<crungselenienles, sprechen für eine iaüustrielie Erstarkung
Palästinas.
Es ist richtig, Kolilen und Eisen fehlen im Lande und alle
Versuche, sie in größerem Maße zu gewinnen, haben fehlgeschlagen.
Dies ist jedocti kein entscheidendes Argument gegen eine industrielle
Entwicldung, wie die Verhältnisse in Italien nicht anders als die in
der Schweiz beweisen. Allerdings wird die palästinensische Ent-
wicklung nicht parallel zu der europäischer Staaten, z. B. der Englands
und Deutschlands, gehen. Der zentralistfsche Charakter wird hier
fehlen, und damit größere Zusammenballungen der Bevölkerung, wie
z. B. in Sachsen, Rheinland und Oberschlesien. Die Industrien
werden vielmehr einen stark dezentralistischen Charakter haben,
insbesondere diejenigen, die sich auf landwirtschaftlichen Rohstoffen
aufbauen.
Wenn wir im folgenden kurz auf diese palästinensischen
Industrien eingehen, soll damit nicht etwa behauptet werden, daß
gerade diese Industrien eine Zukunft in Palästina haben würden,
sondern es sollen immer nur Möglichkeiten angedeutet werden.
Unabhängig davon, ob die weitere Entwicklung in den jüdischen
Kolonien zu einer starken Ausbreitung der GartenkuKur führt, ob
nicht, wird die MiihlenindListrie eine größere Erweiterung erfahren.
In dieser Industrie sind die Juden recht gut vertreten. So gibt es
jüdische Mühlenbesitzer — abgesehen von vielen Kolonien, die eine
Mühle besitzen — in Jerusalem, Jaffa und, wie Trietsch bemerkt,
sogar, an manchen Orten, in denen keine oder nur wenige Juden
wohnen, so in Jebna (Jahne), Beerseba, in Faludsche und in Burer.
Die fortschreitende landwirtschaftliche Entwicklung verbunden
mit der Modernisierung der Mahlenindustrie wird das Land von
der Mehleinfuhr befreien und der Mühlenindustrie em weites Feld
geben. Der palästinensische Weizen ist fflr feinere Mehlsorten nicht
sehr geeignet, dagegen wird man, sobald sich die Verkehrsver-
hältnisse gebessert haben, den weißen, weichen Hauraweizen zu
diesem Zwecke heranziehen.
Auch die Makkaroni-Fabrikation wird bei der steigenden Ein-
wanderung starke Fortschritte machen, da der palästinensische Weizen
dafür außerordentlich geeignet ist. Das gleiche gilt von der Fabrikation
von Weizenstarke und von der Spiritusfabriication. Durrha, das in
Palästina glänzend gedeiht, enthält 60— 657u Stärke, die, wie der
ehemalige Vorsteher der Versuchsstation in Halle, Professor Merker,
72
Digilized by Googl
feststellte, einen Spiritus von größerer Einheit ergibt als Mais.
Durrha wurde bisher zumeist nach England und Frankreich ausgeführt
-«nd dort zur Spiritus-Fabrikation verwendet.
Gleichzeitig kann man die Nebenprodukte der Weinbereitung
industriell ausnutzen. Schon vor dem Kriege wurde, wie Trietsch
berichtet, Weinstein industriell verarbeitet und zu diesem Zwecke
^er Kellerei in Rischou de Zion eine kleine Fabrik angegliedert
Von größerer Wichtigkeit noch als der Weinbau ist die öl-
-Erzeugung für Palästina. Der Ölbaum ist in Syrien heimisch, und
■die Erzeugung von Olivenöl und Seife ist, abgesehen von der Textil-
industrie, die wichtigste ganz Syriens. Nach Ruppin') betrug die
Produktion von Olivenöl in ganz Syrien 17,450.000 Okka^). Die
Produktion Palästinas kann ganz außerordentlich geslci^^ert werden;
in den jüdischen Kolonien, die bislang wegen der Jugend der
Pflanzungen bei der Öl- und Seifenproduktion des Landes nur eine
geringe Rolle spielten, sind von Jahr zu Jahr neue Olivenpflanzungen
angelegt worden, so u. a. in zahlreichen Kolonien Judäas und
Samarias, und in Domänen, die der Nationalfonds errichtet hat.
Weiterhin kann man die Fabrikation des Sesamöls ausbauen,
:S0wie die der iithcrischen Öle, vor allem Thyniianöl, Geraniuinöl,
Lorbeeröl und Anisöl.
Auf die weiteren Pflanzungen soll hier nicht eingegangen
-werden; nur dies sei bemerkt, daß die Marmelade- und hrucht-
konservenindustrien in Syrien ganz außerordentliche Entwicklungs-
niöglichkeiten haben und ihre Einführung nur eine Frage der Zeit,
ist. Daran anschließend kann auch eine Gemfisekonservenindustrie
entstehen.
»
Die Einführung einer Zuckerindustrie in großem iWaßstabe
» scheint mir nur eine Frage der Zeit zu sein. Sowohl das Zucker-
Tohr wie die Zuckerrübe gedeihen im Lande. Versuche in den
jüdischen Kolonien haben, wie Ruppin berichtet, bewiesen, daß die
Zuckerrübe gut gedeiht, und einen viel höheren Prozentsatz von
Zucker enthält, als in den besten europäischen Rübengebieten. So
bieten sich der Zuckerindustrie reiche Entwicklungsmöglichkeiten.
Sie wird bei den geringen Produktionskosten wohl schon in ab-
sehbarer Zeit an einen Export denken, wird naturgemäß die aus-
ländische Einfuhr beseitigen, die in Syrien ca 7 kg pro Kopf der
0 Syrien als Wirtschaftsgebiet.
^ Okka = P28 kg.
Digilized by Google
BevOlkertmg betrug, wird weiterhin die Entwicldung von Marmeladen—
und Konservenindustrien besclileunigen und ilire ROcicstfinde werden^
dem an natOrÜclien Dflnger nictit reiclien Leinde zugutekommen.
Auch die Tabakkultur hat in Palästina noch keine große
Verbreitung gefunden; die Gründe hiefür sind im amtlichen Tabak-
monopol zu suchen, das dem Aufkommen der Industrie in Palästina
bislang hinderlich war. In diesem Punkt werden sich die Verhältnisse
nach dem Kriege völlig andern.
Da nicht anzunehmen ist, daß irgend eine Regierung aus.
kurzsichtigen finanzpolitischen Gründen das Aufkommen dieser ffir-
das Land so wichtigen Industrie weiterhin hemmen wird, so wird
dieser Erwerbszweig in Palflstina einer zahlreichen Bevölkerung dea.
Lebensunterhalt verschaffen.
In Ägypten, das selbst keinen Tabak erzeugt, sondern diesei».
sowie das Zigarettenpapier und die Emballage, sogar die Kisten,,
einführt, hat die Zigarettenindustrie, wie bekannt, eine große Aus-
dehnung gewonnen.
Palästhia hat durch den eigenen Anbau — die Versuche-
hat>en sehr günstige Resultate ergeben — ehien großen Vorzug
vor Ägypten. Auch der Inlandsmarkt ist nicht unbedeutend und.
wird bei der steigenden jüdischen Einwanderung und t>ei der Hebung,
der arabischen Wirtschaftsweise eine große Ausdehnung erfahren.
Wie die Weltmarktsverhältnisse für Seide sich nach dem Kriege
gestalten werden, kann man jetzt noch nicht übersehen. Der Bodeiti
Palästinas ist jedenfalls für Seidenbau geeignet, und bei der Neu-
gestaltung der paUtetinensischen Wirtschaft ist es leicht möglich, da^
sich eine Seidenraupenzucht verbunden mit Seidenspinnerei, Seiden-
fiirberei, Seidenweberei zugleich mit der Textilindustrie entwickeln wird^
Die Textilindustrie übertrifft an Bedeutung in Syrien alle anderen i
Industrien und kann auch Palästina denselben Rang erreichen.
Palästina entspricht, mit seiner Breitenlage — von 30—33«
Grad — , derjenigen der Baumwolle bauenden Zone Amerikas und^«
ist im Hinblick auf Klima und Boden bis zur Höhe von etwa 1000>
Fuß aber dem Meere ein for diese Kultur geeignetes Land.
" Qegenftber Ägypten hat PaUstina den Vorteil, das dort das-
fOr Baumwolle geeignete Land fast 15— 20mal so teuer ist wie ia-
Palästina, und die Organisationen, die das Kolonisationswerk irk-
Palästina leiten,- werden eine starke Erhöhung der Preise zu ver-
hindern wissen.
74
L lyui^ed by Google
Die Vefsuche, die man in den jfldischen Pflanzungen mit BaunK
wollanbau unternommen hat, liaben zu gOnstigen Resultaten gefoliit
Sobald die jüdische Initiative tatl<räftig eingreift, kann es als auS'
geschlossen gelten, daß die Baumwolle das Land verläßt, um als
Garn, dazu noch mit einem Einfuhrzoll belastet, wieder ins Land
zu kommen.
(Dasselbe gilt von der Wolle, die in großen Quantitäten von
den Beduinenstämmen des Ostjordanlandes gewonnen wird.) Mit
der primitiven Art der Handspindel wird aufgeräumt werden; moderne
Spinnereien werden im Lande entstellen. Ebenso wird die Wet>erel
und die Färberei» die seit uralter Zeit in Syrien zu Hause ist, technisch
vervollkommnet und ihr Absatz organisiert werden.
Die Aufnahmefähigkeit des Inlandmarktes wird in den nächsten
Jahrzehnten proportional der jüdischen Einwanderung und der Weiter-
entwicklung der arabischen Wirtschaft steigen.
Das Kleidungsbedürfnis des Orientalen, dessen Einkünfte auch
nur um ein geringes über das notwendige Existenzminimum hinaus-
ragen, ist, wie allgemein bekannt, besonders auffallend, und er
verwendet einen weit größeren Prozentsatz als der Europäer zu
dessen Befriedigung. Die Begabung des Juden fOr die Textilindustrie
und den Textilhandel ist bekannt Wenn große jüdische Organisationen
zahlreiche Baumwollenanlagen anlegen, und sich im Anschluß an den
Baumwollenanbau (und event. die Seidenraupenzucht) eine Textil-
industrie im Lande entwickelt, so könnte diese Industrie die wichtigste
des ganzen Landes werden.
Wie vorher erwähnt, ist das Land arm an Mineralschätzcn,
insbesondere an Kohle und Eisen. Dagegen ist wahrscheinlich,
daß Petroleum in Palästina erbohrt werden kann. Die Bohrungen,
die die Standart Oil Company beabsichtigte, sind durch den Welt-
krieg verhindert worden; man wird die Versuche bald nach dem
Kriege aufnehmen. Nawratzki*) führt zu diesem Punkte aus:
»Es hat den Anschein, als ob der ganze syrische Orabenbruch solches
führe da sowohl Im Norden an den Euphratquellen, wie im Süden
am Roten Meere das Vorkommen von Petroleum bekannt ist". Diese
Versuche müssen abgewartet werden und ebenso muß späteren
Untersuchungen die Entscheidung vorbehalten bleiben, ob die
Asphaltlager bei Hasbeja, die Phosphatlager bei Es-Salt einen Abbau
lohnen. Als wahrscheinlich kann es gelten, daß die Ablagerungen
0 Die jüdische Kolonisation Palästinas.
u y uu.üd by Google
des Toten Meeres an Asphalt, Brom, Kali, Aiagnesium, Salz und
'Schwefel, die Eisenerz-, Ocker- und Kohlenlager bei Saida industriell
rentabel zu verwerten sind.
Schon jetzt steht es fest, daß man bei dein Mangel an Kohle
und sonstigen Heizungsmitteln die Wasserkräfte motorisch aus-
nutzen wird. (Der Jordan hat bei seinem verhältnismäßig kurzen
Lauf ein üefalle von 764 m. Zwischen Merem- und Tiberiassee —
auf der kurzen Strecke von 16 km — ein solches von 200 m). Die
Überlandzentralen, die unter Ausnutzung dieses Gefälles geschaffen
werden können, kommen nicht nur der Industrie zunutze, sondern
auch der Landwirtschaft, die zum großen Teil auf kanstliche Be-
wässerung angewiesen ist und das Wasser auf diese Weise weit
billiger erhalten kann.
Die Bauindustrie, die bereits vor dem Kriege vor allem durch
die jüdische iiinwan Jerung einen bedeutenden Aufschwung erlebt
hat, wird sich naturj^emäß durch diese steigern und auch die
Araber werden ihrer immer mehr bedürfen, je mehr sie europäische
Häuser in ihrer nächsten Umgebung sehen und die Hebung ihrer
wirtschaftlichen Lage ihnen Gelegenheit gibt, verfeinerten Bedürf-
nissen auch in der Wohnungsfrage nachzukommen. »In den letzten
Jahrzehnten", so schreibt Ruppin/) „hat in Jaffa, Haifa, Jerusalem,
Tiberias un 1 Aleppo die Herstellung von Quadersteinen, Vollziegeln,
Treppenstufen, Tut- und Fenstereinfassungen, ilohibiücken usw.
aus Zement und Sand eine ziemliche Ausdehnung gewonnen,
da sie sich billiger stellen als der Naturstein, soweit er weither
zu transportieren und schwer zu bearbeiten ist. Diese Industrie ist
hauptsächlich in den Händen der Deutschen und Juden. Die Er-
richtung einer Fabrik von Silikat-Ziegeln (aus Kalk und Sand)
wie sie in Ägypten viel benutzt werden, stand in Jaffa vor
Beginn des Krieges bevor, ist aber durch den Krieg verhindert
worden." Kalk, der zur Mörtelherstellung benutzt wird, findet
sich im ganzen Lande; auch guter Ton wird an vielen Stellen
gewonnen, doch wurde er bisher nur zur Herstellung von Töpfer-
waren verwendet. Die Errichtung von Ziegelbrennereien wird bei
•der steigenden Einwanderung wohl nur eine Frage der Zeit sein.
So wird man einen bedeutenden Teil der Baumaterialien
im Lande selbst herstellen können, da auch Zementfabriken bald
*) a. a. O. S. 159
Digitized by Google
entstehen werden, die bei der Erweiterung des Eisenbahnnetzes
eine gute Zukunft haben werden.
Der Eukalyptitsbaum ist in den jüdischen Kolonien immer
mehr angepflanzt worden; bisher hat man das Holz weder für
Bau- noch fflr Tischlereizwecke verwenden können; in Australien
dient er bereits längst zur Herstellung guter Möbel ; Nawratzki
sagt mit Recht, daß sich von den hunderten von Eukalyptus-
arten, die existieren, und die zum Teil äußerst wertvolle Hölzer
liefern, auch eine Anzahl zur Anpflanzung in Palästina eignen
werden.
Die Entwicklung der Bauindustrie wird auch der Glasindustrie
zugute kommen; zurzeit wird Glas nur in Hebron hergestellt und
zur Produktion von Flaschen und gläsernen Armbändern für die
Fellachenweiber verwendet Eine große Glasfabrik, die Baron
Rothschild einstmals errichtet, hat ihren Betrieb eingestellt. Die
Transportkosten sind jedoch so hoch, daß der steigende Inlands^
bedarf wohl bald eine Glasindustrie ins Land rufen wird, die auch
für die kunstgewerbliche Industrie von Bedeutung werden kann.
Für die Frenidenindustrie sind vur allem die Verkehrsverhält-
nisse von Bedeutung. Viele Reisende wurden von dem Besuch Pa-
lästinas abgeschreckt, weil sie bei schlechtL'in Wetter weder in Jaffa
noch in Haifa Landungsmöglichkeiten hatten. Wenn dieses Übel ab-
gestellt und die Eisenbahnverbindung mit Europa und Ägypten her-
gestellt sein wird, ist mit einer großen Ausbreitung der Fremden-
industrie zu rechnen, da Palästina durch eine starke jüdische Ein-
wanderung zu einem immer stärkeren jadischen Kulturzentrum werden
und so einen Anziehungspunkt fOr die Juden der ganzen Welt bilden
wird. GQnstig für Palästina ist der Umstand, daß die meisten von
Fremden besuchten Orte kaum 100 km von einander entfernt sind.
Nicht nur die eigentliche Fremdenindustrie zog aus diesem Fremden-
verkehr Nutzen, sondern auch verschiedene Nebenindustrien, wie
beispielsweise die Herstellung von — „objets de piei6".
Gleichzeitig wird man an die erfolgreiche Ausnutzung der klima-
tischen Vorzüge des Landes denken können. Es sei erwähnt, daß in
Palästina die Tuberkulose früher fast vollständig unbekannt war und
weiterhin festgestellt, daß Palästina sich sowohl zum vorübergehen-
den wie auch dauernden Aufenthalt für Lungenkranke eignet.
Wenn die Verkehrs- und naturgemäß auch die Hafenverhält- .
nisse nur einigermaßen auf der HOhe sind, so werden nicht nur
Lungenkranke in Palästina Genesung suchen, sondern auch alle die
IT
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— das gilt vor allem fflr den reichen Ägypter — die im heißen
Sommer ihren Aufenthalt zu verändern gedenken. Weiterhin werden
-die heißen Quellen, vor allem die von Tiberias, die von Gadia (in
der Höhe des Sees Genezareth) und die des Toten Meeres ihrer
Erschließung entgegengehen. Die wirtschaftHche Bedeutung einer aus-
gedehnten Fremdenindustrie für Palästina kann man wohl am deut-
lichsten mit dem Hinweis auf Ägypten, auf die Schweiz und auf
Italien illustrieren.
Von kleineren Industrien ist die Buchdruckerei stark entwick-
lungsfähig. Ich brauche an dieser Stelle nicht darzulegen, wie aus-
gesprochen die kulturellen Bedürfnisse der Juden sind. Unter keinem
Volk der Erde ist das Buch so verbreitet wie unter den Juden.
Sot)aId sich die ökonomische Lage der Juden bessern wird,
werden sich die geistigen Bedürfnisse der Juden noch starker regen,
und der Zuzug von Einwanderern aus allen Teilen der Erde wirkt
naturgemäß in demselben Sinne. Auch für das Ausland kommen
Produkte des Buchdruckerei-Gewerbes in Frage, da die in Palästina
hergestellten religiösen Werke von den Juden der ganzen Welt
bevorzugt werden dürften, vorausgesetzt, daß sie in ihrer äußeren
Ausstattung auch nur einigermaßen den Anforderungen des Publikums
i;enOgen. Das gleiche gilt von der Herstellung sämtlicher Ritualien.
Endlich ist eine Erweiterung des Kunstgewerbes sowie der
Spitzenindustrien und anderer Hausindustrien zu erwarten.
Die industriellen Möglichkeiten sind also keineswegs gering;
die jüdische Initiative wird alles daransetzen, sie auszunutzen. So
wird kurz nach dem Kriege das Technikum in Haifa eröffnet werden,
bisher das Einzige im Orient, das dem Lande Bautechniker,
Maschinentechniker, Chemiker und Elektrotechniker zur Verfügung
stellen soll. Auch das Technikum wird zur Entwicklung der Industrie
beitragen.
Die Schaffung neuer Industriezweige verlangt organisatorisch
veranlagte, tatkräftige Persönlichkeiten, die zugleich mit den Landes-
verhdltnissen aufs eingehendste vertraut sind. Daran hat es bisher
im Lande gemangelt Den Europäern war das Land und die Sprache
fremd, ganz abgesehen davon, daB die hohen Qehaiter ein neues
Unternehmen häufig zu sehr belasteten; Einheimischen fehlte die
fachliche Ausbildung. Das Technikum soll und wird beides ver-
einigen. Die Ausnutzung all dieser industriellen Möglichkeiten wird
naturgemäß die Einwanderung steigern und damit einen lohnenden
Inland-Absatz schaffen.
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Digitized by Google
Die objektiven Möglichkeiten des Landes scheinen ehier bedeut-
tarnen Entwicklung der Industrie günstig zu sein. Hier muß jedoch
prinzipiell folgendes bemerkt werden:
Die palästinensische Industrie ist von vornherein zur Unfrucht-
barkeit verdammt, wenn sie die europäischen, kapitalistischen Methoden
•einfach auf Palästina übernimmt. Wenn man sich in die Psyche des
Ostjuden versetzt — und diese bilden mindestens 90 Vt der Ein-
-Wanderer ~ so wird man die Unmöglichkeit erkennen, diese für ihr
ganzes Leben zur Unselbständigkeit zu verurteilen. Es ist daher
-verfehlt gegen die sozialistischen und anderen Lehren, die gewillt
sind, die Anteihiahme der Arbeiterschaft an den Betrieben, in denen
«ie beschäftigt sind, zu steigern, zu argumentieren, daß dies uner-
probte Experimente sind.
Die jüdische Kolonisation in Palästina ist zu Experimenten
gezwungen, besser zu Neuschöpfungen, da jede alte soziale Form
<ien Anfang vom Ende bedeuten würde.
Eine steigende industrielle Entwicklung wird auch eine große
Steigerung der handeltreibenden Bevölkerung Im Gefolge haben.
Kach Ruppin lebte in Syrien die gleiche Anzahl vom Handel, wie von
der Industrie, und die Verhältnisse in Palästina unterschieden sich
in diesem Punkte nicht von denen Syriens. Die Ausbreitung der
Industrie schafft nicht nur reiche Möglichkeiten fOr die in ihr be«
«chäftigten Personen, sondern auch fast für eine ebenso große Zahl
«derer, die im Binnen-, wie im Außenhandel ein Betätigungsfeld finden,
insbesondere dann, wenn Palästina seiner Stellung als Durchgangs-
land dreier Weltteile gerecht werden wird.
Da auf diese Frage noch von anderer Seite in diesem Werke
hingewiesen wird, so will ich hier nicht darauf eingehen, sondern
mich nur kurz mit dem jüdischen Zwischenhandel beschäftigen.
Unter den Ostjuden machten die Handeltreibenden fast der
i;esamten Bevölkerung aus, dagegen waren von den einwandernden
Juden nach Amerika nur 6 bis 7% Händler.
Wenn die berufliche Zusammensetzung der Einwanderer nach
Palästina nicht anders zusammengesetzt wäre, so brauchten wir keine
^llzustarke Besetzung des kleinhandeltreibenden Elements in Palästina
zu befürchten. Dem ist jedoch nicht so. Es ist natürlich richtig,
<laß die wirtschaftliche Struktur im Auswanderungslande für die Aus-
wanderer bedeutsam ist, und daß viele Kleinhändler deswegen nicht
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auswandern, weil ihnen die Liquidierung itires Geschäftes weit größere-
Sehwierigkeiten macht als den meisten Handwerkern. Aber der wesent-
lichste Punkt ist die Lage im Einwanderungsland; und wenn die Handel-
treibenden bei der Einwanderung in Amerika einen so unverhältnismäßig
geringen Bruchteil der Einwanderer ausmachten dann war es des-
wegen, weil sie in Amerika keine bedeutenden wirtschaftliclien Möglich-
keiten fanden. Dies geht schon daraus hervor, daß bei der Auswanderung
aus Amerika die Handeltreibenden einen weit größeren Bruchteil
ausmachten.
Bei der Auswanderung nach Amerika machten die Angehörigen
des Textilgewerbes 20—30 % aus; wir hoffen nun ]a auf eine starke
Entwicklung der Textilindustrie, aber es ist gewiß, daß wir in den
ersten Jahren sicherlich keinen umfangreichen Export im Textilgewerbe.
haben werden, sondern nur den einheimischen Bedarf decken können.
Da das Kteidungsbedürfnis der einwandernden Juden, die zum größten
Teil minder bemittelten Kreisen angehören, sicher nicht größer ist
als beispielsweise das der Deutschen, so kann man annehmen, daß
in Palästina dieselbe Menge Menschen im Textilgewerbe einen er-
nährenden Beruf finden werden, wie prozentuell umgerechnet in
Deutschland, das sind Vis bis ein Vi„- Alle übrigen müssen sich
anderen Berufszweigen zuwenden, und die Gefahr ist außerordentlicht
groß, daß sie sich im Kleinhandel zu betätigen suchen.
Es fällt außerhalb des Rahmens dieser Arbeit, darauf einzugehen,,
in welcher Weise man eine Umschichtung der Berufe der zur Aus-
wanderung Gesinnten in den Ländern der Diaspora durchfahren kann.
' Hier soll nur darauf hingewiesen werden, wie außerordentlicii.'
wesentlich die Ausbreitung des Genossenschaftswesens gerade für
Palästina ist.
Ein Überwuchern des parasiteren Zwischenhandels wäre für die
palästinensische Entwicklung ebenso katastrophal wie ein Über-
wuchern kapitalistischer Prinzipien, die den Klassenkampf schärfster
Form in Permanenz zur Folge haben wtlrde. Auch hier wird sich,
der jadischen Kolonisations-Gesellschaft ein reiches Arbeitsfeld bieten.
Wir wollen hoffen, daß ihre Arbeit auf dem Gebiete der Industrie-
und des Handels ebenso fi'uchtbar sein wird, wie auf dem Gebiete
der Landwirtschaft, so daß von Zion noch einmal, diesmal auf dem.
Gebiete des sozialen Aufbaues, der Ruf an die Welt ergehen wird..
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L iyui^ud by Google
PROF. br. JflKOB WETZLER (NÜRNBERG);
PALÄSTINA in WELTVERKEHR.
[er eben beendete Weltkrieg hat uns recht drastisch gezeigt,
daß es außer einem friedlichen Völkerverkehr auch einen
;[ kriegerischen gibt, und daß beide gleich stark wirken können.
Die Wirkung kann auf wirtschaftlichem, sozialem und
ethischem Gebiet liegen und die kriegerische kann bei weitem ein-
schneidender sich fühlbar machen als die friedliche, was lange Friedens*
jähre geschaffen, können wenige Kriegsjahre zerstören, ebenso können
Kriegsjahre Projekte verwirklichen lassen, die Friedensjahre in vielen
Zeitungsariikehi haben diskutieren lassen, ohne sie ihrer AusfQhrung
nur ein Jota« näher zu bringen.
Palästina hat alle diese Einwirkungen wiederholt und zu allen
Zeiten zu spüren bekommen, nicht in einem leichten Maß noch zuletzt
im Völkerkrieg 1914/18. Seine Lage als Länderbrücke — sie findet
sich in sovielen Büchern, Unmengen von Zeitungsartikehi recht aus-
führlich behandelt, so daß es sich erübrigt hier noch näher darauf
einzugehen — hat ihm in der Völkergeschichte eine Rolle eingetragen,
die es in viele Kriege mitverwickelt und zum mehr oder minder
Kriegsschauplatz gemacht hat.
Nach vierzigjähriger Wüstenwanderung stehen die Kinder Israels
vor den Grenzen Palästinas^ um das ihren Vätern von Gott verheißene.
Land zu erobern, nach und nach erst gelingt es ihnen, wie es bereits*
in der Bibel vorhergesagt ist, das Land ganz in Besitz zu nehmen
und nur von kurzer Dauer war der Vollbesitz des gelobten Landes.
Teils war es die eigene Schuld — Unfrieden im Innern und Nicht-
erfüllung des Gottesgesetzes — teils die geographische Lage, die
Palästina zum Kriegsgebiet machte, ein Nord - oder Oststaat wollte
auf dem Weg Uber Palästina Ägypten unterwerfen, oder umgekehrt
Ägypten wollte seine Machtsphäre nach Nojrden ausdehnen und dazu;
mußte es erst Palästina beherrschen. So war Palästina der SchlQssel
zur Herrschaft Ober Asie^ resp. Afrika: Erst war es Assyrien (721
v. Chr.), das das Reich Israel unterwarf und 184 Jahre später wurdet
der gröfiteTefl der palästhiensisch jüdischen Einwohnerschaft gefangen
nach Babel geführt. Der Perserkönig Cyrus, welcher durch die;
Eroberung Babels sein Weltreich gründete, erlaubte den Juden die
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Rückkehr in das gelobte Land. Die persische Weltmacht wurde durch
Alexander den Großen abgelöst, der 330 v. Chr. Palästina in die
Reihe der von ihm beherrschten Länder einbezog. Das mazedonische
Weltreich zerfiel nach dem Tode Alexanders in vier Teile» PaUtetina
wurde Ägypten angegliedert, aber von Antiochus dem Großen, dem
Beherrscher Syriens erobert Die syrische Herrschaft in Palästina
brachfe durch seine religiöse Unduldsamkeit die Makkabäerkämpfe,
die viel jüdisches Blut die palästinensische Erde tränken ließ. Die
Makkabäerzeit, die mit soviel Heroismui eingeleitet worden war, war
keine glückliche für das jüdische Volk. Als Schlußstein in der Reihe
der Unglücke kam 70 n. Chr. der Untergang der jüdischen Selbst-
ständiglceit und des jQdischen Reiches. Nach mehrhundertjähriger
ROmerherrschaft kam wieder Persien an die Reihe im Besitz Palflstlnas
(614 n. Chf.) ; und seit 637 ist es mit Ausnahme der Zeit der Kreuz-
zOge in mohamedanlsdieii Hflnden.
Mannigfaltig wie die politischen VorAilderungen, war auch die
wirtschaftliche Lage Palästinas.
Klimatisch ist Palästina dem Gebiet der Mittelmeerflora zugehörig,
durch seine ganze Beschaffenheit, durch seinen Mangel an Hinterland,
durch seine Abgeschlossenheit im verkehrspolitischen Sinn, nicht als
Industriestaat geeignet, sondern Agrarstaat Aber auch als solcher hat
es im Wandel der Zeiten Veränderungen mitgemacht. Feigen und
Datteln, welch letztere verhftlhiisniAAig spArlich angepflanzt sind, sind
nur im KQstenland zu finden und Icommen als Ausfuhrgut nicht in
Betrachti dagegen hat die moderne Zeit — und der Verdienst Icommt
zum grofiten Teil den JQdischen Kdonisten zu — die Orange ein-
geführt und tu einem bedeutenden Ausfuhrartikel gemacht. Der Wein
von jüdischen und deutschen Kolonisten gekeltert, hat sich schon seit
Jahrzehnten in der Welt seinen Namen gemacht und die palästinen-
sische Mandel hat auf dem europäischen Südfrüchtenmarkt sich einen
Platz erobert. Hauranweizen — der Hauran ein linksjordanisches
Hochland — vy^andert nach England, wo er seiner Vorzüglichkeit
wegen sehr geschätzt wird. Das öl der Sesampflanze bildet in dem
ftmrmea Lande f fii^ die VolksMfthrung einen .wichtigen BestandM.
Ansh die Wolle der Schtfe Ütt zum groftten Teil nach England ge-
wandelt Aber auch als EinfuhHlnd for Lebtnsroittel und di« Qegen-
sUmit dei tSglieHen Bedarfes w*ür PafMtina schon seit den Ktwa*
zögert her von WiChtlgkeii Seit dieser 2eit war Palästina Eirtwanderuhgs-
gebiet — es siedelten sich Einzelne und Klostergemeinschaften an —
und Reiseziel abenteuernder Reisender, es wurden dadurch Bedürfnisse
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vtach, deren ZM sicli in der modernsten Zeit noch gewaltig ge-
steigert hat
^ Einer Industrie ist noch Emrlhning zu tun, die Weltberflmttieit
«Itoiigf ha^ es ist dies die Heistellung und der Vertrieb von Andenlcen
^8 heilige Land ; es ist di<^ ein Gewerbe an dem Vertreter aller drei
Religionen, die an Jerusalem gekettet sind, beteiligt sind. Wer kennt
sie nicht die Olivenholzarbeiten, die Arbeiten aus dem Toten Meer-
^ein, die gepreßten Blumen und was derlei Dinge noch mehr sind.
Besonders haben es die Araber aus der Hebroner Gegend verstanden,
itk Amerika mit dem Handel mit solchen Andenken, Vermögen zu
mnchen, palastartige Gebäade an der Strafte Jerusalem— Hebron, die
dort zurfickkehrte Araber sich bauen, liezeugen, daß auch der
Händel Mit diesen Dbigen, seinen Meister ~ mehr als sehi Brot ver*
«ehaffen kann.
Palästina ist arm an Veitehrswegeh. An Qsenbahnwegen waren -
bis zum Krieg nur die Elsenbahn Jaffa— Jerusalem und die Verbindungs-
strecke Haifa und Samach zur Hedschasbahn hinüberleitend, also nur
xwei kurze Querhahnen, deren Bedeutung noch dadurch leiden mußte,
daß der größte Teü der Strecke im unproduktivsten Gebirge verlief,
eine LängsverbinduBg gab es nicht, die einen regelrechten Handels-
Terkehr zwischen Norden und Süden ermöglichte. Der Jordan kam
ab Binnenwaisserslrate nicht in Betracht» und' auch eine regelrechte
KflstenseMfMrt war fM^t dcar vielen der Ktttte vorgelagerten Fels*^
Meke iMit ihdglieh.
Der Verkehr war auf die mehr oder mhider schlechten Wege
angewiesen, Usten wurden atlf Kamelen und Eseln, seltener auf Wagen
befördert, so daß der Transport sehr verteuert wurde ; so kostete, um
«in Beispiel zu geben, der Transport der Orangenkisten von der
Kolonie Petach Tikwah, die 15 km von Jaffa entfernt ist, zum Hafen
melir als die Schiffahrt Jaffa— Liverpool.
c ' In Bezug aul die Verkehrsverhältnisse hat der Krieg verbessernd
gewirkt, Landstraßen wurden noch in türkischer Zeit teils neu ange-*
1^ tdls verbessert, die llJugUbider werden wohl die begonnene
AtMt fortgesetzt häben, el^ Ungseisenbaiin dufdMChneklet Paia*
afinil v6n iOaza blii zu seiilcfi^Nordgrenze, sie Ist Im Snden ah die
Bahn nach Ägypten entwedef 'säion ähigesehlosseh, ' oder liSeht a»-
schließbar, im Norden geht die Bahn weiter durch Anatolien nach
Konstantinopel (Hädar Pascha) den Taurus in gewaltigen Tunnelen
und Bahnbauten durchschneidend. Wenn nun die Verkehrsverhäitnisse
im Inlande besser werden, elektrische Bahnen^ europäische Land-
Straßen entstehen, so daß Lastautos verkehren können, so würde sich
der Handel und Industrie sicher heben. Die Hände» die bisher schlaft,
und untätig im Schöße gelegen, würden sich regen, zu ihrem eigenen
Besten, zum Besten der Allgemeinheit, zum Besten des Landesr
dessen Entwicklung wir alle so herzlich wflnschen, wenn das Reg^
Vorteil bringt ; ohne Zweck und Sinn arbeitet niemand gem. Arbeits-,
möglichkeiten sind vorhanden, um Handel und Industrie aufblühen zvt,
lassen, auch Bodenschätze fehlen nicht und der Humusboden gibt,
dem fleißigen Landwirt vielfachen Ertrag seiner Saat.
Es ist schon oben der Reisenden gedacht worden, die aus-
Wanderlust ins Land kommen ; daß diese Saisonwanderer viel Geld
ins Land brhigen, weiß bei uns in Europa jedes Kind, in Palästina
wußten es nur einzelne Hoteliers, Händler hi Reiseandenken und di.e.
Kassenverwalter von Geschenken lebender Wohltätigkeiisanstalten».
Palästina birgt aber hi «ich Schfltze, die es zum Fremdeniand par
excellance stempln,. die Meeresküste könnte zum Badestrand iiusge-.
baut werden, die warmen Quellen von Tiberias könnten Tausenden
von Kranken Heilung verschaffen — auch steht die Umgebung von
Tiberias den Schweizer Seen an Schönheit nicht im mindestens nach —
und Jerusalem, Jordan, Totes Meer werden stete Reiseziele Unzähliger
sein und bleiben.
■Aber nicht .nur Güter stehen im Mittelpunkt des Welt- vauk |
Völkerverkehres, auch Gedanken. Ich will nicht ein Beispiel- aus. i
neuester Zeit nennen, das kriegsgeboren, den Krieg Ui pennanena^. '
erklärt, und solche Gedanken haben schon viehnalsLflnder .djurchstürmt
und viel Ungldck, zerstörte Städte, vernichtete Kultui^ bildeten die.
Wegspur dieser Gedanken. Auch Palästina hat sclion hn Wege solcher:
die Welt durcheilenden Gedanken gestanden. Es waren die Kreuzzüge,,
die in Palästina in Schutt legten, was Jahrhunderte vorher mühselig
aufgebaut hatten. Ein solcher Gedanke muß und soll noch von Pa-
lästina aus seinen Si^eszug durch die Welt halten, der Gedanke des
Völkerfriedens.
Jüdisches Volk, Dir fällt bei der Verwirklichung dieses Gedanken»,
eine große Aufgabe zu, daß Du Dich zur Erfflllung dieser Pflicht vor-,
bereitest, damit Dich die Stunde gewappnet findetj, und Du hn Stande,
bist, Dehi Amt nach Gottes Gebot auszufahren«
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ARBEITSBERICHT
der
Vereinigung jüdischer Exportakademiker.
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OBERLEUTNANT fl. b., b. EKbTRflCHT (WIEN) :
JÜDISCHE Hi^NbELSHOCHSChÜLER
UNb bEREN VEREINIGUNG.
ir kamen vom Felde zurück. In den blutgetränkten SchQtzen-
grAben Europas und Asiens blieben die Besten, die Mutig-
sten, die Starroer der Barrikaden des Sklaventums, die
Kampfer für Freiheit und bessere Zukunft — Opfer
dieses Glaubens, Träumer und Mflrtyrer. Juden, die stets ihre Frei-
heit der Macht des Geistes und nicht den Waffen der physischen
Gewalt verdankten, jede Gewalt verachteten, wurden plötzlich
Schützengrabenkämpfer und Drahthindernissestürmer und noch nie
in der Geschichte verteidigten sie mit so beispielloser Zähigkeit, un-
geheurer Todesverachtung, heldenhaftem Mute die eigene Scholle,
wie in diesem Titanenkriege, den Boden der neuerworbenen Heimat,
der stiefmatterlicbsten aller Muttererden. Die weiten Schützengräben,
xiie verlassenen Friedhofe auf den verlassenen Schlachtfeldern Europas
und Asiens sind gewaltige Zeugen fOr ewige Zeiten, daS Juden und
Arier Arm an Arm fOr dieselben Ziele kämpften, wenn sie sich auch
ab trQgerisch erwiesen und mit übermenschlicher Begeisterung und
Aufopferung ins Verderben gfhgen. Das Europa des Schützengrabens
staunte; wie denn?! der Jude, den gestern noch die Welt zum
physischen Sklaven stempelte, raffte sich unverhofft zur körperlichen
Tat auf, um mit der Waffe in der Hand an Seite der Arier um
gleiche Ideale zu kämpfen, der verachtete Händler des alltäglichen
Lebens ward plötzlich auf dem Schlachtfelde zum Helden ! ! — Wir
kamen zurück, wjr Kuider des giacklicben Zufalls, um mit eigenen
Augen zu sehen, wie trügerisch da die Ideale waren, für welche wif
Jn den Krieg zog^ti und bluteten, um die Größe der Tragik des
^ielnatk>pen Wolkeß zu begreifen, um zu erkennen, daß wir für fremde
•Freiheit auf fii^dem Boden kämpften, mit eigenen, {»lutigen. Händen
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fremde Staaten erbauten und für sich selber nichts aaderes ernteten,
als nur verwüstete und geplünderte jüdische Häuser, als nur geraubtes
Jüdisches Gut, als nur zerstörtes jüdisches Wirtschaftsleben, als nur
Pogrome und Pogromhetzer, die Hinterlandshelden, die den Welt-
krieg anstifteten, zum Menschenmorden schürten und selbst Kapitale
im sicheren Hinterlande emsig zusammenrafften; wir kamen zurflck,
um verwüstete Staatsorganismen und verwüstetes Wirschaftsieben zu
sehen, um selbst nach so viel verflossenen, verlorenen Jahren, ge-
opferter Jugend, ihrer Freuden, ihrer Arbeitsliraft, beruf- und brotlos
herumzuirren.
Wenn wir nach dieser großen Katastrophe, die uns eine nationale
Enttäuschung und wirtschaftlichen Ruin brachte, nicht die Zukunft
aufgegeben haben, dann ist's nur unserem jugendlichen Mute, in so
-vielen Kämpfen erprobt und gestählt und der spezifisch Jüdischen
Ausdauer, die keine Hindernisse und keine Gefahr kennt, zu ver-
■danken. Und wir nahmen neuerlich den Kampf ums Dasein auf, um
eine bessere Zukunft. Arter und Juden, die gestrigen Soldaten und
Freunde aus dem Schützengraben, die einer Welt voll Feinden trotzten,
heute saßen sie zwischen friedlichen Mauern einer Hochschule und
schmiedeten — wie in einer anderen Welt erwacht — langsam ein
neues Leben. Aber unter welch' anderen VerhäUnissen ! Arier, auf
eigener heimatlicher Scholle, Juden, als Fremdlinge, Parasiten be-
trachtet — gestern noch Freunde in gemeinsamer Todesgefahr,
«chworen ehiander Treue, heute im friedlichen Leben Haß und
Rache. Vergiftete Seelen von Brunnenvergiftern des Hinterlandes!
Menschliche Verblendung ! So' richtet man nicht ein neues Wirtschafts-
leben auf! Auf Trümmern baut man kein neues Gebäude aus Trümmern.
♦ ♦ ♦
Auf der Exportakademie "herrscht ein gesunder Geist, ein Ver-
ständnis für die neuanbrechende Zeit, die den Aufbau und die Ge-
sundung des Wirtschaftslebens, die die Reinigung der politischen
Atmosphäre, die das Zusammenleben und Zusammenarbeiten aller
produktiven und tüchtigen Kräfte der Bewohner eines Staates er-
fordert, ein klarer Sinn für den praktischen Beruf, für eine Zu-
wendung der jungen Studentenkräfte nicht mehr den überfüllten,
verarmten Intelligenzberufen, sondern einer Quelle von Arbeit um
den Wiederaufbau der Volkswirtschaft, um die Wiederaufnahme des
Welthandelsverfcehres. Tausende von Studenten, die gleich den Be-
wohnern von märchenhaften Höllen ihr Leben, dessen Spuren man
an ihrer physischen Entkräftigung deutlich ansah, saßen nun, Arier
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und Juden, mit frischem Lebensmute friedlich nebeneinander und
-kernten. Ein tiefergreifendes Bild beim Anblick dieser jungen und
-vielen alten Veteranen, die den Bettelstab ihres bisherigen Berufes
l>fachen und nach einem Studium griffen, welches den schnellsten
und materiell sichersten Beruf versprach und der Zeitprognose ent-
sprang, wie viele von ihnen den abscheulichen nationalen Haß der
Vorkriegszeit aus ihren Seelen auszurotten versuchten und nach
Möglichkeiten suchten, ein gedeihliches, friedliches Zusammenleben
und Zusammenwirken der Studentenschaft zu schaffen. Denn nur
dem guten Willen, der klaren Erkenntnis der Notwendigkeit einer
friedlichen Arbeit auf dieser Kulturstätte von internationalem Rufe
war es zu verdanken, daß sich Vertreter aller politischen Vereinigungen
•der Exportakademie auf gemeinsamem Boden der wirtschaftlichen.
Ja sogar kulturellen Arbeit zusammenfanden. „Die wirtschaftliche
Organisation der Exportakademie*, »Wissenschaftlicher Klub* und
>die ^.Zeitschrift fQr Welthandel*^ sind die denttichstsprechenden Be-
weise, von welchem Nutzen flh' eine Hochschule und ihre Hörer
eine vom Geiste der Versö! nung getragene Zusammenarbeit wäre.
Nicht zuletzt gebührt der Dank für diese gesunde Strömung auf der
Exportakademie der Leitung und dem Professorenk ollegium für ihre
aufopferungsvolle und aufreibende Arbeit für das Wohl der Tausenden
der Studentenschaft, die vom Felde zurückkamen und hier volles
Verständnis für ihre Bestrebungen und Ziele fanden. Innigstgefühlter
Dank der ganzen jadischen Studentenschaft gebohrt der Leitung und
Hlem Professorenkollegium, die unter Selbstaufopferung und Selbst-
'verleugnung das Beste leisteten^ um ihr die Handelsfachkunde in
wissenschaftlicher Form zu abermitteln und praktisch fOr den kauf-
männischen Beruf vorzubereiten. Die schönste Genugtuung für die
Lehrerschaft der Exportakademie ist der Anblick, daß viele — die
trostlos in die Zukunft schauten — bereits das Schiff des neuen
Berufes bestiegen haben, die Überzeugung, daß sie den völkerver-
söhnenden Geist der Exportakademie mit sich auf den Weg nehmen
•und ins alltägliche Leben hineinbringen werden.
• . •
An einem Novembertage des Jahres 191 1 fanden sich in einem
' Wiener Kaffeehauseelne kleineOruppevon jüdischen Exportakademikern
:zu8ammen. In ihren Köpfen entstand der Plan einer Vereinigung aller
jüdischen Exportakademiker, die sich zum jüdischen Volke bekennen,
ohne Rücksicht auf ihre politische Orientierung. Und was sie dachten
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und besprachen brachten sie zur Tat. Am 14. November 1911 fand;
die Gründungsversamniiung statt, in welcher der Plan des Aufbaues-
der Fachorganisation und das Arbeitsprogramm ausgearbeitet wurden.
Wirtschaftliche Unterstützung von mittellosen Mitgliedern, Gründung
von Fachkursen, Herausgabe von Schriften, Aufklärung^rbeiten auf
aUgemeinem und jüdischen wirtochaftepolitischem Gebiete waren Auf—
gat>en der neuen Fachvereinigung. Die anfange kleine Zahl von An-
hängern und Mitgliedern ward immer stattlicher. Schwere Arb^t
mußten die GrQnder und die ersten FQhrer leisten. Juden verschiedener
Überzeugungen, Gesinnung, Denkungsart, Charakter, Sprachen, Ge-
wohnheiten, hieß es unter einem Dache zusammenbringen und ihnen
dasselbe Ziel und dasselbe Prograniin geben. Mit üleichgiltigkeit
vieler Kameraden, mit der Interessenlosigkeit der Öffentlichkeit für
die Bedürfnisse der Studentenschaft, mit trauriger Finanzlage und
Obdachlosigkeit hieß es zu kämpfen. Für alles brauchte man Geld,
und Arbeitskräfte. Dasjudeiitum verfügte nie über viele Arbeitskräfte
au! eigenem Gebiete — der fremde Mplpch verschlingt die Besten..
Und so kam es» daß die Armen in der Fachorganisation eine Wohl-
tfitigkeitsanstalt sahen, der die Reichen sich ferne zu halten als Pflicht
betrachteten» weil ihnen das Elend der brot- und heimlosen Kameraden
fremd ist, die Nationalbewußten ihre Verbindungen hatten, wo sie
glaubten alles gefunden zu haben, was Kameradschaft und Volkstum
bieten konnten und die Öffentlichkeit, an die man sich um materielle
Hilfe für ihre eigene Jugend wandte, schüttelte mit dem Kopfe und
.dachte: ^noch eine Organisation", Nur wenige erfaßten die Tragweite
-einer Exportakademikerver^hiigung : für die war sie eine elnheitiidye
Front der studierenden jüdischen Jugend nach außen, eine Repräsen-
tan/. cIlt Facliinteresst-n der Suiiit;! ''^m-i, ciiic StTitic, iiiclit nur iler
Zuflucht der Mittellosen, sondern aucn die der Erkenntnis der wirt-
«hafts-politischen ProMeme des jfldischen Volkes, der Krankheiten
des jüdischen Wirtschaftslebens und der A4Cglichkeiten seiner üe-
nesung — eine Erziehungsor<;anisatiün von Pionieren eines neuen
wirtschaftlichen Organismus, von Kaufluuien, ganzen Menschen und
Juden. Und diesen wenigen gelang es, das winzige Schiftlein jahrelang
nicht nur zu erhalten, nicht nur fortzubringen, nicht nur Inhalt und
Arbeit . zu :f»ben, iiiclit.nur.iU>er das brausende Meec der kritischesten
'Z^\ttnße6%sie^e9 hiffwQi;zubringen, softd^rj} ^uch in einen si|^i$r^
4:bifen, WD s|^ R^ll «ndfr^L SobiiNf^ zi^amrnenfanden, die meinem
Pei^pjetei'fotlglen^yzq bergen..- Penn (Me Vereinigung jüdischer SiLpoitr
.^kademil^ef w^r ^tets der Träger d^.Ged^nken^. der Einheit im^-
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Diszipliii der jüdischen Studenienschaft, eines großen jOdiseheii
Studentenlagers, wo alle gesunden Meinungen und Orientierungen,
alle Jugendicräfte ihren Platz und Arbeitsstätte finden können. Schon
im Jahre 1912 propagierte sie die Idee eines jüdischen Hochschul-
ausschusses und unternahm die ersten, erfolgreichen Schritte. Heute
ist der jüdische Hochachulausschuß zur Tat geworden . Aber suiCh
einer harmonischen Zusammenarbeit alier nationalen Studentengruppen
4er Cxportakademie hi gemeinsamen Studentenangelegenheiten Ver-
fechter war die Vereinigung jüdischer Exportalcademilcer und schon
im Jahre 1913 wurden auf ihre Anregung Verhandlungen mit defi
arischen Gruppen zwecks Schaffung einer gemeinsamen wirtschaft-
lichen Organisation gepflogen. Was damals nur frommer Wunsch war,
guter Wille — sind heute die auf der Exportakadcniie bestehenden
gemeinsamen Institutionen, das schönste Beispiel eines studentischen
Burgfriedens. Und wenn wir heute eine starke, nach innen konso-
lidierte, nach außen bewährte und allgemein anerkannte Organisation
sind, dann gebührl der Dank den damaligen Führern und Mitarbeiterp
der Vereinigung» diesen bewährten und unermüdlichen Protagonisten,
auf deren Erfahrungen und Vorarbeiten wir uns heute stflizen.
• ♦ * • r
* • f
Wir sollen einen Bericht erstatten über unsere Arbeit in diesem
Jahre, Jahre der schwersten wirtschaftlichen Krise, der größten
politischen Erschütterungen, der aufreibendsten Arbeit auf der Export-
akadeinie, des regsten Studentenlebens, l^ine Organisation von
608 Mitgliedern, eine Bibliothek von 400 Büchern, ein Urnsatz von
22.000 Kronen, ein eigenes Heim, eine eigene Lesehalle, ein sozial-
politisches Seminar, ein palästinensisches Seminar, fach- und hebrär
jsche Kurse t)eredteste Zeugen , unseref Leistungsfähigkeit^ .ei^
Arbeit von Studenten^ die vier Jahre im 'Krieg verloren haben, ^
ums tflgliche Dasein kfimpfen müssen und gleichzeitig Jernen, ein;^
Arbeit, wenn auch nicht der ganzen jüdischen Studentenschaft d^
•Exportakademie, dann umso bewunderungswerter — eines Häufleipip
arbeits- und aufopferungslustit^er Kameraden, welche in so kurtfSt
Zeit unter schwierigsten Verhältnissen, auf eigene Kräfte angewiesen,
-ein Werk schufen, welches bald zum Ljebling, zur moralischen un^i
materiellen Stütze von Hunderten von Studenten ward, die vg^
.-Osten und Westen kamen, — in Geist und Charakter verschiedene
-fxii]^ aber einig im Strjeben und großen Ziele, weiclies das jüdiscl);^
<Volk uad das jüdische Land .ihnen bieten. Freiheit der Überzeugung
Digitize^Jy Gopgle
' und Arbeit, aber lebendiges, ehrliches, bewußtes Bekenntnis zum
. jüdischen Volke war und ist die Losung der Vereinigung. Und wenn wir
uns den Bericht des Kulturreferenten vor Augen halten, sehen wir
ilen vorwiegend palästinensischen Geist in unseren Kreisen herrschen,
denn die meisten, Vorträge und Diskussionen waren den wirtschaft-
lichen und sozialen Fragen Palästinas gewidmet. Das Palästinasemi-
nar erst zum Jahressctilusse in Angriff genommen war in rascliester
Zeit ein Zentrum für viele gewordien, die auch außerhalb der Ve!^-
t^inigung und der Studentenschaft standen. Wenn in unserer Kultur-
arbeit bis nun nicht alles berücksichtigt wurde, nicht ein einheitliches
System und Programm vorhanden war, muß als Rechtfertigung der
Umstand erwähnt werden, daß wir nach den Kriegserschütterungen
'erst im Werden sind und mit aller Art Arbeit wirtschaftlicher Natur
fiberbUrdet waren. Aber schon der einzige Punkt unseres Kultur-
*programms für Winter: drei Vorträge von Dr. Alfred Nossig, des
bekannten Berliner Publizisten und Soziologen» wie auch die ge-
planten Vorträge von Prof. Oppenheimer und Prof. Sombart —
spricht für die gesunde Richtung, die in der Vereinigung auf kultu-
rellem Gebiete herrscht, für die Polle der Aufgaben, die sie zu lösen hat.
Auf wirtschaftlichem Gebiete haben wir schwere Arbeiten zu
leisten. Die Kriegsnot lastete wie ein Alpdruck auf unseren Studenten,
von denen so mancher von Haus und Heim abgeschnitten war.
Ihnen mußten wir unentgeltlich Fachbücher zur Verfügung stellen,
Studiengelder gewähren, das Fortkommen ermöglichen. Die Bibliothek,
Dariehenskassa, Stunden- und Stellenvermittlung waren die wichtig-
sten Aroe'tea unserer Vereinigung. Das WirtSChaftsamt des jüdischen
Hochschulausschusses und die wirtschaftliche Organisation der Ex-
portakademiker waren uns in der Lösung der wirtschaftlichen Auf-
gaben behilflich. £inigen Kameraden sicherten wir aus eigenen
Mitteln Unterkunft, Verpflegung und Studium. Nicht ein Wohltätig-
keitsverein wollte unsere Organisation sein, eine auf stiller kamerad-
schaftlicher Aushilfe aufgebaute Vereinigung, die ihre Taten nicht
auf die Wohltätigkeitsglocke hängt, sondern im Stillen die Not der
Kameraden mit allen Machtmitteln zu lindern versucht.
Ein g^under Geist herrscht in der Vereinigung der jüdischen
' Exportakademiker, ein Geist der friedlichen, innerlichen Zusammen-
arbeit aller kulturelkMi im i politisi hcii, jiuiisclu'n flnippen — daiS
klare Bewußtsein, da6 in der heutigen Studenten- und Volksnot, in
der geschichtlichen Stunde des jOdlschen Volkes eine Einigkeit unter
alten jadtschen politischen Gruppen erzielt werden muß. Auch inner-
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X
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halb der jüdischen Studentenschaft muß eine eherne Plattform. einer
gemeinsamen, gedeihlichen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und
kulturellem Gebiete geschaffen werden, deren Voraussetzung eine
vernünftige Führung, eine Acljtung des Wollens und Oberzeugungen^
aller Gruppen seitens derselben, wie auch Gewährung voller Freiheit
in der Ausfahrung einzelner Arbeiten einzelner politischer Gruppen im '
eigenen Namen, wo prinzipielle Meinungsverschiedenheiten herrschen,'
aber mit dem Wohle der gesamten Studentenschaft in Einklang
gebracht werden und das Bestehen der Organisation nicht gefährden.
Denn unsere Jugend kann sich heute, wo es ums Sein oder Nicht-
sein des. Volkes geht, nicht einen Selbstkultus oder ein Cinander-
beklUnpfen 'erlauben. Juden können und rnttsscM heute zusammetf-
arbeitcn und die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit sind vorhanden ;'
die müssen nicht erst* geschaffen werden, sondern nur herausgezerrt '
werden, der Öffentlichkeit gezeigt und verwendet Und so nahm
die Vereinigung jüdischer Exportakademiker — in klarer Erkenntnis-
dieser vorhandenen Möglichkeiten einer Zusammenarbeit — auf sich
die Herbeiführung des Burgfriedens zwischen den politischen Gruppen
der jüdischen Studentenschaft. Bauend auf Einsicht aller Gruppen,*
wie auch Erfahrung, daß die bisherige separatistische Taktik viel
Unheil angerichtet hat, hofft sie schon in kürzester Zeit das Ziel'
zu erreichen, welches den Gründern des jüdischen Hochschulaua^'
Schusses vorschwebt, einen jüdischen HochschulausschuS, der die
gesamte jüdische Studentenschaft Deutschösterreichs umfaßt, alle politi-
schen und kulturellen Qruppen, die wenn auch^ in vielen prinzipieJleiL.
Fragen eigene Wege gehen, doch demselben Ziele oder Zwecke.,
dienen : dem jüdischen Volke und seinem Lande, einen jüdischen
Hochschulausschuß in Wien, der nach innerer Reorganisiation die.
Fühler auszustrecken hat, um eine Weltorganisation der jüdischen ^
Hochschüler zu gründen. Denn wir alle sine) uns, klar, <cialS eine,
Weltorganisation aller jüdischen Studenten, einen neuen, jugendliche,
fortreißenden, begeisterndep ui|d begeisterteii^ Arbeitsgeist in das.
Jüdische Volk und seine Fijlhniiig hineinbringen kann, at>er mit der
Voraussetzung : ein gesundes, zielbewußtes Arbeifoprogramm, eine,
tüchtige energievofle ftir alle Strömungen in' der Studentjen^aftf
yersUbidnisvblle Führung, ejn ehrliches Denken^ Fühlen und Wollen,
der Jugend im Dienste des Volkes und Landes zu stehen.
Die Vereinigung jüdischer Exportakademiker verfolgte in der^
äußeren Studentenarbeit überhaupt keine Politik. Sie beschritt einen,
geraden, ehrlichen, versöhnungsyollen Weg : .
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dem jüdischen Volke gegenüber:
■
in richtiger Erlcenntnis der Tragik des jüdischen Volkes, die
durch seine Heimatlosigkeit hervorgerufen wurde und es zum Paria
der Völker stempelte, sich vorher def gründlichen Kenntnis seiner
Krankheitserscheinungen, wie auch Möglichkeiten seiner Gesundung
widmet, um dann im schwierigen Werlce des Umbaues des jüdischen
Wirtschaftslebens behillUch zu sein ;
derjadis::hen Studentenschaft gegenüber :
denn die Vereinigung lietrachtete sich stets nur als Glied der
jüdischen Studentenorganisation, die im jüdischen Hochschulausschuß
verkörpert ist, denn sie ist voll bewußt, daß nur eine disziplinvolle,
straffe Zusammenfassung aller Kräfte uns dem Ziele näher bringt ;
der deutschen Studentenschaft gegenüber :
in vollem Bewußtsein, daß sie |sich auf deutschem Boden befindet,
in einer Hochschule, deren Charakter und Geist geachtet werden
jDuß, aber auch im vollen Selbsbewußtsein, das sie das menschliche
Recht hat ihr eigenes «Ich* zu wahren, frei zu arbeiten und frei zu
Jemen, die Wissenschaft, wie auch deren Stätte frei von jeder
Politik zu sehen;
de r M en s ch h e i t gegenüber :
in klarer Erkenntnis der Krankheitserschefatungen des 20. Jahr-
Jmnderts, insbesondere der Kriegsepoche, der Zeit des ungeheuren
Antisemitismus, dessen Grundlage der wirtschaftliche Dasefatskampf ist
Die Vereinigung betrachtet es als ihre Aufgabe nicht nur Aufklärung
über die Entwicklung der Ursachen der wirtschaftlichen Krankheit
des jüdischen Volkes zu schaffen, sondern auch Pioniere einem
neuen jüdischen Wirtschaftsleben zu erziehen ; es ist eine Titanen-
arbeit, die auf diesem Gebiete zu leisten ist. Es geht aber nicht, wie
jich unsere antisemitischen uFreunde*' einhiklen, eine gewaltsame
Verpflanzung des Judenvolkes in das Judenland durchzüffihren, %m
lüibtdingt eine Katastrophe des al^s^efnen WirtschafMeliens herbei-
fMren müßte, sondern ehie allmahfiche, systematiscbe^ langjShrige,
wenn auch eine beschleunigte AiMt für die Gesundung des jadi-
schen Wirtschaftlebens hier als Grundlage und Vorbereitung für die
Obersiedlung nach Palästina notwendig ist; denn nur eine jüdische
Siedlung in Palästina, die alle Zweige des Wirtschaftslebens umfaßt
kann der Menschheit den grö&ten Dienst leisten, sie vom unbequemen
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vnd unerwQnschten — nach Jahrhunderten rastlosen^ aufgehenden
Arbeit fOr das Wirtschaftaleben der Welt — Volkfe befreien. Eine
•eigene Stitte, im Lebensnerv dreier Welten, wird ein neues Kultur^
Zentrum hervorrufen.
♦ • ♦
Unser Programm iür die Zulcunft, unser Ziel? Wir wollen den
jüdischen Studenten von Ost und West, den armen ohne Heim,
ohne Verpflegung, ohne Bücher, ohne Kleid eine ausgiebige, mate-
jielle Stütze sein. Die Bibliothek muß hunderte und tausende von
Fachbüchern enthalten, um die so kostspieligen Bücher dem jüdischen
Studenten kostenlos oder billigst zur Verfügung zu stellen; und
g^mte Geklmitt«! sind hieau notwend^, um nur den Bedürftigsten
«in koaitnlosea Miitagegaen und Hehn zu geben.
Wfr wollen für arm und reich däe Kuituittitte sein, wo nebet:
Jillg^einen Problemen die wirtschaMleheii, Insbesondere ProUeme
des jOdischen Wirtschaftsiebens in Seminaren, Öffentlichen Vorträgen,
gedruckten Arbeiten erörtert und allen zugänglich gemacht werden.
Wir wollen eine tatkräftige Organisation sein, uns nicht nur
theoretisch mit den Problemen der Gesundung des jüdischen Wirt-
schaftsiebens befassen, sondern auch im alltäglichen Leben die prak-
tischen Versuche unternehmen. Der Jugend der Handelsschulen und
Handelshoctoohttim mOascn wir nach Abaolvierung des Studiums
die WaM eines praktiBchcfi, getunden und erfolgreichen Berufes er-
JBOgUchem Wir mflaaen den Weltmarkt und WeHhandeMnerv kennen,
4Mn jedem behilflich zu sein das Ziel zu erreichen, jedem, der unsere
Hilfe braucht, der ohne Verbindungen ist, sich allein, arm in dem
großen Lebenskampfe sieht und gezwungen ist, sein Wissen, sein
Talent, seine Energie in kleinen Krämereien zu verzetteln. Wir müssen
<ler Handelshochschuljugend stets das große Ziel vor den Augen
halten und sie ihm näher bringen. Denn es muß ja jedem vernünftig
4enlMdM JOdiSchea Studenten klar sekl, da6» um das große Unglück»
wcldite uns dtühl^ uiiatf^,Voik Bttlft in Monmteil der Wirtschaftlichen
«der poHUKhenL Krür tines 8t«aiM htitii«ttclit»--Ytt vermeiden, die
Xktestrophtn dir letateo Jahn nidit Vrltderholefl zu 4aasM> unbedingt
auf die Schaffung einer eigenen HeHnsMii auf eigenem historischen
Bod^n^ wo jedes einzelnen Intellekt, Tüchtigkeit, Organisations- und
Produktionsfalent sich frei entfalten kanrt. Denn auch jedem ver-
jianfligen jüdischen Stüdetiten muß klar sein, daß dieses weltentlegene
Gebiet — von Natiiir aus ein Handelsknotenpunkt.von drei Weiten
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ein mächtij^es Terrain für einen gewaltigen Handel ist, der nicht nur
das kleine Palästina, aber auch ganz Asien. Afrika und Osteuropa
bewältigen und beleben wird. Es ist die geschichtliche Mission eines,
jüdischen Intelligenten» insbesondere eines praktisctien Berufes^ iO:
das altneue Gebiet neue Kultur und neues Leben hineinzubringen
und was hier als lästiger Oberfluß an jüdischen Produktionskräften,,
dort wird's als durstige Notwendigkeit gelten. Ein Verbcechen an sich
und jodischer Zukunft begeht der jOdische Exportakademiker, der
nicht die Schicksalsstunde seines Volkes versteht, den geschichtlichen
Moment verkennt und nicht schon heute sein Auge nach Osten
richtet, sich hier in das europäische Wirtschaftsleben einpflanzt, sein
Wissen und Können, seinen Reichtum und Arbeit dem fremden Moloch-
opfert und .nicht ein eigenes Heim auf sicherem, eigenem, wenn noch,
unbebautem Boden aufbaut Die: großen Mächte haben . bezüglich
Palästina bmits ihre Entscheidung getroffen — Pitttstina' wird
nationale .Heimstätte des jfldischea'f Volkes. - -
Und. nun muß sich d«r.,|ttdische Volk durch eigene" Arbeit
äußern, ob es ein Vaterland Itabeftf will oder ..... die Tragödie
des Heimatlosen, Entwurzelten, Entrechteten, von Land zu Land
Gejagten auf der Weltbühne weiterspielen lassen will. Ich glaube
aber, ein Volk, welches aus Menschen besteht, die ihr eigenes „Ich"
noch nicht aufgegeben haben, welches Mut fand, für fremde Freiheit,
zu kämpfen, Mut finden wird, sein eigenes Vaterland aufzurichten*
Die Führer des jüdischen Volkes haben in ihren Vorbereitungs-}
arbeiten die Wiclitigkeit ym Handel uiid Industrie für Palästina schon
im heutigen Momente, d^. Kolonisation erkannt, hidem sie ehie
spezielle wHandelsr uixd IndustdertiteaaBg * bei dem Palästina-.
Departement in London: errichtet haben. .
Im Einvernehmen mit dieser Ableitung und den palästinensischen:
Stellen hat die Stellenvermittlung unserer Vereinigung zu arbeiten..
Neue, nicht erschlossene Handels- und Industriegebiete öffnen sich,
unserem jüdischen Exportakademiker. Ich kenne Palästina und sage :
Die PfUclU. des jüdischen Exportakad.en^ikerQ- -ist, die hebräische,;
englische )ind französische Sprache zu. lernen und beherrscht er sie^
dann ist seine, ^Zukunft im Oriente gesichert. Die het^räische Spraohg
ist seine Le!)cn:sno'\\'cndigkeit., , •. ^ . : , . . ,
Der Umbau de^s jüdische? Wirtscluiflsle^«». und Verpflanzung
auf den eigenen; Boden, das Indendieit|t8(eUen.:des Handelsstudenten:
im Interesse der gewaltigen jüdischen Zukunft erfordert die AtMt
nicht nur einer i<orporation, sond^cfi. üip^ ntächtigen, .straffen, ein-»
^ ■■
üiyiiizccl by Google
heitlichen Weltorganisation der gesamten studierenden Jugend der
Handeisschulen und der Handelshochschulen, sogar aller Hochschulen
und Schulen für Bodenkultur. Eine Weltorganisation muß entstehen,
die in allen großen Kulturzentren ihre Zweigstellen hat, ein starkes
faieinander eingreifendes Netz von Sektionen der Weltorganisation
der studierenden Jugend der Handels- und Bodenkulturschulen ; Über-
all, wo nur ein kleines Häuflein von Absolventen oder Studierenden
dieser Schulen sich niedersiedelt, muß eine Sektion entstehen, die
unter Leitung ihrer Hauptvereinigung arbeitet. Auf kürzestem und
verläßlichstem Wege muß der Nachrichtendienst funktionieren, be-
kanntgegeben werden, wo sich der Student niederlassen kann, wo
sein Heim aufschlagen. Diese Weltorganisation hätte die Emigration
und Kolonisation der Intelligenz in diesen zwei wichtigen Zweigen
des neuen jüdischen Wirtschaftslebens zu leiten, die AbstrOmung aus
einem Berufe in den anderen und die Wahl des Berufes zu regulieren,
durch statistisches Material die warnende Stimme gegen eine Ober-
ffillung eines Berufes zu erheben, die anderen zu fördern. Die Arbeit
der Weltorganisation muß in engster Verbindung mit Palästina ge-
leitet werden, denn dort werden die Pioniere des neuen jüdischen
Wirschaftslebens ihre Zelte aufschlagen, denn dort wird ein neues
Gemeinwesen entstehen, welches die Proporz zwischen Landwirtschaft
einerseits und Handel und Industrie anderseits einhalfen wird. Über
eine Zeitschrift muß die Weltorganisation verfügen, über ein mächtiges
literarisches Organ, welches keine Frage der jüdischen Volkswirtschaft
und der jüdischen Volkspolitik, keine einzige Möglichkeit einer Ge-
sundung des jüdischen Wirtschaftslebens ohne Erörterung läßt und
dessen Mitarbeiter die besten Volkswirtler und jüdischen Volkspolitiker
der alten und neuen Welt sind und dessen Namen .Altneuland** ist
als Andenken an das literarische Werk des Troubadours der Erwachung
des jüdischen Volkes, als Symbol der neuen Zeit, des Aufbaues eines
neuen Staatswesens in einem alten Lande.
Ich sehe schon dieses mächtige Gebäude entstehen — dank
der Tatkraft, der Aufopferung, der Tüchtigkeit, der Tapferkeit der
jadischen Jugend; denn Du, jüdische Jugend gingst tapfer, mutig,
mit Begeisterung, mit Todesverachtung in den blutigen Kampf für
fremde Freiheit und es war Dir niemand dankbar, niemand hat Dich
empfangen, niemand hat Dir die gastfreundlichen Tore geöffnet, aber
mit welcher Unerschrockenheit, Ausdauer, Mut, Begeisterung und
Aufopferung wirst Du in den Kampf für Deine eigene Freiheit,
Freiheit Deines eigenen Volkes und Landes ziehen, denn für Dich
7
97
üiyiiizcd by Google
Ifldische Jugend beginnt erst der Kampf, ein rastloser, ein heiliger,
der zum Siege führt, aber nicht über Ruinen, Skelette und Trauer»
sondern aber Opfer Deines Geistes, Deiner Kraft
• * •
Du, jüdischer Exponakademiker trage Dein Scherflein von
Deinem Geiste, von Deiner Arbeit zu diesem Werke bei und Du
jüdische Öffentlichkeit trage auch Du von Deinen Mitteln Dein
Scherflein bei; denn Arbeit und Geld brauchen wir» um dieses
große Werk in Bälde zu verwirklichen.
98
Digitized by Google
T^TIQKEITSBEKIQÜT
der
Vereinigung jüdischer Exportakademiker für das
Studienjahr 1918/19.
f\) Wirischaftsbericht.
(Vom Wirtschaftsrefferenten.)
,|^jtejj^^|[n der nach dem Kriege aufgetretenen und heule noch herr-
'>o4i<>^r sehenden Verwirrung und allgemeinen Notlage stieg die
<m^X[ ^^^^ unserer wirtschaftlichen Aufgaben bis ins Unend-
liehe ; bei der Gering! Ogigkeit unserer Mittel konnten jedoch
flur^die allerdringendsten dieser Aufgaben erfOllt werden. An diesem
Zwiespalt zwischen Bedürfnis und Erfailungsmöglichkeit litt unsere
Vereinigung während des ganzen Studienjahres.
Die wichtigsten Aufgaben, die während des Jahres gelöst werden
konnten, waren Skriptenbeschaffung, Nachhilfekurse, Sprachkurse,
Unterstützungen, Darlehen, Stellenvermittlung, Stundenvermittlung ;
anderseits mußten aber noch viele Aufgaben als gegenwärtig uner-
füllbar versciioben werden und harren im kommenden Jahre ihrer
Lösung.
Am B^inne des Schuljahres hat unsere Vereinigung als erste
und «inzlge die Beschaffung von Skripten übernommen. Es wurden
Skripten im eigenen Verlage gedruckt und verkauft oder gegen Leih-
gebahr und Kaution verliehen und begreiflicherweise erfreute sich
diese Aktion eines großen Zuspruches und brachte K 1793*94 als
Gewinn. Im Jänner dieses Jahres wurde laut Abkommen mit der
„Wirtschafts- Organisation der Exportakademie" dieses Recht ab-
getreten.
Mit Beginn der Demobilisierung begann ein unerwarteter Zu-
strom von neuen Hörem, welche ii die alten Kurse eintraten oder
7»
üiyitized by Google
für welche neue Kurse eröffnet wurden. Nach langem Militärdienst^
vollständig unvorbereitet, wieder im Hörsaale, konnten viele Hörer'
den Anforderungen nicht entsprechen, da sie ja auch viel versäumt
hatten und so hieß es, um diesen Kollegen beizuspringen und ihnen?
das Weiterkommen zu ermöglichen, Kurse für Icommerzielle Fächer"
zu eröffnen und unentgeltlich zur V^erfügung zu stellen. Die Kollegen.
Assistent Vogl und Berger übernahmen die Leitung und die Ver-
einigung spricht ihnen hier ihren wärmsten Dank für ihren Pflicht-
eifer aus.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechterten sich in dei»
ersten Monaten des Jahres zusehends, besonders für unsere Kollegen
aus dem Osten, da sie von der Heimat vollständig abgeschnitten'
waren. Mittellos sahen sie einer trostlosen Zukunft entgegen und die
Vereinigung hatte nur das größte Elend gelindert, als sie eine Unter-
stotzungsaktion durchführte und K 2010. — als zins'reie Darlehen an
12 Kollegen überließ, von denen wohl ein Teil in Unterstützungen
umgewandelt werden muß.
Die Vereinigung begann mit Ende des Schuljahres auch eine
Stelleavermittlung einzuleiten. Im Verhältnisse zu den großen Ver-
mittlungsorganisationen ist dies selbstverständlich eine kleinste Aktion
und dementsprechend ist auch der Erfolg, gemessen an der herr--
sehenden riesigen Arbeitslosigkeit. Wir mußten uns auf individueller
persönliche Momente stützen, wo die großen Aktionen wegen ihrer
Masse versagen, erreichten aber gerade dadurch schöne Erfolge und
konnten mehreren Kolie^^cn Stellen verschaffen. Mit Beginn des näch*
sten Jahres wird diese Aktion fortgesetzt und gemeinsam mit einer
auch heuer begonnenen Stundenvcrmittlung vereinigt und wir dürfea
uns weitere Erfolge versprechen.
Die Fragen, die im kommenden Jahre noch zu erledigen sind,^
wurden bereits in den Ferien in Angriff genommen. Es sind dies vor
allem: Bücherrabatte, Studiengeldunterstützungen, Wohnungsaktion^
Mensa, Theaterkartenermäßigungen, Fahrkartenermäßigungen usw»
Alle diese Arbeiten erfordern natürlich riesigen Aufwand an Arbeit
und Geld.
100
üiyiiizccl by Google
B) Kulturbericht.
(Vom Kulturreferenten.)
Ernste Arbeit für das jüdische Kulturwerlc gehört zu den wichtig-
sten, aber auch zu den schwier^ten Aufgaben der Vereinigung jüdi-
scher Exportakademilcer in Wien. Denn nur in engster Zusammenarbeit
aller Gruppen und Partelen, in willigster Unterordnung der Persönlich-
keit unter das Ganze, kann das große gemeinsame Ziel: die Regene-
rierung des jüdischen Volkes erreicht werden.
Im Rahmen dieses großen Werkes, für das zu wirken auch uns
gegönnt war, mußten wir uns naturgemäß auf den uns am nächsten
liegenden Teil: die Wirtschaft Palästinas und des Orients sowie die
wirtschaftliche Lage der Juden im Exil, beschränken und könnten die
übrigen Zweige^ wie Geographie und Geschichte» Literatur und Rechts-
-wissenscfaaften, hebrfiische und arabische Sprache, nur soweit als dies
imbedingt notwendig erschien, gestreift werden. Fflr diese vorstehend
^gekennzeichnete Arbeit wurden Gruppen von ungefähr 20 Mitgliedern
geschaffen, welche unter Leitung von Gruppenführern gemeinsam
arbeiteten und es wurden von diesen Gruppen eine Reihe von Vor-
trägen über die wirtschaftliche Lage des jüdischen Volkes im Golus
(Exil), Wirtschaft Palästinas in Gegenwart und Zukunft, Einfluß des
Krieges auf die jüdische Bewegung, Zionismus, jüdische Parteien,
Richtungen und Theorien der Kolonisationsarbeit gehalten.
Es wurden während des Schuljahres in unserem Heime, sowie
durch das Entgegenkommen der Direktion der Exportakademie — -
-wofür wir dieser Dank schulden — auch im Akademiegebäude einige
Vorträge bekannter Persönlichkeiten über aktuelle Fragen gehalten.
Herr Dr. Schmitz, Vorstand der Handel und Industriesektion im
Palästinaamte leitete] eine Vortragsserie über Palästina mit einem
Einführungsvortrage ein und besprach ferner die Araberfrage. Herr
Dr. Emil Stein, Leiter des Palästinaamtes, ein genauer Kenner unserer
101
iJiyilizea by CjüOgle
alten HeimcttJiieJt.einige Vorträge vorwiegend sozialpolitischen InhalteSy
streiite^berJ^aeh*' die geographischen Verhältnisse; für die Behandlung
der sozialen Frage in unserem Volke stellte sich ein hervorragender
Fachmann, Herr Adolf Böhm, Präsident des jüdischen Nationah-ates,.
zur Verfügung; für die Kolonisationsfrage konnten wir den bekannten
Bakteriologen Herrn Prof. Dr. Marmorek, Professor des Pasteur-
institutes in Paris, einen bekannten Fahrer der zionistischen Bewegung
gewinnen, der einen sehr stark besuchten Vortrag tiber Tropen-
krankheiten hielt und auch in einem öffentlichen Vortrage Dr. Max
N 0 r ci a u feierte. AulSerdein konnten wir noch die Herren Dr. Nagler,.
Dr. Egon Zweig, Dr. Bernfeld, Lubranicki, Ehrw. Ober-
rabbiner Chajes, Ing. Kram er, Margulies als Vortragende
begrüßen und auch einige Kollegen sprachen Ober aktuelle Themata.
Genaue Daten über unsere Veranstaltungen liefert die angeschlossene
Tabelle.
Zu Ende des Schuljahres gelang es uns ein sozialpolitisches
Seminar zur Behandlung der Judenfrage einzurichten, das Herr Adoff
Böhm leiten wird, und wahrend der Ferien wurde unter Leitung
der Herren Dr. Stein und Dr. Schmitz ein Palästinaseminar zur
Behandlung der Wirtschaft des Orients aufgestellt. Die Arbeiten in
diesen Seminaren nehmen günstigen Fortschritt und es haben sich
auch zahlreiche Teilnehmer gemeldet. Im Vereine mit dem Kultur^
verband „Jabne" wurden hebräische Sprachkurse eingerichtet
Für die Unterstützung, die wir in allen Kreisen gefunden haben, danken
wir allen Persönlichkeiten an dieser Stelle herzlichst, und bitte»
uns auch im kommenden Jahre behilflich zu sein.
102
L iyiii^üd by Google
Seminare
Vorträge
I. Sozialpolitisches
Seminar.
Leiter:
Herr Adolf Böimi.
2. PallttkiA-Senl-
Leiter:
Herr Dr. E. Stein,
HerrDr.ScIiniitz.
Kurse
1. Hebräisclier
Spraclilnirs f. An-
fänger.
Lehrer:
HerrRosenbaum.
2. Hebräischer
Sprachkurs für
Fortgeschrittene.
Lehrer:
Herr Lubraniclci.
3. Fachlrarse.
Leiter:
Exp. Vogel und
Exp. Berger.
PalMimikaml«
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SS
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Jttdmfrage
~j —
U US
O
1. Einführung in die
Palästinakunde. V.
Herrn Dr. Schmitz
2. Palästina als
Landbegriff von
Herrn Dr. E. Stein
X
3. Aufnahmskapa-
zität Palästinas v. S
Herrn Adolf Böhm,
4. Kolonisations-
plan für Palästina .s
von Dr.
Nagler
Hersch
Ö.Tropenkrankhei-
ten und Kolonisa-
tion von HertnPrf.
Dr. A. iMarmorek
r.
6.ReGrcnerationdes
jOd. Volkes in Pa-
lästina von Herrn
Dr. £. Stein
7. Arbeitsnehmer
u. Arbeitsgeher v.
Herrn Lubranicki
8. Die Araberfragen
in Palästina von
Herrn Dr. Schmitz
Z
1. Die Lage des jüdischen
Volkes von Herrn Dr.
E. Stein
DieBcrufsumschichtung
des jüdischen Volkes
und die Berufswahl von
Herrn Ing. Kramer
Die Aufgaben des jü-
dischen Studenten von
Herrn Margulies
Der jüdische Export-
akademiker und das
jüdische Volk v. Ehrw.
Oberrabbiner Chajes.
X
c
X
9. DieChalukaund
ihreBedeutungfür
Palästina von Hr.
Egon Rosenzweig
X
4>
X
Die Judenfrage als so-
ziologisches Problem
von Herrn Adolf Böhm
10. Palästina im
Kriege von Koll.
Robert Weift
11. Der jüdische
Exportakademiker
und Palästina von
Herrn Dr. S. Bern-
feld
X
Max Nordau anläßlich
seine870.Qeburtstages.
Vortragszyklus: I.Vor-
trag 7. August 1919.
MaxNordau alsZionist
von Prof. Dr. A. Mar-
morek
Max Nordau und die
jüdische Jugend von
Herrn D. Erdtracbt
Der politische Zionis-
mus (Vortrag und Dis-
kussion) von Herrn
Heinrich Margulies
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3
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103
Digitized by Google
C) Kassabericht
(Vom Finanzreferenten.)
Der vorliegende Bericht umfaßt die Rechnungsperiode 1. No-
vember 1918 bis 31. Juli 1919.
Das Vermögen der Vereinigung betrug am Beginne dersellien
K 1490-22 und konnte während des Berichtjahres auf K 8696 91
gesteigert werden, so daß der Gewinn die stattliche Summe von
K 7206-69 erreicht hat.
Mehr als die Hälfte trugen hiezu die Veranstaltungen bei,
welche einen Reinertrag von K 4565*02 ergaben. Weiters brachten
Mitgliedsbeiträge und Spenden K 4951*27, ferner die behn Verkauf
von Skripten und Abzeichen erzielten Reingewinne von K 1978*94
und diverse kleinere Gewinnposten insgesamt K 924*03. Der Brutto-
gewinn betrug daher K 12.419*26, wovon die Teilverluste von
K 5212-57 abzurechnen sind. Von den letzleren entfallen auf Heim
und Bibliothek K 299r26 und zwar K 1556'64 für Abschreibungen,
welche in Anbetracht der raschen Abnützung und des hohen Ein-
kaufspreises während der lelzten Monate mit 25 ^Iq festgesetzt wurden
und K 1434-62 an Verwaltungskosten. Von den Darlehen mit K 2010
wurden ebenfalls 25 7oi das sind K 502*50 abgeschrieben. Außerdem
erforderten noch Kurse und Seminare einen Zuschuß von K 623*50
und betrugen die Ausgaben für Propaganda K 722*56. Diverse Posten
ergeben noch insgelamt K 37275, so daß die Gegenüberstellung von
Gewinnen und Verlusten den oben ausgewiesenen Reingewinn von
K 7206*69 ergibt.
Einen nach Monaten geordneten Ausweis der Kassagebarung
zeigt die Tabelle III, welche als Gesamtumsatz der Rechnungsperiode
K 22.870'99 ausweist, welcher Betrag auch als Endsumme der Ta-
belle IV, die einen nach Konten geordneten Kassaauszug darstellt,
erscheint. Die stärkste Bewegung zeigt der Monat März, welcher
auch einen Überschuß ergibt. Ebenso die Monate November und
104
Digitized by Google
Dezember, die noch einen Gewinn, ferner Jänner und April, welche
einen Verlust ergeben. Die übrigen Monate ergeben ebenfalls Ver-
luste, die Jedoch unter K 1000.— bleiben. In Tabelle IV erscheinen
die Summen der Einnahmen und Ausgaben, deren Differenz die ein-
zelnen Erfolge im Gewinn- und Verlustausweis ergibt.
Hier ergeben die Veranstaltungen die größten Posten, nflmüch
Einnahmen K 10.03r93, abzüglich K 5466-91, so daß ein Gewinn
von K 4565.02 resultiert. Die Einkäufe an Skripten und Abzeichen
betrugen K 3434*60 und ergaben beim Verkaufe K 5413*54, also
einen Gewinn von K 1978 94; das Heim erforderte K 7227-97,
welcher Betrag zur Einrichtung des Heimes und einer Bibliothek ver-
wendet wurde. An Kautionen wurden eingezahlt K 971.— und rück- '
gezahlt K 265.--, so daß K 706. — als Spenden verblieben oder
verfielen; als Darlehen wurden an 12Ko liegen die Summe
von K 2010— ausgezahlt. Anscblieitend veröffentlichen wir
den Rechnungsabschluß unserer Vereinigung, abgeschlossen per
31. August 1919.
105
Digitized by Google
Soli Gewinn- und Verlustausweis Haben
1 1
I 1
K
K
h
K
h
K
h
i 1
Unter-
1
Mitglieds-
1
Stützungen
71
beitrdge •
2940
2
Darlehen •
502
oO.
2
Spenden *
2011
27
3
Heimverwalt
1373
70
3
Zmsen • •
42
03
4
Bibliothek-
4
Veranstalt
4565
02
Verwaltung
890
5
Gewinne
K
O
iviaienaivrw.
oKripien
D
Zeitscnrift-
1
K 179394
verwaltun^
2 9 vi
dO
Anzeichen
—f
i
Kurse u. Se-
K 185 —
1 978
94
minare • •
623
50
6
Leihgebühr
176
8
Miete ♦ •
120
7
706
12419
26
9
Propaganda
722
56'
10
Spesen • •
^ 181
75|
5212
57
1
1
Reingewinn
*
7206
)9
Ka^^^ -
1
12 11 "
12419
2f)
1 .
Abgeschlossen am 31. August 1919.
Revisoren: Kassler:
Hermann flptcr, Exp. Ferdinand Gatincri Exp.
rXarjan EiscnKlammi Exp.
106
Oigitized by Google
Aküva
Bilanz
Passisa
Kassa
Bargeld . •
DeliitorQit
I>epositen-
bank •
Konto pro div.
Darlehen
Sekretariat
Div. Material
Abzeichen
K
1482
881
h
49
K
161
2363
h
26
2010t
5Ü2
110
25 1508
50
Heim
Anschaffgsw. 2958 32|
25VoAbschr. 739582218
Bibliothek
Anschaffgsw. 3268
257oAbschr.| 817
16050
49
75
23
062451
74
17
188(3391
Kreditoren
Konto pro div.
K 'hlj K
Stand per 1.
Nov. 1918
Gewinn
167
149022'
7200 69 8Ö9691
8863
91
Abgeschlossen am 31. August 1919.
Revisoren:
Hermann Upter, Exp.
Aarjan ElscnKlamm, Exp.
Kassler:
Ferdinand Gattner« Exp.
lor
Digitized by Google
Kassa - Gebarung.
I
Monat
' Soll
Haben
Saldo
Bar-
vorrat
j Ver-
mögen
K
h
h
K
h
K
h
K
h
Oktober
490
22
490
22
1490
22
November
1901
83
756
+ 1145
83
1636
05
Dezember
3652
50
' 657
+2995
50
4631
55
Jänner •
3228
56
5754
62
-2526
06
2105
49
Februar •
705
—
1003
72
1
298
72
1806
77
März • •
9725
28
7222
17
r2503
11
4309
88
April • •
235
—
1692
70
-1457
70
2852
18
Mai * •
781
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Juni • •
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—
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August •
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September
1643
75
8696
92
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99
22870 1
99|
+1153
53
7206
69
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vorrat
108
Digitized
by Google
Eingang
Kassa
Ausgang
K
h_
K
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Saldovortrag • •
490
22
Unterstfitzungen •
71
—
MitgUedsbeiträge .
2940
Spenden • • • •
550
—
Spenden • • • •
2561
27
Darlehen • • • .
2010
—
Veranstaltungen •
10031
93
Veranstaltungen •
5466
91
Verkäufe • • • •
5413
54
Ankäufe • • • •
3434
60
Kurse und Seminare
245
—
Kurseund Seminare
868
50
Kautionen • • •
971
—
Kautionen • • •
265
—
Leihgebühren • •
176
—
Propaganda • • •
722
56
42
03
Debitoren • • •
308
95
3592
44
Bibliothek • • •
3392
73
Zeitschriften • •
293
80
181
75
1643
75
22870
99
22870
99
Saldovortrag • •
1643
75
109 ^, ,
Digitized by Google
b) BibliotheKsbericht.
(Vom Bibliothekar.)
Da wir in den früheren Jahren kein eigenes Heim besaßen,
konnten wir auch eine Bibhothek, obwohl eine solche eine dringende
Notwendigkeit war, niclit einrichten. Dank dem Entgegenkommen des
Herrn Ing. Reitmann ist dieses Hindernis nun im letzten Jahre weg-
gefallen und da auch unsere Veranstaltungen einen sciiönen Erfolg
hatten, konnten wir anscbliefiend an unser Heim eine Bibliothek ein-
richten.
Diese soll einerseits- den Mitgliedern die nötigen Lehrbücher
bieten, andererseits soll sie durch verschiedene Werke aus den wirt-
schaftlichen und kommerziellen Gebieten, die weitere Vertiefung in
die betreffenden Fächer ermöglichen. Besonderer Wert wurde auf
jüdisch- wirtschaftliche und Pr^lästina - Literatur gelegt, da ja die Ein-
führung in die jüdische und orientalische Wirtschaft, sowie Verbreitung
der Palästinakunde zu den Zielen der Vereinigung gehört.
Während die Lehrbücher im Heime auflagen und nur dort selbst
benutzt werden konnten, wurden die anderen Bücher auch ausgeliehen.
Die Bibliothek wurde besonders von den Mitgliedern, welche zu ent-
fernt von der Exportakademie wohnten, sehr rege benützt, und wie
die Statistik zeigt waren in der kurzen Zelt des Bestandes der
Bibliothek 58'8% der Bücher ausgeliehen.
Den Mitgliedern standen in der Bibliothek eine Reihe großer
Werke wie Lexika, Bibliothek des allgemeinen und praktischen Wissens,
sowie alle Lehrbücher in mehreren Exemplaren zur Verfügung ; ferner
wurden noch Skripten des eigenen Verlages, welche nach einer Ver-
einbarung mit der wirtschaftlichen Organisation der Exportakademiker,
welche das alleinige Recht für Herausgabe der Skripten erhielt, nicht
mehr verkauft werden durften, in die Bibliothek eingereiht.
Im Heime lagen viele jüdische und wirtschaftliche Zeitschriften,
sowie Tagesblatter auf, welche ebenfalls sehr stark gelesen wurden.
Dem Entgegenkommen mehrerer Redaktionen, besonders solcher jü-
discher Blätter im Deutschen Reich und in Polen verdanken wir die
unentgehliche Übersendung ihrer Zeitschrift, wofür wir ihnen an dieser
Stelle unseren verbindlichsten Dank aussprechen.
UO
uyiu^cd by Google
Inhalt
deutsch
anders-
sprachig
Zusammen
Jüdische
1
82 (88)
3 (3)
85 (91)
Wirtschaftliche und sozial-
wissenschaftliche . .
147 (161)
147 (161)
Kommerzielle und Sprach-
bücher
57 (65)
28 (29)
85 (94)
Diverse .
12 . (29)
12 (14)
24 (43)
Zusammen
298^(343)
43 (46)
341 (389)
StatlBtllc der Bücherauslellie.
Ausgeliehen haben 16'5"/o der Mitglieder.
Ausgeliehen wurden 171 Werke (193 Bande) 5876 7o*
Davon entfallen auf
Jfldische 58 Werke (65 Bande) 34 % der ausgeliehenen Bflcher
wirtschaftl. 73 „ (84 „ 427%
kommerz. 40 „ (44 „ 233 7o „
171 Werke (193 Bände) 100 7o
Tcrasel^luiUi der Xtätan^n und 2^t8clirllten»
welelie Im Lesesaale uneeres Helmee auflasen«
f.
Sprache
deutsch
jiddisch
hebräisch
andere
Wiener Tages-
blätter
Jüd. Mor-
genpost
Lodzer
Tagblatt
Chada-
schoth
Haarez
Continent.
Times
^) Die Ziffern In Klammem bedeuten die Anzahl der Bände.
III
Oigitized by
Sprache
deutsch
jiddisch
hebräisch
andere
Wochen-
blätter
JüdischeZeitung,
Wien
Jüdische Rund-
schau, Berlin
Selbstwehr,
Prag
Volk und Land,
Berlin
jadisches Echo,
Manchen
Freie Tribüne,
Wien
Osterr. Volks-
wirt, Wien
Neues Wiener
Finanzjournal,
Wien
Handel und In-
dustrie, Wien
Neue Erde,
Wien
Wochen-
blatt, Ko-
penhagen
Zidowske
sprawy
(tschech.)
Prag
naiDmonat-
schriften
/irueii
Jüdische Jugend-
blatter
Monats-
schriften
Der Jude, Wien
Jerubbaal, Wien
Neue jadische
Monatshefte
Esra, Wien
Im deutschen
Reich, Berlin
Najiand
Qwuloth
Moriah
(Poln.)
Lemberg
Haszomer
(Poln.)
Wien
■
•
•
Jüdischer Wille,
Berlin
112
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Verzeichnis
der wichtigeren von den im letzten Studienjahre eingekauften Büchern
(ohne die Lehrbücher):
Andr^e Karl: Geographie des Welthandels, 3 Bde.
Arloaoroir V. Ch. : Der jüdische Volkssozialismus.
Ballod Karl : Der Zukunftsstaat.
Bebel August : Die Frau und der Sozialismus.
Bell G, L. : Durch die Wüsten und Kulturstätten Syriens.
Bernfeld Siegfried : Das jüdische Volk und seine Jugend.
Bernstein S.: Der Zionismus, sein Wesen und seine Organisation,
Bibliothek des allgemeinen und praktischen Wissens, 6 Bde.
Borght van der: Die Entwicklung der Reichsfinanzen.
~ Finanzwissenschaft, 3 Bde.
— Volkswirtschaflspolitik.
Broatano Lujo : Die Anfänge des modernen Kapitalismus.
Bnttler Mich. Murray : Die Amerikaner.
Caro Georg : Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Juden im Mittel-
alter und Neuzeit.
Damaschke Adolf: Die Bodenreform.
«Erez Israel^, Mitteilungen des J. N. F.
£ttingtr Markus: Die Vermögensabgabe und Konjunktursteuer.
Ferri Enrico : Sozialismus und moderne Wissenschaft.
FVied A. H.: Das internationale Leben der Gegenwart
Friedemann Adolf : Das Leben Theodor Heizte.
Gdhre Paul: Das Warenhaus.
Goldscheid Rudolf: Sozialisierung der Wirtschaft oder Staatsban-
kerott.
— Staatssozialismus oder Staatskapitalismus?
Graetz Heinrich : Volkstümliche Geschichte der Juden, 3 Bde.
Gruotzel Josef : Grundriß der Wirtschaftspolitik, 5 Bde.
— Wirtschaftliche Bei^e.
Gflrtier Max: Textil-Industrie, 2 Bdchen.
Hahn Eduard : Die Wirtschaft der Wdt am Ausgang des 10. Jahr»
hunderts.
Hattehek : Allgemeines Staatsrecht, 3 Bdchen.
Hellauer: Welthandelslehre.
Hertzka Theodor: Freiland.
Herzl Theodor : Altneuland.
^ Der Judenstaat.
8
113
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Hoeflieh Eugen: Der \\ in das Land.
Kampfmejrer Hans: Die Gartenstadtbewegung.
Kaplun-Kogan Wlad. : Ple Wanderbewegungen der Juden.
Kaotsky Karl: Das Erfurter Programm.
— Sozialdemokratische Betrachtungen zur Obergangswirtschaft
Klatzkin Jalcob : Probleme des modernen Judentums.
Kol van: Die Zukunft des jüdischen Volkes.
Lederer Emil : D e wirtschaftlichen Organisationen.
Lexis Wilhelm : Das Handelswesen, 2 Bdchen.
— Das Kredit- und Bankwesen.
Liizt: Das Völkerrecht.
Lombroso C, Der Antisemitismus und die Juden.
Maier Gustav : Geldweaen, Zahhmgsverkehr und VermOgensverwaltiing.
— Soziale Bewegungen und Theorien.
ManesAlfred : Grundzflge des Versicherungswesen (Privatversicherung^
— Sozialversicherung.
Morus Thomas : Utopia.
Mückle Friedrich: Geschichte der sozialistischen Ideen im 19. Jahr-
hundert.
Müffelmann Leo : Die moderne Mittelstandsbewegung.
— Die wirtschaftlichen Verbände.
Müller S.: Jüdische Geschichte in Charakterbildern.
Nationalkalendftr JüdiMlie: 191^16, 1916/17, 1917/18, 1918/ia
Navrataky Kurt: Das neue jüdische Palästina.
Neurath Otto : Antilie Wirtschaft^gesduchte.
— und Anna Schapirc: Lesebuch der Volkswirtschaftslehre^ 2 Bde.
WHlMlm: VolkswirtsebaftHche und sozialphilosophisdie Essays.
Max Nordau: Menschen und Menschliches (Skizzen und Glossen).
Pirlagi Bela : Richtlinien einer internationalen Wirtschaftspolitik.
Philippovieh Eugen : Die Entwicklung der wirtschaitspolitischen
Ideen im 19. Jahrhundert.
— Grundriß der politischen Ökonomie.
Pinea: Geschichte der jüdischen Literatur.
Piakus L. F. : Paliatf na und Syrien.
PoppaivLjnlEauf : Dl^ allgemeine Nfthrpflicht
lUtbenau: Die neue SnidmSt
Riol Alfons: Kommunale Wirtschaftspflega.
Roaenfsld Max: Die polnische Judenfrage.
Rothsehild: Taschenbuch für Kaufleute.
Ruppin Artur: Der Aufbau des Landes Israel
114
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Rttppin Artur: Die Juden der Gegenwart
Saehst-Steeher: Warenkunde, 3 Bde.
Seherer J. E. : Die Rechtsverhältnisse der Juden in den d.-ö. Ländern.
Schipper Ignatz : Die Anfänge des Kapitaiismus bei den abendländi-
schen Juden.
Schmidt M. G. : Geschichte des Welthandels.
Schumpeter Josef: Vergangenheit und Zukunft der Soziaiwissen-
Schäften.
Sehwats O..: Die Finanzsysteme der Großmächte. 8. Bdchen.
— Die Steuersysteme des Auslandes.
— Richard: Rathenau, Goldscbeid und Popper-Lynlceus und ihre
Systeme.
Sehwiedland Eugen : Verschiedene BroschDren n^rtsdiaftspolitischen
Inhalts.
— Volkswirtschaftslehre.
Sombart Werner: Die gewerbliche Arbeiterfrage.
— Gewerbewesen, 2 Bdchen.
— Die Juden und das Wirtschaftsleben.
— Sozialismus und soziale Bewegung.
— Die Zulcunft der Juden.
Statistik der Juden.
Staudiager Franz: Die Konsumgenossenschaft
Steekelmacher NL : Randbemerlcungen zu Sombarts „Die Juden u.
d. W. I."
Tenenbaam Josef : Problemy gospodarcze Zydöw w Galicyi.
Teilhaber Felix : Der Untergang der deutschen Juden.
Thomscn Peter : Palästina und seine Kultur.
Tönnics Ferdinand : Die Entwicklung der sozialen Frage.
Trietsch Davis.* Jüdische Emigration und Kolonisation.
— Palflstina-HaadlMich.
Warhufg Otto4 Die Kulturpflanzen der Weltwirtschaft
Wiibnmdt R. : Karl Marx.
2emaeh S. : Jüdische Bauern.
Oiaitize«
LelirbtlGlier (die meisten zu je mehreren Exemplaren),
Kommenielle Fächer: LOnemann, Ottel (allg.)» Kreibig, Nesenf
Arith.), Schiller-Barta, Ziegler (Buchhaltung), Fiedler, Kleibef
(Korresp.), Brossus, Buchwall, Conrad (Band.).
Warenkuade: Gürtler, Hassack, Sachse-Stecher, Rauter, Thaller^
ReehttwiMentchaf t : Manz'sche Schulausgaben, Barta, Hatschek^
Lederer, Liszt, Schwarz, Stolz, Wrabetz.
Wirtschaftsgeographie: Andr6e, Friedrich, Heiderich, Ludwig,.
Schöne, Stoiser, Zehden.
VoUnwIrtaehaltalelure: Conrad, Fiedler, Gruntzel, Oswald, Philip-
povich, Quartoch, Schwarz, Schwiedland.
Fremde Sprachen: Laiigenscheidtsche Wörterbücher, Grammatiken-
und Sprachbücher (hebr. : Krinski, Rath, jüd. : Birnbaum, russ. :.
Berneker, Marnitz, engl. : Berger-Hurt, Svoboda ; Franz. : Cle-
dat-Goug6re, Übe-Müller-Schraitz) ; Handelskorrespondenz (engL^
Fischer, Langridge; Franz,: De Beaux, Bitterling -Jansen,.
Decker, Glauser) und verschiedene LesebQcher.
116
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nitgliederverzeichnis
(pro Jahr 1918/19).
Ehrenpräs identen :
Dr. Nordau Max (dzt. Zarauz, Guipuzcoa, Spanien).
Prof. Dr. Feitier Siegmund (Wien). (Ord. Prof. an der Export-
akademie, Prof. an der Konsularakademie, Mitglied der Prüfungs-
komnUssion für das Lehramt an höheren Handelsschulen.)
'Prof. Dr. Marmorek Alexander. (Prof. des Pasteurlnstitutes in Paris.)
Dr. Nossig Alfred (Berlin).
-Saiten Felix (Wien).
Herr Eidinger Natan, Großkaiifmann.
Herr Nussenblatt Adolf, Fabrikant.
Herr Dr. Pollak-Parnau Bruno, Großindustrieller.
Herr Reitmann Emil, Architekt.
Bankhaus S. M. Rothschild.
Herr Tisch Emanuel, Fabrikant (Bielitz).
Herren Gebrüder Guttmann, Großindustrielle.
Herr Klinger Hermann, Großindustrieller.
Herr Kremenetzky Johann, Fabrikant.
Herr Tisch Alfred, Exp.
Herr Knopf H. u. S., Großkaufmann,
jadische Kultusgemeinde.
Herr Rubel Simon, Fabrikant.
Herr Springer, Großindustrieller.
Herr Grzyb William, abs. Exp.
Herr Wien David, abs. Exp.
Herr Grün Salim, abs. Exp.
Herr Klappholz Benedikt, abs. Exp.
Herr Zuckerberg Zwi, Exp.
Beitragende Mitglieder:
Ehrenmitglieder :
Stifter:
Gründer:
Förderer:
i
Herr Eisenklamm Mar]an, Exp«
Ordentliche nitglieder.
Abraham Josua
Adler Jakob
Adler Rudolf
Agdern Oskar
Alexander Otto
Alkalay David
Alkalay Isidor
Alkalay Josef
Alt Alfred
Andermann Heinrich
Angermann Markus
Apter Hermann
Ascher Simon
Aschkenasy Josef
Aschkenasy Samuel
Austel Marius
Aszkenasy Marek
Auerbach Meier
Augenblick Josef
Auster Leo
Axelrod Isidor
Baitinester Albert, Dr.
Bank Mendel
Bannet Bernhard
Baron Bernhard
Baron Elias
Baumann Leon
Baumer Michael
Baumgarten Mauryzy
Baurer Benzion
Beck Leon
Beer Theodor
Bein Ladislaus
Beiser Elias
Berger Abraham
Berger David
Berger Moritz
Berger Samuel
Bergglas Mendel
Berkovicz Josef Aron
Bernfeld Hans
Bernstein Abraham
118
Bernstein Ignatz
Bernzweig Benedikt
Biber Israel
Bierer Erwin
Billig Emanuel
Birkenfeld Ludwig.
Biss Robert
Bleimann Efraim.
Blau Wilhelm
Blaustein Ignatz
Blaustein Ludwig
Blumberg Erich
Bokser Markus
Bondy Alfred
Bondy Karl
Borak Heinrich
Brandmarker Julius*^
Brand Josef
Braunstein Donia
Brecher Tobias
Breitbard Gustav
Brettler Chaim
Bretschneider Heinrich
Brettschneider Leo
Brettschneider Siegfried
Breuer Adolf
Brill Max
Briller Isaak
Brink Julius
Brojdy Isidor
Bromberg Elias
Buchen Leo
Burg Hermann
Byk Herbert
Charmatz Hans-
Chiger Hugo
Chlamtacz Benno
Deutsch Adolf
Deutsch Walter
Debitzer Josef
Donnebaum Otta
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Drechsler Berthold
Drucker Josef
Druks Israel
Druks Rubin
Dubensky Wilhelm
DuU Leo
Bbersohn Benno
Edel Heinrich
Eder Abratiam
Ehrenkranz Israel
Eichhorn Luitpold
Eisenberg David
Eisenklamm Marjan
Eisenklamm Oskar
Eisinger Armin
Eisler Johann
Ekstein Elias
Elias Friedrich
Ellenberg Lola
Engel Isidor
Engel Josef
Engelberg Schebsel
Enzer Schmiel
Erdtracht David
Exelbirt Wilhelm
Fabian Hans
Feder Todros, Dr.
Feldschuli David
Feuerstein Josef
Fisch Juda
Fisch Julius
Fleischer Marek
Fleischmann Benjamin
Form Heinrich
Frankel Alfred
Frankl Desiderius
Fränkel Wolf
Franzos Josef
Freudenheim Josef
Freuder Martha
Freund Richard
Freund Rudolf
Freund Zwl
Friedl Isaak
Friedmann Eduard
Fröhlich Erwin
From Naftali
Fuhrmann Filip
Fuss Joel
Fürst Fritz
Gaschke Max
Gattner Ferdinand
Geller Hermann
Gelobter EUsabeth
Glanz Otto
Glack Chaim
Glücksmann Simon
Gold Abraham
Gold Ignatz
Gold Natalie
Goldapper Lazar
Goldberg Salo
Goldberger Josef
Goldenberg Arriel
Goldenstein Salomon
Goldfinger Heinrich
Goldhammer Elisabeth
Goldring Gabriel
Goldschlag Saul
Goldschmidt Sigmund
Goldschmied Wilhelm
Goldschlag Heinrich
Gokistein David
Goidstein Samuel
Gottesmann Moses
Gottfried Josef
Gottlieb Ernst
Gottlieb Isaak
Ootflieb Lazar
Gottlieb Moses
Graf Isidor
Graubart Leon
Greif Josef
Griffel Alfred
Groß Fritz
Groß Karl
Grossmannn Fini
Gruber Elias
Gruberg Joel
GrOn Salim
GrUnberg Hermann
GrOnberg Samuel
QrQnwald Oskar
Grzyb Wiliam
Günsberg Baruch
Gutherz David
Guttniann Julius
Hacker Hugo
Hader Marek
Halberstam Norbert
Halpern Abraham
Halpern Isser
Hammer Benjamin
Hammer Joachim
Hartmann Robert
Hassner Benjamin
Hausknecht Leopold
Haut Edgar
Hecht Maurycy
Hecht Wolf
Heim Erich
Helfgott Saul
Helfgott David
Heller Jakob
Heller Israel Lipa
Heller Michael
Heller Samuel
Hellmann Jakob
Heivvig Abraham
Herrmann David
HernOs Mendel
Hertmann Samuel
Herzig Jakob
Herrter Friedrich
Hill Jakob
Hiller Jakob
Hirsch Ernst
Hirschl Zwonimir
Hochenmann Josef
Hoffer Wilhelm
Holzbauer Paul
Holzer GretI
Holzer Karl
Horenstein Samuel
Horinger Moritz
Hornik Theodor
Hornung Adolf, Dr.
Horowitz Alexander
Horowitz Maximilian
Hosenfratz Josef
120
Höflinger- Bergen Rudolf
Höfner Oskar
Jäger Isaak Markus
Jä<^er Robert
Jägermann Leo
Jger Meschulini
Jeczes Moses
Jellinek Robert
Josef Moses
Juffe Max
Jurmann Jakob
Kafka Franz
Kammer Leib
Kammer Jakob
Kammer Friedrich
Kammermann Heinrich
Kampelmacher Karl
Kanner Isaak
Kanner Jaques
Karpf Josef
Karpf Josef
Kellner Chaim
Kellner Walter
Kessler Bernhard
Kienbeck Michael
K-immel Bernhard
Kirschenblatt Julius
Kisches Josef
Klappholz Benedikt
Klarberg Isidor
Klausner Emil
Klausner Leo
Kleber Jakob
Klein Artur
Klein Jakob
Klein David
Kleimann Moritz
Kleinrock Bruno
Klinger Robert
Knoepel Isidor
Knoppel Meier
Koch Isidor
Kohn Erich
Kohn Siegfried
Kornblüh Salomon
Königsfest Filip
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KOnigsfest Josef
Köppl Bruno
Kraft Artur
Krakauer Max
Krakauer Filip
Kränzler Fabius
Kraus Emil
Krauter Hermann
Krauthammer Saul
Kreisberg Isidor
Kubiöek Andor
Kudisch David
Kula Marcel
Kupferinann Moritz
Kupfennann Samuel
Kurz Alfred
Kurz Jakob
Lamm Josef
Landau Ignatz
Landau Israel
Landau Natan Beer
Landau Sophie
Lande Alexander
Landes Felix
Landesberg Chaim
Lanes Josua
Lang Jakob
Laufer Alfred
Laufer Eduard
Laufer Otto
Lauterbach Adam
Lauterbach Artur
Lauterbach-Hruszowski Artur
Lautner David
Lebenstein Lili
Lehr Heinrich
Leitner Josef
Leker Hersch
Lerner Adolf
Lerner Fritz
Lerner Max
Leuchter Bella
Loewy Leo
Licht Stephanie
Lichtblau Leo
Liebermann Ludwig Eroanuel
Liebmann Sigmund
Lindenberg Isak
Linder Salomon
Lissiansky Alexander
Lissiansky Ignatz
Lübl Franz
Löffel Koppel
Löw Mendel
Low Otto
Löwy Salomon
Lustig Alexander
Blach Eduard
Machlup Gustav
Maiberger Jakob
Mahler Luis
Mandl Hugo
Mandl Eduard
Manger Sciiama
Mannheim Izydor
Mantel Heinrich
MarguHes Benjamin
Margulies Gustav
Markmann Josef
Marmarosch Abraham
Mattersdorf Feiice
Mayer Heinrich
Mayersohn Isaak
Mechner Egon
Mehr Jakob
Meibourcz Qetzel
Meiler Josef
Merdinger Bernhard
Mermann David
Meyer Mendel
Mischel Falik
Miseles Josef, Dr.
Morgenstern Egon
Morgenstern Leo
Moschel Abraham
Müller Matthias
Münk Max
Münster Oswald
Münzer Friedrich
Nachmann Juda
Neiger Julius
Nettel Eugen
Neuberger Luis
Nichtenhauser Alfred
Nussbaum Israel Juda
Oberländer Eva
Ohrfreund N.
Olexincer Asriel
Oliver Abraham
Oppenheim Else
Oppenheim Leopold
Oppenheimer N.
Ornstein Felix
Oskar Joachim
Osterer Chaim
Osterer Saul
Otto Hersch
Pachtmann Juhus
Parnes Laub
Pasternak Sala
Peller Jonas
Perlmann Simon Maier
Pessel Otto
Piclc Paul
Pikholz Wolf
Pisk Otto
Pohoryles Leib
Poljokan Albin
Pollak Josef
Pollak Arnold
Polturak Salo
Pories Hermann
Prämingo Efralm
Procbnik Sigmund
Provisor Abraham
Radenmacher Karl
Rappaport Oskar
Rauch Edgar
Reder Josef
Redler Benzion
Redisch Benjamin
Reich Anselm
Reich Ernö
Reich Friedrich
Reich Manfred
Reich Moses
Reich Sidonie
Reichsfeld Ignatz
Reichsthaler Ernst
Reichstein David
Reiner Robert
Reiss Natan
Reizes Ludwig
Remert Baruch
Richter Chaim
Richter Stefan
Riess Erwin
Riwne Bernhard
Rohatyn Artur
Rosegg Paul
Rosen Elias
Rosenbaum Aron
Rosenberg Hans
Rosenberg Emanuef
Rosenberg Josef
Rosenblatt Wilhelm
Rosenheck Friedrich
Rosenkranz Josef
Rosenmann Jakob
Rosenrauch Emil
Rosenrauch Wilhelm
Rosenstein Emanuel
Rosenstrauß Leo
Rosner Robert
Roth Dezö
Rothenberg Jakob, Dr.
Rothenberg Josef
Rothfetd Karl
Rotmann Josef
Rottenberg Susanne
Rubel Marek
Rubin Filip
Rujeder Otto
Safier Lazarus
Sak Simeon
Salomon Israel
Sandmann Samuel
Salzinger Leo
Saphier Josef
Schafel Adolf
Schanzer Bruno
Schanzer Siegfried
Schapira David
Schapira Isidor
Schapira Pino
122
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Schapira Siegmund
Scharfstein Isidor
Schechter Isaak
Scheinmann Jose!
Schein Marzeil
Scheinhorn Moses
Schepper Josef
Scheuer Walter
Schiffer Ludwig
Schlamm Bernhiard
Schlesinger Friedrich
Schmalzbach Isidor
Schmieder Isaak
Schmierer Samuel
Schnabel Josef
Schnapp Leo
Schneider Ernst
Schnitzler Artur
Schochet Ludwig
Schor Isaak Mayer
Schorr Maximilian
Schön Emil
Schönfeld Chaim
Schönfeld Eduard
Schumer Heinrich
Schuster Franz
Schutzmann Leo
Schüssel Josef
Schwarz Amel
Schwarz Jakob
Schwarz Felix
Schwarz Märton
Schwarzbach Josef
Schwarzbach Alfons
Seidenstein Berthold
Seifer Karla
Sender Zacharias
Sigal Josef
Sigmund Fritz
Silbermann Josef
Silberstein Karl
Singer Stanislaus
Skrainka Robert
Slanski Josef
Slutzker Moritz
Solomonoff Schimon
Sonnenfeld Otto
Sonnenschein Zwi
Sonnenschein Emmy
Sperber Mayer
Spieß Jakob
Spira Lazar
Spitzer Karl
Spitzer Robert
Spitzer Wilhelm
Stadler Georg
Stapler Albert
Stein Isaak
Steiner Robert
Steiner Schmiel
Steinig Leo
Steinitz Leopold
Stern Abraham
Stein Artur
Stern Simche
Sternberg Mittel
Sternberg Otto
Sternklar Samuel
Steuer Viktor
Stiasny Ernst
Stolinski Heinrich
Storch Markus
Strachen Chaim
Straf Berl
Strakosch Richard
Strenger Salanion
Strisüwer Johann
Suchestow Marcel
Südwärts Emanuel
Süßkind Eugen
Sufimann Wilhelm
Tau Anselm
Taub Fryderyka
Taub Herrmann
Taub Moritz
Taub Samuel
Tauber Alexander
Tauber Bernhard
Tannenbaum Adolf
Teich Emanuel
Teichberg Mayer
Teitelbaum Ewa
Thaler Chaim {
Tierst Karl «
Tisch Alfred '
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Tisch Leopold
Tisser Isaak
Tittniger Marjel
Topf Michael
Toprower Moritz
Torbe Leopold
Traub Emil
Tuchmann Josef
Tark Paul
Türkei Simon
UUmann Gabor
Urmann Simon
Vogel Friedrich
Vogel Louis
Wald Bernhard
Wagner Isidor
Wagner Josef
Wank Max
Wartenberg Ulrich
Wasser Rosalie
Wattenberg Salo Heinrich
Wegner Isidor
Welch Chaim
Weidenfeld Abraham
Wcidling Natan
Weinberger Beer
Weingarten Fiüp
Weingarten Leon
Weinreb üsias
Weinsaft Lazar
Weinstein Leopold
Weiß Erich
Weiß Fritz
Weiß Josef
Weiß Robert
Weitz Josef
Weitzmann Saul
Werber Oskar
Wieliczkier Chaim
Wien Dawid
Wiener Josef
Wieser Julius
Wiksei Hermann
Willner Dawid
Wink 1er Josef
Winter Leopold
Winter Paul
Wischnitzer Josef
Wistreich Lola
Witz Hermann
Wohlbedacht Alexander
Wohlmann Alfred
Wolf Richard
Wollner Artur
Wospreis Friedrich
2iegler Markus
Zilz Sigmund
Zimels Flora
Zinnemann Efrhim
Zuckerberg Zwi
124
PRÄSIDENTEN
der Vereinigung jfldischer Exportakademiker:
Fränkl (14. XI. 1911). — Lustig (28. L 1912). — Borger (30. X. 1912>
Reiner (7. XIL 1912). — Gross (1. XL 1913).
Tausik (22. X. 1914). — Waldmann (a XIL 1914).
Margulies (7. XI. 1915). — Charmatz (28. 1. 1918).
Grzyb (15. XI. 1918.) — Erdtracht (5. VI. 1919.)
DER AUSSCHUSS
der Vereinigung jüdischer Exportakademiker
pro Sommer-Semester 1919:
Obmann.
Obmannstellvertreter.
Schriftführer I.
Schriftführer IL
Bibliothekar L
Bibliothekar IL
Kassier.
Kulturreferent.
Palästinaseminarreferent.
Organisationsreferent.
Wirtschaftsreferent I.
Wirtscbaftsreferent II.
Stellenvermittlungsreferent
Pressereferenti
Hehnverwalter und Veranstaltuugsrefereni
Referent des jadischen Hodischulausschusses..
Revisoren.
DigilLzed byTioogle
Erdtracht
Steinig
Berger
Pickholz
Kessler
Margulies
Oattner
Lamm
Zuckerberg
Tisch
Vogel
Rosenrauch
Dr. Miseles
Zilz
Orttn
Oiack
Apter
Eisenklamm
Herrn Architekten Reitmann,
dem GrOnder nnaeres Heimes^
Unseren Ehrenpräsidenten, Ehrenmit-
gliedern^ Stiftern, Gründern und Förderern,
Redaktionen der Zeitungen,
die unsere Bestrebungen unterstützten und volles Verständnis für
unsere Ziele hatten,
Den Prelegenten, Leitern von Seminaren
und Kursen
für ihre aufopferungsvolle Mitarbeit
den tiefempfundenen Dank.
Das Pfäfikiium
der
VereiniguDg jüdischer Hxportakademiker.
126
An absolTierte nnd diplomierte jftdisciie fiiportakadeiiiüLei!
In seinem Berichte vermag der Verein jüdischer Exportal<ade-
miker leider nichts über seine alten Herren zu sagen, die, in alle
Windrichtungen zerstreut, in den verschiedensten Berufszweigen
tätig, außer Kontakt mit ihm und untereinander gekommen sind.
Vielfach ohne ihr Verschulden, denn zur Zeit, als sie an der alten
Bxport-Akademie studierten, gab es auch noch keine speziell jüdisclie
Organisation in dem großen Hause in der Berggasse und wir alten
jadischen Exporftakademiker fanden in den konationalen Vereinen
4ind Verbindungen gastfreundsctiaftUciie Aufnalime und Duldung.
Heute ist das anders geworden — von der Bedeutung der
Organisation gibt der vorliegende Bericht beredtes Zeugnis und es
ist an der Zeit, daß wir Diplomierte uns unserer Studienzeit an der
Akademie erinnern und uns in dieser Erinnerung zusammenfinden.
Unter den ehemaligen Exportakademikern hat immer ein gewisser
Korpsgeist geherrscht — unter den jüdischen sollte er allein fehlen ?
Indem ich dies bezweifle» wende ich mich hiemit an Euch
^e, liebe KoUegen und Gesinnungsgenossen, die Ihr gleich mit mir an
der Exportakademie studiertet und die Ihr nun auch seit Jahren im
werktätigen Leben stehet — ich wende mich an Euch mit der Ein-
ladung zur Gründung eines Verbandes alter Herren der Vereinigung
jOdischer Exportakademiker, damit wir mit unseren Volksgenossen
jenen Kontakt herstellen, der uns alte Herren mit den jungen
Hörern verbinden und der es ihnen ermöglichen soll, sich draußen,
iern vom Hörsaal, leichter die Praxis zu finden.
Wir Alten wollen uns zusammentun, um den Jungen zu raten
und zu helfen, wo es not tut und um jung zu bleiben miteinander
und mit ihnen!
Dazu, liebe alte Herren, seid herzlichst eingeladen
von Euerem
Dipl Hxp, Friedrich Steiner,
Alter Herr ad honores der V. j. E.
Anmeldungen sind an die Vereinigung jadischer Exportakade-
miker 11. Taborstraße 1, zu richten.
127
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Druck von Thomas Weber, Wien, IV»
SdiilTergMM 18«.
4
' .1
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YC 81663
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YC 81663
ÜNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY
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